1. Hat der Boxenstopp Hamilton den Sieg gekostet?

"Normalerweise hätte Lewis Hamilton gewinnen müssen. Der Fehler ist an der Box passiert", glaubte Christian Klien nach Rennende. Die Szenen während des Rennens schienen ihm recht zu geben. Lewis Hamilton führte das Rennen scheinbar ungefährdet an, dann der verpatzte Boxenstopp und schon war Rubens Barrichello vorbei. Nur: Diese Theorie stimmt nicht.

Die Konfusion beim Boxenstopp und die fehlenden Reifen kosteten Hamilton laut Angabe von Teamchef Martin Whitmarsh zwei, maximal drei Sekunden. "Das Rennergebnis wurde aber nicht beeinflusst. Wir waren im Rennen nicht schnell genug, um zu gewinnen", betonte Whitmarsh. "Wir haben das Rennen verloren, weil wir nicht schnell genug waren. Rubens' Rennpace war sehr gut, er hat Druck ausgeübt mit einem Auto, das schwerer war als unseres."

2. Was ging bei Hamiltons Boxenstopp schief?

Hamilton sollte in Runde 37 planmäßig stoppen, sein Teamkollege Heikki Kovalainen in Runde 38. "Vor meinem zweiten Boxenstopp habe ich Sprit gespart und war mir nicht ganz sicher, ob ich genügend für eine Extrarunde hatte", erklärte Hamilton. Der Computer sagte: Ja. "Wir fuhren gegen Rubens Barrichello, der in einem schnelleren Auto länger draußen bleiben konnte", verriet Whitmarsh. "Die zusätzliche Runde hätte unsere Chancen gegen Rubens verbessert. Also haben wir die sehr späte Entscheidung getroffen und Lewis gesagt, dass er draußen bleiben soll."

Aber die Nachricht erreichte Hamilton zu spät, er befand sich bereits rechts der weißen Boxeneinfahrtslinie. "Der Kommandostand hatte mir gesagt, dass ich rein kommen sollte, aber als ich das gerade machte, sagten sie mir, ich solle doch noch eine Runde fahren - aber ich war bereits in der Boxeneinfahrt und somit war es zu spät." Bei seinem Boxenstopp lagen dann noch nicht alle Reifen bereit. "Das war ein Ergebnis der Bemühungen des Teams, den zweiten Platz in einen möglichen Sieg zu verwandeln."

3. Fuhr Hamilton mit den falschen Reifen?

Hamilton war langsamer als Barrichello., Foto: Sutton
Hamilton war langsamer als Barrichello., Foto: Sutton

Lewis Hamilton startete mit den weichen Reifen, behielt diese für den zweiten Stint und fuhr erst am Ende mit den harten Reifen. "Wir hätten den harten Reifen im zweiten Stint nehmen sollen", bestätigte Whitmarsh das Gedankenspiel seines Piloten, der gerne die gleiche Reifenwahl wie Barrichello getroffen hätte. Als Grund für die andere Entscheidung gab Whitmarsh die wenigen Kilometer an, die McLaren fahren konnte. Am Freitag stand Hamilton wegen mangelnder Ersatzteile fast das gesamte 2. Training in der Box, am Samstag war das Training lange unterbrochen. "Wir hätten die gleiche Reifenwahl treffen sollen wie Rubens", gestand Whitmarsh, "aber ich glaube nicht, dass wir damit das Rennen gewonnen hätten."

4. Warum war Button schlechter als Barrichello?

Rubens Barrichello bekam den Sieg nicht durch einen Boxenstoppfehler bei McLaren geschenkt, sondern erfuhr ihn sich mit einem starken Speed. "Er ist Weltklasse gefahren", lobte Christian Danner. "Es war Opi-Racing, aber saugut." Button sei ähnlich schnell gewesen, meinte Danner, aber er habe nie freie Fahrt gehabt.

In die erste Kurve hinein musste Button gegen Sebastian Vettel zurückziehen und verlor dadurch einiges an Boden. Zudem klagte er schon auf dem Weg in die Startaufstellung über Kupplungsprobleme. Barrichellos Renningenieur Jock Clear glaubt, dass der Brite die Pace gehabt hätte, um mit Barrichello mitzuhalten, obwohl dieser das gesamte Wochenende über schneller zu sein schien. "Das zeigt, wie schwer es ist, wenn du dich auf Platz fünf qualifizierst: Wenn man aus der ersten Runde als Achter zurückkommt, dann wird das Leben schwierig." Das hatte Button bemerkt, der vor allem im letzten Stint erkannte, was sein Auto drauf hatte. "Das ist frustrierend und mir zuletzt zu oft passiert."

5. Was war bei Vettels Boxenstopp?

Wenn ein Auto innerhalb einer Runde zweimal an die Box kommt, stimmt etwas nicht. "Es war beim ersten Stopp schon Mist", klagte Vettel. "Es ist kein Benzin ins Auto geflossen. Da war das Rennen schon dahin." Das Team sprach nur von einem Fehler an der Tankanlage.

6. Warum fiel Vettel aus?

Die Rauchzeichen aus dem Heck von Vettels Red Bull kamen ihm bekannt vor: Schon am Samstagvormittag rollte er mit einem Motorschaden aus. Das wiederholte sich. "Der zweite Motorschaden dieses Wochenende war schmerzhaft", gestand Teamchef Christian Horner. Renault-Motorenmann Fabrice Lohm konnte sich nur entschuldigen: "Es war ein Albtraumwochenende für uns. Wir hatten zwei Motorschäden an Sebastians Auto, es war ein schwarzes Wochenende und ich kann mich dafür nur entschuldigen."

Für Vettel könnte der Schaden noch ein Nachspiel haben: Ihm bleiben nun nur noch zwei Motoren für die restlichen Saisonrennen. "Er wird wohl einen Zusatzmotor benötigen", glaubt Alex Wurz. Auch Horner meinte, dass sich das kaum vermeiden lasse. Die Folge: +10 Startplätze bei dem Rennen, bei dem er den neunten Motor einsetzt.

7. Sind Vettels WM-Chancen dahin?

Vettels letzte Punktechancen lösten sich in Rauch auf., Foto: Sutton
Vettels letzte Punktechancen lösten sich in Rauch auf., Foto: Sutton

"Theoretisch noch nicht, aber es war eher ein Durchbruch in der Konstrukteurs-WM für Brawn GP", meint Danner. "In der Fahrer-WM kann immer viel passieren, aber in der Konstrukteurs-WM hat Brawn jetzt einen schönen Vorteil." Auch Wurz sieht noch Chancen. "Bei der Fahrer-WM reicht ein Pechwochenende für einen der Fahrer und es sieht anders aus." Aber die Motorsituation könne schnell einen Strich durch die WM-Rechnung machen.

25 Punkte fehlen Vettel auf WM-Leader Button. "Das ist nicht gut", sagte er selbst. Wie jeder normale Rennfahrer sieht er aber keinen Grund, den Titel aufzugeben. "Was die Weltmeisterschaft betrifft, werde ich bis zum letzten Atemzug kämpfen, es ist aber nicht gut, ausgefallen zu sein, wenn man auf der Jagd ist und mehr Punkte als der Gegner holen will."

8. Warum war Red Bull zu langsam?

Red Bull hatte Pech mit der Tankanlage und dem Motorschaden, aber auch davon abgesehen war das Team nicht so stark wie bei früheren Rennen. Schon am Samstag meinte Button, dass die Long Run Pace von Red Bull nicht gut genug sei. "Ihre Pace war das gesamte Wochenende nie wirklich ganz vorne dabei", bestätigte Christian Klien. "Wir wissen, dass der Red Bull härter mit den Reifen umgeht. Bei diesen heißen Bedingungen hatten sie so einen höheren Reifenverbrauch. Bei kühleren Bedingungen spielt ihnen das aber in die Hände." Somit könnte sich das Kräfteverhältnis schon beim nächsten Rennen im eher kühlen Spa umdrehen.

9. Warum war Badoer so schlecht?

Letzter, Drittletzter, Letzter, Letzter, Vorletzter - für einen ehemaligen Minardi-Piloten mag diese Statistik okay sein, für einen Ferrari-Fahrer hingegen nicht. "Ferrari kann nicht zufrieden sein, wenn eines seiner Autos auf dem letzten Platz ist", stellte Teamchef Stefano Domenicali unmissverständlich klar. "Badoer war das gesamte Wochenende weit weg von den Zeiten, die er hätte fahren müssen", kritisierte Klien. Aber warum?

Das Team und der Fahrer begründeten den riesigen Rückstand auf die Spitze, seinen Teamkollegen, ja sogar den F1-Rookie Jaime Alguersuari damit, dass Badoer nun einmal seit 10 Jahren kein F1-Rennen gefahren sei und seit Dezember 2008 nicht mehr in einem F1-Boliden gesessen habe. In diesem Punkt stimmte Mario Theissen zu: "Dann zu erwarten, dass er einsteigt und gleich die Zeiten der etablierten Rennfahrer fährt, ist offensichtlich viel zu viel verlangt. In meinen Augen geht es hier nicht um Luca Badoer, sondern um das System." Test-, Ersatz- und Nachwuchsfahrer sollten mehr Fahrpraxis erhalten, trotz Testverbot.

Michael Schumacher führte noch mehr Gründe dafür an, dass Badoer nicht mithalten konnte: So habe Badoer die Strecke nicht gekannt, die zudem schwierig zu lernen sei. "Außerdem hatte er einen super Start, hat 4-5 Plätze gewonnen, wurde dann aber von hinten angeschoben, weil Grosjean ihn umgedreht hat. Damit war das Rennen für ihn relativ einsam." Die Kritiker fanden noch einen andren Grund: Badoer war noch nie schneller.

10. Fährt Badoer weiter für Ferrari?

Auch Michael Schumachers Rat half Luca Badoer nicht., Foto: Sutton
Auch Michael Schumachers Rat half Luca Badoer nicht., Foto: Sutton

"Gute Frage. Nach der Supershow, die er hier geboten hat, denken sie über alles nach - garantiert...", sagt Danner sarkastisch. "Es hängt alles von Felipe Massa ab. Wenn er so fit ist, dass er in Monza wieder fahren kann, können sie Badoer auch noch mal fahren lassen." In Spa wird Badoer auf jeden Fall wieder im Ferrari sitzen, das bestätigte Domenicali. "Das nächste Wochenende wird für Luca Badoer ein wichtiges Rennen. Wir erwarten einen großen Sprung von ihm und dann sehen wir weiter." Schumacher-Manager Willi Weber ist bereits damit beschäftigt, seinen GP2-Piloten Nico Hülkenberg ins zweite Auto neben Kimi Räikkönen zu setzen. Das könnte ab Monza der Fall sein.

"Mit dieser Form sollte weder Ferrari noch Badoer beim nächsten Rennen antreten", meint Alex Wurz. "Wir reden hier von der Formel-1-Weltmeisterschaft, nicht von einem Geschenkvergeben für tapfere Arbeit, für die er ohnehin bezahlt worden ist." Niki Lauda war von Anfang an kein Fan der Badoer-Lösung: "Entweder es fährt jemand auf halbem Kimi-Level oder man sollte es bleiben lassen, also Geld sparen und nur mit einem Auto fahren."

11. Warum bekam Badoer eine Strafe?

Am Freitag kassierte Badoer gleich vier Geldstrafen für zu hohe Geschwindigkeit in der Boxengasse. Im Rennen erhielt er von den Rennkommissaren eine Drive-Through-Strafe, weil er Romain Grosjean in der Boxenausfahrt auswich und dabei leicht über die weiße Linie fuhr. "Ich weiß nicht, was da genau passiert ist. Es scheint ein großes Missverständnis gewesen zu sein, aber eigentlich ist ja nichts passiert", meinte der Italiener, für den die kleinliche Regelauslegung und die Strafe keinen Unterschied machten.

12. Was passierte in Runde 1?

Neben der Kollision zwischen Grosjean und Badoer flogen auch bei Timo Glock und Sebastien Buemi die Fetzen. Glock musste in der ersten Kurve einem Auto vor sich ausweichen und über den inneren Kerb fahren. Dabei traf er Buemi, der mit seinem Frontflügel den Reifen von Glock beschädigte. "Ich hab die Berührung zuerst gar nicht bemerkt. Erst beim nächsten Einlenken war klar, dass der Reifen hinüber ist", so Glock. "Ich musste die ganze Runde mit dem kaputten Reifen fahren und hatte sehr viel Rückstand.

Buemi schilderte die Situation so: "Ich war innen, Glock hat mich anscheinend nicht gesehen und ist über meinen Frontflügel gefahren. Der war dann gebrochen." Der Schweizer musste in die Box sich seinen neuen Frontflügel abholen und reihte sich danach am Ende des Feldes ein. "Bei der Kollision wurde ein Rohr an der Vorderbremse beschädigt, deshalb konnten die Bremsen nicht mehr richtig gekühlt werden. Das führte zum Ausfall", führte Teamchef Franz Tost weiter aus.