Nick, fünf Podestplätze und Gesamtrang 7 in der Formel-E-Saison 2016/17: Was macht dich zuversichtlich, dass du dieses Ergebnis in der kommenden Saison toppen kannst?
Nick Heidfeld: Mehrere Dinge. Zum einen glaube ich, dass meine letzte Saison nicht meine beste war. Ich bin mir sicher, dass ich mich verbessern und steigern kann. Ich habe wirklich noch einiges dazugelernt und weiß, was ich falsch gemacht habe. Ich merke auch, dass ich für die kommende Saison motiviert bin wie schon lange nicht mehr. Der Hauptgrund ist, dass wir in der zweiten Hälfte der abgelaufenen Saison ein wirklich starkes Auto hatten. Das ist hoffentlich auch diese Saison der Fall.

Was ist dann möglich?
Nick Heidfeld: Ich habe die Hoffnung, dass wir wieder konstant um die Spitze fahren und nach Möglichkeit um den Titel kämpfen können. Das setzt eine etwas andere Motivation in mir frei. Es ist nicht so, dass ich vorher unmotiviert war. Aber wenn man das hoffentlich realistische Ziel vor Augen hat, um die Meisterschaft mitzukämpfen, ist das schon etwas Anderes, als wenn man einfach nur im Mittelfeld rumfährt.

Dein Mahindra-Teamkollege Felix Rosenqvist war in seinem Debütjahr in der Formel E besser platziert als du...
Nick Heidfeld: Felix war seit langer Zeit der erste Teamkollege, der mich geschlagen hat - nach Punkten, aber auch nach meinem Gefühl. Darüber habe ich mir Gedanken gemacht. Felix hat einen besseren Job gemacht als ich. So etwas musste ich in meiner Karriere bislang nur selten sagen. Das spornt mich natürlich zusätzlich an. Gleichzeitig ist es toll, so eine Herausforderung zu haben. Auch das hat mich im letzten Jahr Dinge überdenken und ändern lassen, die sich dann auch im Laufe der Saison positiv ausgewirkt haben.

Was genau hast du denn geändert?
Nick Heidfeld: Ich habe unterschiedliche Dinge bei der Herangehensweise im Auto geändert, was Konzentration und Mentales angeht. Das hat sich relativ schnell positiv ausgewirkt und ist etwas, woran man immer arbeiten muss. Ich sage immer, dass Sport im oberen Spitzenbereich im Kopf entschieden wird. Ein gewisses Talent hat da jeder, aber gerade wenn es um den Titel geht, setzt sich auf der Strecke das am stärksten durch, was im Kopf passiert. Das ist das Wichtigste.

Rosenqvist ist es auch gelungen, ein Rennen zu gewinnen. Darauf wartest du noch in der Formel E - wie auch in der Formel 1. Begleitet dich diese Sieglosigkeit etwa durch deine Karriere?
Nick Heidfeld: Das begleitet mich nicht durch meine Karriere hindurch, sondern gilt nur für meine Zeit in der Formel 1. Die hat natürlich einen großen Teil meiner Zeit im Motorsport ausgemacht. Davor habe ich viele Rennen gewonnen und auch Meisterschaften. Aber klar, viele erinnern sich nur an die Formel 1 und daran, dass ich in der Formel E auch noch nicht gewonnen habe. Das ist natürlich ärgerlich.

Es hat oftmals aber nicht viel gefehlt. Beim allerersten Rennen in Peking lag ich auf Siegkurs, bis Nico Prost in mich reingecrasht ist. In Buenos Aires habe ich den sicheren Sieg kurz vor Schluss wegen einer Boxenstrafe verloren. Und in den Rennen, in denen ich stärker war als Felix, hat es auch nicht gereicht. Ich bin aber nach wie vor davon überzeugt, dass ich das schaffen kann. Das Ziel ist, die Meisterschaft in der Formel E zu gewinnen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass das Auto gut genug ist.

Du hast in diesem Jahr deinen 40. Geburtstag gefeiert - dabei schätzen dich viele Menschen um einiges jünger ein. Merkst du das Alter heute beim Rennfahren?
Nick Heidfeld: Nein. Ich merke das eher dadurch, dass das von außen an mich herangetragen wird und dass ich ja schon eine ziemlich lange Karriere hinter mir habe. Dadurch finde ich es aber umso spaßiger, dass ich mit den jungen Fahrern noch gut mithalten kann. Da hinke ich nicht hinterher. Es kommt den meisten Menschen wirklich nicht so vor, als sei ich 40 Jahre alt. So war das schon früher. Als ich in die Formel 1 kam, sagten die Leute manchmal: 'Der sieht ja noch aus wie ein junger Bube, der hat bestimmt nicht mal einen Führerschein'. Jetzt denken viele, ich sei noch keine 40. Aber irgendwann kommt vielleicht mal die Zeit, in der sich die Leute fragen, ob ich in meinem Alter noch mithalten kann. Das wäre dann bestimmt auch ein netter Ansporn für mich, denn das Alter hat ja nichts mit der Leistung zu tun.

Stimmt, aber 40 Jahre gelten als gehobenes Alter für einen Rennfahrer. Warst du manchmal selbst von dir überrascht, dass du dein Level im Motorsport halten konntest?
Nick Heidfeld: Ich stelle mir schon seit einiger Zeit die Frage, ob und wann es sich einstellt, dass man keine Höchstleistungen mehr bringen kann. Vielleicht ist das schon jetzt der Fall, aber man selbst merkt es gar nicht. Solche Fragen stellt man sich mit 40 Jahren, mit 30 war das nicht so. Ich beobachte mich in dieser Hinsicht schon länger, kann es aber ehrlich gesagt nicht ausmachen. Vielleicht war ich im Alter von 30 Jahren besser. Meine Reaktionen waren es bestimmt. Andererseits braucht man in der Startphase gute Reaktionen und da bin ich in der Formel E derzeit der stärkste Fahrer. Bei meinen 31 Starts habe ich nur ein einziges Mal Plätze in der ersten Runde verloren. Vielleicht kann ich das alles in 10 oder 15 Jahren rückblickend besser einschätzen als jetzt.

Wo siehst du dein Team Mahindra im Vergleich zur Konkurrenz?
Nick Heidfeld: Ich hoffe, dass wir bei der Musik sein werden. Ich vermute, dass die Autos immer näher zusammenrücken aufgrund des länger bestehenden Reglements. Im ersten Jahr waren alle Autos gleich, da haben die Teams und Fahrer den größten Unterschied ausgemacht. In der zweiten Saison war dann einiges frei in der Entwicklung und da gab es das eine oder andere Team - speziell Renault - das sich einen großen Vorteil erarbeitet hat. In der letzten Saison konnten dann einige Teams aufholen, unter anderem Mahindra. Aber die Teams vorne hatten natürlich einen Vorteil und sie werden versuchen, den in die kommende Saison mitzunehmen. Bei uns macht mich die gute Entwicklung über die letzten zwei Saisons zuversichtlich.

Am Freitag erscheint der zweite Teil des großen Interviews mit Nick Heidfeld. Der Formel-E-Pilot spricht über Risiken des Hersteller-Booms, den Massa-Effekt und seinen früheren Formel-1-Wegbegleiter Robert Kubica.