Die Formel 1 erlebte beim USA-GP in Austin das fünfte Sprintrennen der Saison 2023. Einen besonderen Mehrwert hatten die Zuschauer davon nicht. Das Kurzrennen am Samstag entwickelte sich zu einer Prozession, die am Ende einmal wieder Max Verstappen für sich entschied. Die Problematik blieb natürlich auch den Fahrern und deren Teamchefs nicht verborgen. Sie diskutierten über das 2021 eingeführte Format und brachten dabei sogar die Möglichkeit umgekehrter Startaufstellungen ins Spiel.

"Ich liebe es. Es ist fantastisch!", tönte Max Verstappen sarkastisch nach seinem Sieg im Sprint. Der Weltmeister ist seit jeher als Gegner der Kurzrennen bekannt. Daran hat sich auch in Austin nichts geändert: "Wenn Sie meine ehrliche Meinung zu den Sprintwochenenden hören wollen, dann bin ich nicht wirklich begeistert davon. Im Qualifying habe ich das Gefühl, dass man danach ein bisschen verloren ist. Ich finde, dass wir nur ein einziges Qualifying an einem Wochenende brauchen, in dem wir wirklich alles geben, und dann fühlt es sich großartig an."

Sieger Red Bull-Fahrer Max Verstappen im Parc Ferme
Trotz Sieg: Max Verstappen hält nichts von Sprints, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Verstappen: Sprint wie ein Spoiler für das Rennen

Im aktuellen Modus ist der Samstag aber eine Art einzelner Mini-Grand-Prix im Wochenende mit Shootout und Rennen. Verstappen kann dem nichts abgewinnen: "Es war so, dass man auf P1 stand, aber ich denke: Es ist ein Samstag, da gibt es sowieso nicht viele Punkte für das Rennen." Der Sprint ist für ihn nur ein Spannungskiller für den Sonntag: "Außerdem wissen nach diesem Rennen alle mehr oder weniger, was morgen [Sonntag] zwischen den Autos in Bezug auf die Pace passieren wird, und das nimmt ein wenig die Spannung weg. Wenn wir heute [Samstag] nicht gefahren wären und nur das Qualifying von gestern gehabt hätten, wüsste man vor dem Rennen nicht wirklich, was passieren wird. Jetzt wissen wir es."

Der im Sprint zweitplatzierte Lewis Hamilton vermutete einen anderen Grund hinter Verstappens Ausführungen: "Hört sich an, als wärst du ein wenig gelangweilt?" Doch Verstappen betonte erneut seine Argumentation: "Ich bin nicht gelangweilt, aber wenn ich ein Fan wäre, wäre ich einfach enttäuscht, weil man dann mehr oder weniger weiß, wie der Film ausgeht. Wenn nichts Verrücktes passiert, weiß man, was morgen [Sonntag] passieren wird. Ich finde, das nimmt ein bisschen den Zauber weg, an einem Sonntagmorgen oder Sonntagnachmittag aufzuwachen und den Fernseher einzuschalten."

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Hamilton und Leclerc: Nur ein Training Stärke des Sprint-Formates

Hamilton führte darauf seine Sicht der Dinge aus: "Es ist eine etwas andere Perspektive, wenn man der Verfolgende ist, und das macht uns Spaß. Für mich ist es Spaß. Ich mag die zusätzliche Möglichkeit, da rauszugehen und zu versuchen, alles, jedes bisschen und mehr aus dem Paket, das wir haben, herauszuholen." Der Rekordsieger der Formel 1 sieht zwar noch Verbesserungsbedarf, bleibt aber ein Unterstützer der Sprint-Events: "Kann es noch besser werden? Ich bin sicher, wir können lernen. Ich denke, dass es für die Leute aufregend war. Ich persönlich mag die Sprintwochenenden sehr, besonders den Freitag, wo man nur ein Training hat und dann direkt ins Qualifying geht."

Der Zweite Lewis Hamilton und der Dritte Charles Leclerc im Parc Ferme
Lewis Hamilton und Charles Leclerc mögen vor allem den Freitag am Sprint-Wochenende, Foto: LAT Images

Der mit einem Qualifying aufgewertete Freitag war auch für Ferrari-Pilot Charles Leclerc ein Argument: "Was mir gefällt, ist der Freitag, an dem es nur ein freies Training gibt und man direkt ins Qualifying geht. Das ist etwas, das ich als Fahrer mag. FP1 wird dann zu einer richtigen Session. An einem normalen Rennwochenende, FP1, FP2, FP3, sind es wirklich viele Runden, bevor man zum Qualifying kommt, was vielleicht ein bisschen zu viel ist. An diesen Wochenenden gefällt mir das gut."

Das ändert für den Monegassen aber nichts daran, dass es der Sprint von seinem Unterhaltungswert sehr unterschiedliche Ergebnisse vorzuweisen hat: "Das Sprintrennen in Katar war sehr aufregend, denn wir hatten zwei sehr unterschiedliche Reifenmischungen. Die eine war in den ersten sechs, sieben Runden extrem gut und baute dann stark ab. Und die andere war gegen Ende des Rennens wirklich gut. Und das macht das Sprintrennen wirklich spannend. Ansonsten haben wir Rennen wie heute, wo alle, außer Carlos [Sainz], den Medium benutzen, und dann ist es ein bisschen traurig."

McLaren-Pilot Oscar Piastri und George Russel im Mercedes nach dem Start
Der Sprint in Katar war ein Kracher, Foto: LAT Images

Horner bringt Reverse Grids ins Spiel

Ähnliche Probleme wie Verstappen und Leclerc sah auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Bei der 'Spoiler-Warnung' durch den Sprint stimmte er seinem Starpiloten zu: "Es eröffnet einen guten Einblick in die Stärken und Schwächen der Konkurrenz auf den Longruns. Ich denke immer noch, dass dieses Format justiert werden muss." Der Lösungsvorschlag, den Horner dafür parat hatte, treibt Traditionalisten aber wohl die Zornesröte ins Gesicht: "Es würde die Sache etwas spannender machen, wenn die Top 10 umgekehrt wären. Aber dann müssten sie auch genug Punkte vergeben, damit es das Risko wert ist. Es fühlt sich immer noch nicht so an, als würdest du gerade etwas gewinnen. Natürlich hat es nicht so viel Bedeutung wie der Grand Prix, aber wir sind in einem Prozess, in dem wir offen für Änderung und Weiterentwicklungen sein müssen."

In den Junioren-Formeln sind Reverse Grids üblich, Foto: LAT Images
In den Junioren-Formeln sind Reverse Grids üblich, Foto: LAT Images

Sogenannte Reverse Grids sind in den Nachwuchsformeln Gang und Gebe. Dort werden üblicherweise die ersten Acht in der Startaufstellung im Sprintrennen umgedreht. Sinn und Zweck ist, dass auch die schnellsten Junioren, die sonst vornewegfahren, im Feld fahren müssen und in Zweikämpfe verwickelt werden. Außerdem erhöht es den Unterhaltungswert der Nachwuchsformeln, die natürlicherweise viel weniger Aufmerksamkeit als die Königsklasse erhalten und daher um jeden Zuschauer kämpfen müssen.

Für die Formel 1 würde dies aber definitiv eine Format-Änderung bedeuten, denn ein Reverse Grid würde das Sprint-Shootout sinnlos machen. Die Fahrer würden in Q3 absichtlich langsam fahren, um einen besseren Startplatz zu erreichen. Das Qualifying müsste also wie in der MotoGP gleichsam für Sprint und Grand Prix gelten, denn dann würden Fahrer und Teams die Startposition für das Hauptrennen priorisieren.

Wolff: Formel 1 ist keine Juniorenserie!

Ob es aber zu einem solch drastischen Schritt kommen wird, darf angezweifelt werden. Mercedes-Boss Toto Wolff sprach aus, was wohl viele Fans von solch einer Maßnahme denken: "Ich bin im Rennsport konservativ. Mir wäre es lieber, wenn es keine Sprintrennen gäbe. Und wenn wir noch mit umgekehrten Startaufstellungen anfangen, dann werden wir zu einer Art Junioren-Formel verkommen. Wir laufen also der Unterhaltung nach, während die Unterhaltung dem Sport folgen sollte. Das ist die Ehrlichkeit der Stoppuhr. Das ist es, was uns anzieht. Künstliche Spiele rund um das Sprintrennen an einem Samstag zu schaffen, ist also nicht der Weg, den ich persönlich bevorzugen würde." Eine Hintertür ließ der Österreicher aber dennoch offen: "Aber das ist nur meine Meinung. Am Ende müssen alle Teams zusammen mit Stefano [Domenicali] einfach darüber nachdenken, was das Beste für den Sport ist."