Was hat Rubens Barrichello im Laufe der Saison 2009 nicht alles erlebt: Kupplungsprobleme am Start, und das gleich mehrmals, lockere Sicherheitsgurte, angebliche Benachteiligungen gegenüber dem Teamkollegen und böse Rückenschmerzen, ganz zu schweigen von dem verlorenen Teil im Qualifying von Ungarn, das Felipe Massa am Helm traf. In Valencia fügte Barrichello seinem Jahr ein weiteres Kapitel hinzu: Seinen ersten Saisonsieg, seinen zehnten GP-Erfolg insgesamt und den ersten in Diensten von Brawn GP.
"Es war eine fantastische Fahrt, ein perfektes Rennen", sagte Ross Brawn. "Das gesamte Wochenende lief gut für uns. Rubens war immer vorne dabei und hat auch bei diesen schweren Bedingungen gut abgeschnitten. Vielleicht hat er etwas besser verstanden als Jenson, der am Start Probleme hatte." Auch von Michael Schumacher gab es Lob: "Ich freue mich für Ross, der in den letzten Rennen gelitten hat. Der Sieg hier ist eine Erleichterung für ihn, auch in der WM hat man Boden gutgemacht. Damit kann er sehr zufrieden sein."
Das war Rubens Barrichello auf jeden Fall. "Ich werde dieses Wochenende nie vergessen und wünschte mir, dass dieser Moment für immer anhalten würde", sagte Barrichello, der auf der Ehrenrunde im Cockpit in Tränen ausbrach. "Mein letzter Sieg war fünf Jahre her und mir schossen so viele Gedanken durch den Kopf. Ich durfte in den letzten Runden keinen Fehler machen - für mich, mein Land und meine Familie." Vor allem im zweiten Stint lief sein Brawn perfekt. "Ich hatte andere Reifen als Lewis und meine ermöglichten mir konstante Rundenzeiten." So schloss er vor dem zweiten Boxenstopp die Lücke und konnte danach die Runden nutzen, um in Führung zu gehen.
Ein Boxenstoppfehler entscheidet
Dabei sah es zunächst gar nicht nach einem Erfolg des Brasilianers aus. Am Start flogen die McLaren von Lewis Hamilton und Heikki Kovalainen auf und davon, Barrichello musste sich als Dritter sogar mehr auf Kimi Räikkönen hinter sich konzentrieren. Nachdem er sich vom Ferrari-Finnen befreit hatte, schnappte sich Barrichello den McLaren-Finnen bei der ersten Boxenstopprunde. Danach nahm er die Verfolgung des klar führenden Hamilton auf, den er beim zweiten Boxenstopp überholte - allerdings unter gütiger Mithilfe der Silbernen.
Bei Hamiltons zweitem Boxenstopp waren die Vorderreifen nicht aus den Heizdecken genommen worden, wodurch der Brite zu lange an der Box stand und zwischenzeitlich bis auf Platz 5 zurückfiel. Selbst seine Aufholjagd in den letzten Runden reichte nicht mehr: Barrichello kam mit zwei Sekunden Vorsprung vor Hamilton ins Ziel.
"Das war knapp - aber vielleicht hätte es auch ohne unseren verpatzten Boxenstop nicht ganz gereicht - aber toll, dass wir ganz vorne Druck machen können und 18 Punkte in den letzten beiden Rennen für Lewis sind mehr als jeder andere geholt hat", sagte Norbert Haug trotz des verpassten McLaren-Sieges. Aber immerhin freute er sich: "Mercedes-getriebene Autos haben jetzt 8 von 11 Rennen gewonnen."
Hamilton wollte das Team für den Boxenstoppfehler nicht beschuldigen. "Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen", sagte er. "Klar bin ich etwas enttäuscht, dass wir nicht gewonnen haben, aber wir hatten bei den letzten Rennen eine außergewöhnliche Pace und ich habe schon so viele tolle Rennen mit dem Team erlebt. Es gab nur wenige, wo etwas schief gegangen ist." Jetzt müsse man die Lücke zu Brawn weiter schließen, da man noch etwas langsamer sei. "Im ersten Teil des Rennens hatte ich alles unter Kontrolle, aber im zweiten Stint hatte ich Reifenprobleme und konnte die Pace von Rubens nicht mitgehen, vor allem in den schnellen Kurven nicht." Im letzten Stint probierte er noch einmal alles, legte Qualifyingrunden hin und ging über das Limit hinaus. "Ich kann also zufrieden nach Hause gehen, weil ich alles gegeben habe."
Den dritten Podestplatz schnappte sich Kimi Räikkönen für Ferrari. Der Weltmeister von 2007 überholte seinen Landsmann Heikki Kovalainen beim zweiten Boxenstopp und stand so zum zweiten Mal in Folge auf dem Podium. "Ich wusste bereits seit Freitag, dass das Auto gut war, denn ich hatte ein gutes Gefühl auf den Long Runs", sagte Räikkönen. "Wir können momentan um Platz 3 mitfahren." Kovalainen musste sich mit Rang 4 begnügen. Dahinter belegten Nico Rosberg, Fernando Alonso, Jenson Button und Robert Kubica die Punkteränge. Mark Webber verpasste als Neunter einen WM-Punkt. In der Gesamtwertung führt Button jetzt mit 18 Punkten vor dem neuen WM-Zweiten Barrichello.
Vettel mit Motorschaden
Für Sebastian Vettel lief das Rennen nicht nach Plan. Bis zum ersten Boxenstopp sah es noch gut aus: Vettel lag als Fünfter auf Punktekurs, Jenson Button und Mark Webber waren klar hinter ihm. "Wir hatten damit gerechnet, dass Kimi Räikkönen am Start durchrutschen würde. Bis zum Boxenstopp konnte ich die Lücke auf ihn schließen, aber danach war klar, dass es heute nichts mehr werden würde."
Dann kam Runde 16 und ein Problem mit der Tankanlage bei seinem ersten Boxenstopp. "Das war Mist, weil kein Benzin geflossen ist - damit war das Rennen hin", klagte der Deutsche, der eine Runde später noch einmal zum Tanken hereinkommen musste.
In Runde 23 dann das endgültige Aus: Vettel musste seinen Red Bull mit Rauchzeichen aus dem Heck abstellen - ähnlich wie im Freien Training am Samstagvormittag. "Wir wissen noch nicht genau, was kaputt ist, vielleicht der Auspuffkrümmer, vielleicht der Motor. Das kann passieren, darf es aber nicht. Aber ich habe mir nichts vorzuwerfen, denn es ist ja nicht so, dass ich das Auto in die Mauer gestopft hätte. Das wäre schlimmer gewesen."
Dreher und Strafen
Der Start in den Europa GP verlief relativ gesittet. Vorne setzten sich die KERS-McLaren ungefährdet an die Spitze. Dahinter versuchte Sebastian Vettel den Brawn von Jenson Button abzuwehren und musste sich seinerseits dem KERS-Ferrari von Kimi Räikkönen geschlagen geben, der auf Rang 4 nach vorne fuhr. Vettel reihte sich dahinter auf Fünf ein, nur für Button kam es noch dicker: Der Brite meldete schon vor dem Start Kupplungsprobleme per Funk und fiel bis auf Platz 9 zurück. Um einer Strafe wegen Abkürzens zu entgehen, ließ er sogar Titelrivale Mark Webber überholen.
Etwas Kleinholz gab es im Hinterfeld: Sebastien Buemi kürzte ebenfalls in der Schikane ab, so dass ihm Timo Glock über den Frontflügel fuhr - beide mussten deshalb schon nach einer Runde einen Notboxenstopp einlegen; Glock brauchte einen neuen Hinterreifen, Buemi einen neuen Frontflügel. Auch Neuling Romain Grosjean holte sich bereits nach einer Runde eine neue Fahrzeugnase ab. Für Massa-Ersatzmann Luca Badoer begann das Rennen dank KERS mit einem starken Start, doch ein Dreher warf ihn wieder ans Ende des Feldes zurück. Später kassierte er eine Drive-Through-Strafe, weil er bei der Boxenausfahrt Grosjean auswich, dabei aber die weiße Linie überfuhr. Danach folgte noch ein zweiter Dreher des Italieners.
Es war nicht das erste Aufeinandertreffen mit dem Franzosen: " Er hatte einen super Start, hat 4-5 Plätze gewonnen, wurde dann aber von hinten angeschoben, weil Grosjean ihn umgedreht hat. Damit war das Rennen für ihn relativ einsam", analysierte Michael Schumacher. "Luca hat sein Bestes gegeben, eine stetige Steigerung drin gehabt. Es war ein schwieriges Pflaster für ihn, Spa kennt er, also warten wir ab."
Noch mehr Probleme hatten Kazuki Nakajima und Sebastien Buemi. Der Japaner musste seinen Williams eine halbe Runde mit einem platten, linken Hinterreifen um den Kurs schleppen, der Schweizer schied mit einer defekten Bremsscheibe vorne links aus.
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