In der Formel E herrscht seit einiger Zeit ein regelrechter Hersteller-Boom. Hättest du das beim Start der Serie erwartet?
Nick Heidfeld: Ich hatte es gehofft. Dass es so schnell gehen würde, hätte ich aber nicht erwartet. Man konnte sicherlich nicht absehen, dass der Elektro-Boom so schnell vonstattengehen würde. Ich denke, der Dieselskandal hat sein Übriges dazu beigetragen, dass dieser Prozess beschleunigt wurde. Dass gerade so viele Hersteller aus Deutschland sich in der Formel E engagieren, ließ sich vor gut drei Jahren aber kaum absehen.

Hersteller gelten als Fluch und Segen einer jeden Rennserie. Sie investieren, steigen bei Misserfolg aber auch gern vorzeitig aus...
Nick Heidfeld: Stimmt. Was ich dabei aber noch riskanter finde: Unter dem Eintreffen großer Hersteller, die viel Geld mitbringen, können sowohl kleinere Teams als auch die Serie leiden. Das haben wir häufig gesehen. Wenn ein Hersteller kommt und viele Millionen reinbuttert, sind die kleinen Teams irgendwann weg. Bleibt der Erfolg dann aus, fragen sich selbst die nicht siegreichen Hersteller, warum sie so viel Geld dafür ausgeben. Das macht die Serie auf Dauer kaputt. Auf der anderen Seite fand ich es immer gut, dass die Regeln der Formel E vorsehen, dass jedes Team seine Antriebseinheit zu einem humanen Preis zur Verfügung stellen muss. Wenn man das beibehält, wäre das der erste Schritt. Trotzdem muss die Formel E schauen, dass die Kosten überschaubar bleiben. Das haben die Verantwortlichen aber sicherlich auf dem Zettel.

Ein anderer positiver Effekt in der Formel E ist, dass die Leistung begrenzt ist. Ein Team kann im Qualifying nicht plötzlich 300kW abrufen, wenn maximal 200 erlaubt sind. In der Formel 1 ist das anders. Wer da einen guten Job macht, hat schnell mal 50 PS mehr im Auto als die Konkurrenz. In der Formel E kommt es stattdessen mehr auf die Effizienz an. Da kann es zwar auch Unterschiede geben, aber nicht so, dass ein Team allen anderen um die Ohren fährt.

Kann ein Team wie Mahindra auf lange Sicht mit den großen Herstellern konkurrieren?
Nick Heidfeld: Das hoffe ich und darüber spreche ich auch mit dem Team. Ich denke nicht, dass es bei Mahindra am Geld scheitern würde. Das ist auch ein ziemlich großer Konzern, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie etwa Volkswagen. Wir haben allerdings den Nachteil, dass wir nicht über so eine große Racing-Historie und auch Rennsport-erfahrene Manpower und Infrastruktur verfügen wie Audi, BMW und Co. Das darf man nicht vergessen. Umso lobenswerter ist es, dass ein Team wie Mahindra derzeit mit den Top-Teams mithalten kann.

Die Fahrer in der Formel E wurden zu Beginn etwas belächelt. Inzwischen sind die Cockpits heiß begehrt. Verspürst du da ein wenig Genugtuung?
Nick Heidfeld: Ja und nein. Ich finde es blöd, dass die Formel E am Anfang belächelt wurde. Wir hatten schon in der ersten Saison ein starkes Fahrerfeld. Das hat sich dann noch einmal verbessert. Ich bin schon nach der ersten Saison von anderen Fahrern angesprochen worden, ob ich ihnen nicht mit meinen Kontakten helfen könne. Sicherlich sind wir nicht so schnell wie die Formel 1 und es gibt noch immer einige Leute, die die Formel E nicht so positiv betrachten. Aber es ist nicht ohne, ein Formel-E-Auto auf einem Stadtkurs zu bewegen. Mit Blick auf das Fahrerfeld ist die Formel E mit Sicherheit eine der hochwertigsten Rennserien der Welt.

Felipe Massa liebäugelt nach seinem Formel-1-Karriereende mit einem Wechsel in die Formel E. Große Namen waren zu Beginn der Serie gern gesehen. Aber braucht die Formel E jetzt überhaupt noch solche Zugpferde?
Nick Heidfeld: Es ist richtig, dass viele Fahrer, die früher in der Formel 1 waren, in die Formel E gewechselt sind. Ich ja auch. Wenn ich aber damals ein gutes Job-Angebot in der Formel 1 bekommen hätte, wäre ich da geblieben. Trotzdem hat sich die Formel E extrem etabliert. Ich denke, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr so wichtig ist, große Namen in die Serie zu bekommen. So war es am Anfang, und das hat auch gut funktioniert.

Felipe würde der Serie sicherlich auch jetzt noch mal kurzzeitig einen Push geben, so wie wir es bei Mark Webber in der WEC gesehen haben. Ich denke aber, dass dieser Effekt relativ schnell verpuffen würde. Gleichzeitig kann man auch nicht sagen, dass man jemanden gerade deshalb nicht nimmt, weil er einen großen Namen hat. Das wäre Quatsch. Felipe ist ein Top-Fahrer, der lange in der Formel 1 war, sich etabliert hat und noch immer gute Leistungen zeigt. Wenn er also Lust hat auf die Formel E, warum nicht?

Heidfeld und Massa waren 2002 Sauber-Teamkollegen in der Formel 1, Foto: 2002
Heidfeld und Massa waren 2002 Sauber-Teamkollegen in der Formel 1, Foto: 2002

Wäre es für dich interessant, in der Formel E noch mal für einen Hersteller wie BMW zu fahren?
Nick Heidfeld: Das Thema wird von vielen Seiten an mich herangetragen, weil ich offensichtlich eine erfolgreiche Historie mit BMW und auch Mercedes habe. Momentan bin ich aber bei Mahindra fest im Sattel und auch sehr zufrieden. In der Formel E sind wir momentan ein Top-Team, das in der vergangenen Saison den dritten Platz geholt hat. Deshalb liegt mein Fokus derzeit auf Mahindra.

Dein früherer Teamkollege Robert Kubica steht vor einem Comeback in der Formel 1. Nach der Saison testet er mit Williams in Abu Dhabi. Verfolgst du seine aktuelle Situation?
Nick Heidfeld: Ja, mehr als andere Dinge in der Formel 1. Wir waren ja lange Teamkollegen. Ich habe Robert dieses Jahr das erste Mal seit längerer Zeit wiedergesehen. Beim Goodwood Festival of Speed haben wir uns unterhalten. Vorher war es ehrlich gesagt relativ schwierig, mit ihm in Kontakt zu treten. Ich vermute, weil er das eine oder andere nicht zu nah an sich ranlassen wollte. Es war bestimmt nicht einfach für ihn, nach dem Unfall aus der Formel 1 auszuscheiden.

Welchen Eindruck hattest du von ihm beim Wiedersehen?
Nick Heidfeld: In Goodwood hatte ich den Eindruck, dass es ihm gut geht und er von seinem Verhalten her der Alte ist. Ich würde es ihm sehr gönnen, dass er wieder einen Platz in der Formel 1 bekommt und gleichzeitig hoffen, dass er an seine früheren Leistungen anschließen kann. Durch den Crash wurde seine Formel-1-Karriere viel zu früh beendet. Ich kann da aber nur mutmaßen. Wir haben in der Vergangenheit schon andere Fahrer gesehen, die schwere Unfälle hatten, dann eine Rückkehr versucht haben, aber nicht mehr die gleichen waren. Das sieht man erst, wenn jemand wieder im Rennauto sitzt. Ich traue ihm ein starkes Comeback zu.