Festhalten, es wird geradezu galaktisch! Motorsport-Magazin.com durfte bei einem Testtag auf dem Hockenheimring hinter die Kulissen einer Technologie blicken, die auch den Rennsport in Zukunft revolutionieren könnte. Die Rede ist von Space Drive, einem innovativen Steer-by-Wire-System, bei dem eine mechanische Verbindung zwischen Lenkgetriebe und Lenkrad - wie im klassischen Rennwagen - nicht mehr vorhanden ist.
Die Übertragung der Lenkbefehle erfolgt stattdessen innerhalb von Millisekunden über Kabel - also 'by-Wire' - durch elektrische Impulse. Und wieder einmal dient der Motorsport als das schnellste Testlabor für die Serie.
Um das von Schaeffler Paravan entwickelte System, das Menschen mit einer Behinderung seit fast 20 Jahren erlaubt, am Straßenverkehr teilzunehmen, auch unter extremen Belastungen zu testen, hielt es Einzug in unterschiedliche Rennwagen.
Je ein Audi R8 LMS GT3, Mercedes-AMG GT3, Porsche 911 GT3 R sowie McLaren 570 S GT4 treten mit Space Drive an Bord in der Rennserie GTC Race - ehemals als DMV GTC bekannt - an, die in diesem Jahr im Rahmenprogramm der DTM gastiert. Alle umgerüsteten Fahrzeuge sind offiziell vom Deutscher Motor Sport Bund (DMSB) für den Renneinsatz zugelassen.
"Das ist eine sehr interessante Technologie, die jetzt im Rennsport weiterentwickelt wird", sagte der langjährige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, der beim Test auf dem Hockenheimring unter anderem dem fünffachen DTM-Champion Bernd Schneider über die Schulter schaute. "Ich kenne es seit vielen Jahren: Was man auf der Rennstrecke testet und probiert, kann einen sehr positiven Stempel bekommen", so Haug weiter.
Neben DTM-Rekordmeister Schneider waren weitere bekannte Rennfahrer wie der frühere ADAC GT Masters-Champion und DTM-Fahrer Maximilian Götz oder der ehemalige Formel-1-Pilot Markus Winkelhock im Einsatz, um die Ingenieure mit ihrem Feedback zum Space-Drive-System zu unterstützen.
"Am Anfang war es schon ungewohnt", sagte Götz. "Man setzt sich ins Auto und das Lenkrad dreht sich um 360 Grad! Sobald die Zündung angeht, justiert es sich dann ein. In der aktuellen Version merkt man fast keinen Unterschied zum klassischen Rennauto, wenn man auf der Strecke fährt. Man kann sogar die G-Kräfte am Lenkrad einstellen und sehr gut auf seinen Fahrstil adaptieren."
Die Force-Feedback-Lenkeinheit ist mehrfach redundant aufgebaut, um stets für größtmögliche Sicherheit zu sorgen. Über ein speziell entwickeltes Strommodell werden Kräfte an das Lenkrad übertragen, um es nach Belieben leicht- oder schwergängiger zu gestalten und Einwirkungen wie Untersteuern oder das Überfahren von Kerbs direkt an den Fahrer weiterzuleiten.
"Mittlerweile haben wir die Parameter so gut abgestimmt, dass man ins Auto einsteigen kann und keinen Unterschied mehr spürt", sagte Winkelhock, der 2019 als erster Fahrer ein Rennen mit einem auf Space Drive umgerüsteten Audi R8 LMS GT3 bestritt. "Genau das war unser Ziel und die Rundenzeiten befinden sich mittlerweile auf dem Niveau einer klassischen Lenkung. Für mich als Rennfahrer war es absolut beeindruckend, zu sehen, wie schnell dieses Level erreicht worden ist."
Die Technologie, die jüngst in den Rennsport Einzug gehalten hat, wurde von der Paravan GmbH mit Sitz in der Schwäbischen Alb entwickelt. Das Space Drive genannte System verfügt über Straßenzulassung und hat sich in 8.500 Fahrzeugen auf gut einer Milliarde unfallfreien Kilometern auf öffentlichen Straßen bewährt.
Im Rennsport ein Hingucker - im Straßenverkehr eine willkommene Lösung: Steer-by-Wire ermöglicht es Menschen mit Behinderung, Autos ganz normal zu steuern. Erfunden und kontinuierlich weiterentwickelt hat die Technologie Roland Arnold, CEO der Schaeffler Paravan Technologie GmbH & Co. KG sowie Gründer und Geschäftsführer der Paravan GmbH.
"Wir möchten uns ein umfassendes Bild von der Leistungsfähigkeit sowie von der Robustheit des Systems machen", so Arnold. "Dabei ist es unabdingbar, Fahrzeuge verschiedener Fabrikate und Fahrzeugkonzepte zum Einsatz zu bringen, die von unabhängigen Rennställen eingesetzt werden. Die Erkenntnisse aus den Rennen sowie die gewonnen Daten fließen permanent in die Weiterentwicklung und Industrialisierung des Systems."
Arnold war überzeugt, dass Space Drive künftig einen Platz auch in den Top-Klassen des Motorsports einnehmen kann. Eine Aufwertung der Sicherheit, potenziell verbessertes Handling sowie die Möglichkeit, Cockpits wesentlich freier gestalten zu können - durch Space Drive benötigt ein Lenkrad keinen festen Platz - führte er als Argumente an.
Matthias Zink, Vorstand Automotive OEM der Schaeffler AG, über das Joint Venture mit Paravan: "Wir engagieren uns seit rund einem Jahr mit Space Drive im Motorsport, um die schnellen Entwicklungszyklen zu sehen und zu erleben. Wir haben von den Fahrern und Ingenieuren bereits Ideen erhalten, wo wir Vorteile bei der Technologie erzielen können. Deshalb ein klares Ja: auch im Motorsport sehen wir eine Zukunft."
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