Saisonprognose Der RB5 tritt in große Fußstapfen: Sein Artverwandter vom Stamm STR3 gewann 2008 überraschend ein Rennen. Daran müssen sich Red Bull und Sebastian Vettel 2009 messen lassen. (Auszug aus der Saisonvorschau 2009 - Motorsport-Magazin 3/09, März 2009)

Die Bilanz - Team Vor Saisonbeginn hätte sich jeder bei Red Bull mit sechs Siegen sowie Platz 2 in der Fahrer- und Konstrukteurswertung zufrieden gegeben. Dass man am Ende doch nicht ganz zufrieden war mit der besten Saison seit Teambestehen, zeigt, dass Red Bull den Wandel vom Mittelfeld- zum Spitzenteam vollzogen hat. Dieser Wandel beinhaltete aber nicht nur bessere Leistungen, Ergebnisse und Erfolgserlebnisse, sondern auch Rückschläge und Fehler.

So patzte das Team einige Male bei der Strategie, versuchte vielleicht zu sehr, irgendwie das Unmögliche möglich zu machen und zu gewinnen und zog so gegen Brawn GP den Kürzeren. Ein Adrian Newey ist eben ein Designgenie, nicht unbedingt ein Superhirn à la Ross Brawn. Entscheidend war ohnehin der Lernprozess, den das Team in seinem ersten Jahr an der Spitze durchlaufen musste und der sich 2010 positiv bemerkbar machen sollte. Dann dürfen ihnen die gleichen Fehler nicht mehr unterlaufen.

Nachträglich hätte Vettel Kubica in Melbourne vielleicht ziehen lassen., Foto: Sutton
Nachträglich hätte Vettel Kubica in Melbourne vielleicht ziehen lassen., Foto: Sutton

Christian Danner handelte Red Bull bereits in der März-Ausgabe des Motorsport-Magazins als Geheimtipp - er sollte damit Recht behalten. Danners Voraussetzung dafür war, dass Technikchef Geoff Willis seinem Chief Technical Officer Newey mit Rat und Tat zur Seite stehen würde, um die Kinderkrankheiten und technischen Probleme in den Griff zu bekommen. So wie einst Patrick Head die mechanischen Schwächen der Newey-Autos bei Williams ausglich, sollte Willis den starken Ingenieur an der Seite des Genies spielen. Der Plan ging nicht ganz auf: Willis verließ im Juli das Team, weil seine Rolle angeblich überflüssig geworden war.

Die Bilanz - Auto Spektakel war gestern: Formula Unas, Red Bulletin, bunte Launch Partys. In diesem Jahr wurde einfach das Tuch vom Auto gezogen und losgefahren - bis das Getriebe streikte. Mehr als 14 Runden konnte Sebastian Vettel am ersten Arbeitstag mit seinem neuen Spielzeug nicht fahren. Die Öltemperaturen gaben Anlass zur Besorgnis. Auch am zweiten Tag blieb er wegen eines defekten Getriebesensors liegen.

Die Defektanfälligkeit gab es also schon bei den Wintertests, eine Eigenschaft, die der RB5 mit vielen Newey-Geniestreichen der Vergangenheit teilte. Dennoch sollte das Auto nur drei Mal wegen technischer Probleme ein Rennen nicht beenden - zweimal war davon Vettel betroffen. Der Renault-Motor sollte eigentlich ein Vorteil sein: Die FIA erlaubte den Franzosen, im Winter Verbesserungen daran vorzunehmen. Nach zwei Motorschäden bei Vettel am Valencia-Wochenende hagelte es jedoch Kritik an Renault, die sich danach umso mehr ins Zeug legten, im erlaubten Bereich am Motor arbeiteten und sicherstellten, dass Vettel keinen neunten Motor einsetzen musste und somit straffrei durch die Saison kam.

Auch Mark Webber steuerte zwei Saisonsiege bei., Foto: Sutton
Auch Mark Webber steuerte zwei Saisonsiege bei., Foto: Sutton

Auf KERS verzichtete Red Bull von Anfang an, ebenso wie den Doppeldiffusor, den Adrian Newey für viel Geld und mit jeder Menge Hirnschmalz nachträglich in das bestehende Konzept integrieren musste, was aufgrund der Eigenarten der Hinterradaufhängung gar nicht so einfach war. Dabei hatte Newey ohnehin lange im Windkanal am Auto gebastelt, bevor es für ein spätes Rollout zum ersten Mal auf die Strecke gelassen wurde. Gegen die Brawn GP war in der ersten Saisonhälfte kein Kraut gewachsen, in der zweiten Hälfte entwickelte Newey das Auto aber mit neuen Aerodynamikpaketen derart weiter, dass es in den letzten Rennen eindeutig das schnellste Auto im Feld war - unabhängig von den Temperaturen, die Brawn ein Auf und Ab bescherten.

Teamchef Christian Horner hatte es schon vorher gewusst: "Wir dürfen nicht vergessen, dass wir 2008 ein Siegauto gebaut haben", erinnerte er vor Saisonbeginn an den Toro Rosso Sieg von Monza. "Es gibt keinen Grund zu glauben, warum wir das unter den neuen Regeln nicht erneut schaffen können." Es ist ihnen tatsächlich gelungen.

Die Bilanz - Fahrer Niemand erwartete vor Saisonbeginn von Sebastian Vettel, dass er bis zuletzt um die WM fahren würde. Der junge Deutsche hatte gerade einmal eine volle Formel-1-Saison für Toro Rosso auf dem Buckel und musste sein Traumwochenende von Monza immer als Bürde herumschleppen - er hatte mit der kleinen Scuderia, dem ehemaligen Minardi Team eine Pole Position und einen Sieg geholt, noch vor dem großen Bruder Red Bull. Vettel ließ das alles kalt. Er brachte den gleichen Elan und Schwung ins britische Hauptteam mit, mit dem er schon die italienische Truppe mitgerissen hatte.

Sebastian Vettel hatte 2009 viel Grund zum Jubeln., Foto: Red Bull
Sebastian Vettel hatte 2009 viel Grund zum Jubeln., Foto: Red Bull

Die Mechaniker liebten ihn für seine Sprüche und seinen Einsatz, die Fans für seine Erfolge, die auch mit Red Bull nicht lange auf sich warten ließen. Trotzdem gab es nicht nur die überlegenen Siege der zweiten Saisonhälfte. Vettel machte Fehler, verpatzte Starts und war in Kollisionen verwickelt, die ein erfahrener Pilot vielleicht vermieden hätte. Übel nimmt ihm das niemand: Mit 22 Jahren konnte er noch nicht perfekt sein, aber er war nahe dran. Neben eigenen Schwächen verspielte auch das Team durch technische Defekte und schlechte Strategieentscheidungen einige Punkte, was letztlich dazu führte, dass der Vorsprung von Jenson Button aus der ersten Saisonhälfte nicht mehr eingeholt werden konnte.

Vettel hätte eigentlich damit rechnen können, doch er war nach dem Rennen in Brasilien und der offiziell verlorenen WM schwer enttäuscht. Er hatte bis zuletzt daran geglaubt, den WM-Titel zu gewinnen. Eine Einstellung, die er mit großen Siegern und Weltmeistern wie Michael Schumacher und Oliver Kahn teilt. Er hat wirklich niemals aufgegeben...

Das gilt auch für Mark Webber, dem viele nach seinem Beinbruch im Winter keine Chance mehr auf seinen ersten Grand Prix Sieg einräumten. Genau den fuhr er am Nürburgring ein und ließ in Brasilien noch einen weiteren folgen. Aufgrund seines Beinbruchs verpasste Webber einen Großteil der Saisonvorbereitung und musste auch während der Saison mit Schmerzen kämpfen. Im Auto ließ er sich nichts anmerken, setzte sich teilweise gegen Vettel durch und wahrte sogar lange Zeit seine WM-Chancen. Gleichzeitig war er ein Teamplayer, der nie einen Stallkrieg gegen seinen Teamkollegen anzettelte. Das Team korrigierte sogar Aussagen, wonach die Zukunft um den Deutschen aufgebaut werden sollte. Webber überzeugte mit Leistung, musste aber letztlich doch zusehen, wie Vettel den Titelangriff anführte.

Red Bull

Saisonziel Der erste Sieg
Saisonergebnis 2. Platz (153,5 WM-Punkte)
Ziel erreicht? Ja.
Top oder Flop? Top. Erstmals seit Gerhard Bergers Sieg in Hockenheim 1997 ertönte die österreichische Hymne 2009 in Silverstone zu Ehren Red Bull Racings als "Winning Constructor" - und es sollte nicht das letzte Mal sein. Red Bull konnte als einziges Team Überraschungsteam Brawn GP im Titelkampf Paroli bieten. Damit ließ man auch Ferrari und McLaren alt aussehen. (Kerstin Hasenbichler)