Er wird es nie lernen. Er wird den WM-Titel wieder wegschmeißen. Lewis Hamilton hörte aus allen Himmelsrichtungen Stimmen. Der WM-Führende stand nach dem Japan GP im Kreuzfeuer der Kritik. Ausgelöst wurden die Diskussionen von seinem aggressiven Startmanöver in Fuji. "Er kann gar nicht anders", prophezeite Christan Danner noch am Samstag nach Hamiltons zweiter Pole innerhalb von sieben Tagen. Der Ex-F1-Pilot erwartete erneut einen stürmischen Hamilton, der nicht im Sinne der WM einen Gang zurückschalten würde. "Er ist halt so." Er wolle immer gewinnen.

"Ich werde die Antwort auf der Strecke geben", versprach Hamilton am Freitag, gerade einmal fünf Tage nach der Nullrunde von Fuji. "Lewis war fest entschlossen, die Dämonen vom letzten Wochenende zu vertreiben", bestätigte Martin Whitmarsh. "Er kam hierher und dominierte alle Sessions", fügte er hinzu. "Das Ergebnis spricht für sich", genoss Hamilton die verstummten Kritiker nach seinem überlegenen Triumph in Shanghai.

"Er hat das Rennen hier souverän durchgezogen, aus dem letzten Rennen und der letzten Saison gelernt", lobte Adrian Sutil. Die Psychospielchen der Konkurrenten und Ex-Teamkollegen, die Kritik der Medien, all das zeigte keine Wirkung. "Man hat versucht, ihn aus dem Konzept zu bringen, mit vereinten Kräften", sagte Norbert Haug. "Aber das hat nicht funktioniert."

Die Sache mit dem Speed

Diese Geister musste Hamilton nicht vertreiben., Foto: Sutton
Diese Geister musste Hamilton nicht vertreiben., Foto: Sutton

Aber wie konnte McLaren Ferrari innerhalb von nur einer Woche so weit abhängen? "Gott hat das gesamte Wochenende über uns gewacht", sagte Hamilton, doch noch viel mehr half ihm das klar schnellste Auto des Rennwochenendes. "Wir hatten eine tolle Pace, das Auto konnte vorne wegfahren; es war ein cooles und spaßiges Rennen", bestätigte Hamilton, der das Rennen eines seiner besten nannte. Nach dem zweiten Boxenstopp fuhr er den Sieg nur noch nach Hause. Gefahr von Ferrari drohte ihm nicht. "Wir versuchen immer so schnell wie möglich zu sein, manchmal ist man dann schneller als alle anderen", machte es Whitmarsh sichtlich Spaß, das Geheimnis des überlegenen Speeds für sich zu behalten.

"Sie waren das ganze Wochenende schneller als wir", räumte Stefano Domenicali ein. Unter diesen Umständen habe man das Maximum herausgeholt. "Lewis war in einer anderen Liga. Er fuhr perfekt, schnell und konstant. Wir konnten nicht einmal daran denken, ihn anzugreifen." Auch WM-Kandidat Felipe Massa gestand ein, dass man nicht schnell genug gewesen sei, um gegen Hamilton zu kämpfen. "Es war einfach unmöglich, zu gewinnen."

Die Sache mit dem Platztausch

Aus diesem Grund betrieb Ferrari Schadensbegrenzung, die mancherorts für wissendes Kopfnicken und andernorts für wütende Proteste sorgte. "Es war offensichtlich und eindeutig, dass es eine Stallregie war", beschrieb Sutil den Platztausch von Kimi Räikkönen und Felipe Massa auf den Rängen 2 und 3. "Andererseits hätte das wohl jedes Team so gemacht", fügte er verständnisvoll hinzu.

Hamilton zeigte sich davon nicht verwundert. "Ich wusste, dass das passieren würde. Ich habe auf die Monitore gesehen und habe es geahnt. Das ist Racing, würde ich einmal annehmen." So schätzt auch Alex Wurz den Positionswechsel ein. "Das Team hat den Befehl zum Positionstausch sicher nicht per Funk ausgesprochen und wenn Räikkönen mitdenkt, ist es das einzige, was er machen kann. Da gibt es für mich null Diskussionen." In die gleiche Richtung argumentiert Mario Theissen: "Kein Problem, wenn Kimi sagt, ich habe ihn vorbeigelassen, ist das keine Stallregie." So viel zur Durchsetzbarkeit des Stallregieverbots.

Die Reihenfolge wurde korrigiert., Foto: Ferrari Press Office
Die Reihenfolge wurde korrigiert., Foto: Ferrari Press Office

Denn dann habe es der Fahrer aus eigenem Antrieb gemacht, natürlich einem Antrieb, der ihm vor dem Rennen, ohne Funknotwendigkeit, klar gemacht wurde. "Die Fahrer wissen, was im Teaminteresse ist und sie machen das, ohne das man etwas sagen muss", gestand Domenicali. Räikkönen bestätigte das: "Ich bin Teil des Teams und ich weiß, was von mir erwartet wird." Für Niki Lauda eine vollkommen logische Aktion. "Das kann jeder Zuschauer verstehen."

Die Sache mit der Untersuchung

Weniger Verständnis brachte Christian Danner dafür auf, dass die FIA noch nicht mal eine Untersuchung einleitete, ganz anders als in der letzten Saison, als angeblich Hamilton in Monaco eingebremst worden sein soll. "Wie das Ergebnis dieser Untersuchung ausgesehen hätte, wäre mir egal gewesen, denn ich fand es nicht schlimm, aber sie hätten überprüfen müssen, was passiert ist."

Massas Renningenieur Rob Smedley zeigte dafür kurz nach Rennende kein Verständnis. "Das war keine Teamorder", erwiderte er im TV-Interview. "Um Gottes Willen. Nein, warum sollte man uns bestrafen? Er hat ihn ganz eindeutig auf der Strecke überholt."

Dabei wurde wohl weniger der Ort des Überholvorgangs, als dessen Art und Weise hinterfragt. Domenicali verwies hingegen auf den Deutschland GP, wo McLaren Mercedes Hamilton an Heikki Kovalainen vorbeiwinkte beziehungsweise der Finne damals den schnelleren Fahrer freiwillig ziehen ließ, damit dieser noch den Sieg holen konnte. Der Unterschied: in Shanghai war Räikkönen der schnellere Ferrari-Fahrer, der Schnellste auf der Strecke war aber für keinen von beiden noch einzuholen.

"Wir müssen jetzt nur noch die Disziplin behalten", funkte Ron Dennis seinem Schützling nach vollbrachter Arbeit ins Cockpit. Jetzt muss Hamilton das nur noch einmal beim Saisonfinale in Brasilien wiederholen. Dann hat er die Dämonen nicht nur vertrieben, sondern auch eines Besseren belehrt: dann hat er tatsächlich etwas gelernt. Dann kann er den WM-Titel gewinnen.