Am Monza-Wochenende machen Ideen über neue Wochenend-Formate in der Formel 1 einmal mehr die Runde. Wie jedes Jahr kommt das Thema auf - muss sich die WM endlich einmal neu erfinden? CEO Stefano Domenicali bringt gegenüber italienischen Medien mehr Sprints, Reverse-Grid-Rennen und sogar ein Kürzen der klassischen 305-Kilometer-Distanz der Rennen ein. Das Fahrerlager ist jedoch etwas vorsichtig.

Zumindest die Idee eines gekürzten Grand Prix ist neu. Seit über vier Jahrzehnten fährt die Formel 1 (abgesehen vom langsamen Monaco-Kurs) eine Standard-Distanz: Die kleinstmögliche Rundenzahl, um 305 Kilometer zu überschreiten. Das resultiert ungefähr in 90-minütigen Rennen. Etwas kürzer auf Highspeed-Strecken, etwas langsamer auf engen Stadtkursen. Aber sind 90 Minuten heute noch zeitgemäß?

Die Frage stellen Domenicali und das F1-Management jetzt zumindest einmal offen. "Etwas zu lang für ein junges Publikum", so die Unterstellung. Doch im Fahrerlager haben die Kritiker schnell sportliche Zweifel anzumelden. Sprints illustrieren sehr gut das Problem: Über die hier auf 100 Kilometer verkürzte Renndistanz gibt es keine Reifen-Strategie. Keine Boxenstopps. Und daher noch weniger Action.

"Wenn du mit einem schlechten Qualifying startest, hast du keine Zeit, irgendetwas zu tun", stellt Fernando Alonso fest. "Hinterherfahren ist schwierig. Alle Autos haben gleich alte Reifen. Aufholen geht da nicht. In längeren Rennen hast du strategische Freiheit. Aber ein schwieriges Thema. Vielleicht wäre Nachtanken das Beste. Habe ich schon oft gesagt." Tankstopps wurden zuletzt nach 2009 abgeschafft. "Wenn du deine Tankladung und unterschiedliche Strategien wählen kannst, ändert das das Rennen völlig und erzeugt unglaublich attraktive Strategien."

Formel-1-Rennen mit 300 Kilometer: Teil der DNA?

"Wenn die Reifen-Strategie passt, ist es nicht nur ein Stopp, sondern irgendwo zwischen mindestens einem und zwei Stopps, oder idealerweise zwei versus drei Stopps", findet Haas-Teamchef Ayao Komatsu den Ursprung der meisten Action in der modernen Formel 1 aber durchaus auch ansprechend. "Solange du einen Reifen-Unterschied hast, kannst du dann überholen. Schaut auf Bahrain. Drei gegen zwei Stopps. Action überall, über die ganzen 300 Kilometer."

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"Ich denke, die 300 Kilometer sind eigentlich Teil der F1-DNA", findet Komatsu ohnehin. Max Verstappen, ein bekannter Traditionalist, stimmt dem nur zu gerne zu: "Auch in anderen Sportarten hast du manchmal ein spannendes Spiel, manchmal ist es völlig langweilig und du schläfst ein. Das ist Sport. Du kannst es nicht immer aufregend machen."

"Wenn es immer aufregend wäre, dann wird es auch langweilig", findet Verstappen. Die Logik dahinter: "Es muss immer eine Überraschung sein. Manchmal ist es überraschend aufregend. Manchmal überraschend langweilig." Auch Verstappen unterstreicht: Das primäre F1-Problem ist nicht das Format, sondern aerodynamisch verwirbelte Luft. "Wenn alle Teams eng beisammen sind, ist das wichtig, dann hast du sowieso mehr Racing. Auch dieses Jahr ist es hinter McLaren nicht schlecht. Nur ist das Hinterherfahren wieder ein Problem."

Der Widerstand gegen Reverse Grids ist von dieser Seite noch deutlich stärker. Dieser Vorschlag geistert schon seit gut fünf Jahren in verschiedenen Formaten durch das Fahrerlager. Er machte einst als Konzept für die Startaufstellung der 2021 neu eingeführten Sprintrennen die Runde. Nie aber konnte er unter den in der F1-Kommission über alle Regeländerungen diskutierenden Teamchefs Traktion gewinnen.

"Wir machen auch keine Balance of Performance, oder?", beschwert sich Komatsu. Die im Sportwagen-Sport gängige Methode, technische Performance-Unterschiede zu neutralisieren und Autos künstlich aneinander anzugleichen, ist in der Formel 1 verpönt und wurde seit Jahren nicht mehr besprochen. Komatsu warnt: "Sobald die Formel 1 so eine Richtung einschlägt, könnte das gefährlich werden."

Wann gibt es mehr Sprint-Rennen in der Formel 1? Zuspruch vorhanden

Deutlich empfänglicher zeigt sich das Fahrerlager währenddessen für die Idee, mehr Sprints einzuhalten. Aktuell hat man sich bei sechs pro Jahr eingependelt, doch eine Mehrheit von Fahrern und Teams findet das Konzept eigentlich gut. "Denkt an andere Sportarten", meint Komatsu. "Wo zeigst du Training? Nirgends. Niemand schaltet den Fernseher ein, um jemandem beim Training zuzusehen."

Nur der Sprint-averse Verstappen sperrt sich als einer der wenigen weiter: "Ich verstehe natürlich. Wenn Fans an die Strecke kommen, ist es aufregender, Autos in Rennen zu sehen, anstatt dass sie bloß Runden in Trainings drehen. Für uns ist Training sicher wichtig, aber aus der Fan-Perspektive verstehe ich, dass es etwas langweilig ist."

So beschließt der Traditionalist Verstappen am Donnerstag in Monza sein Plädoyer dafür, alles so zu behalten, wie es ist: "Die Formel 1 ist seit den 50ern so. Ich verstehe, dass Sportarten sich weiterentwickeln und so, aber wir sollten nicht zu verrückt werden. Ich denke, ein Sprintrennen ist in meinen Augen schon verrückt genug." Und der 44-jährige Fernando Alonso fügt an: "Es ist ein Problem von Gesellschaft und Kindern, aber nicht vom Sport. Änderungen sind also wohl nicht nötig."