Er mag nicht immer der schnellste oder beste Rennwagen des vergangenen Formel 1-Jahres gewesen sein, aber der R25 aus dem Hause Renault darf sich Doppelweltmeister nennen: Sowohl der Fahrer- als auch der Konstrukteurstitel gingen bekanntlich nach Enstone und Viry-Châtillon.

Am heutigen Dienstag erblickt im südspanischen Jerez de la Frontera der Nachfolger des aktuellen Weltmeisterwagens das Licht der F1-Welt: Der R26 feiert drei Wochen vor seiner offiziellen Präsentation in Monaco sein Testdebüt.

Das Programm für das Roll-Out steht dabei schon lange fest: Funktionstests und Gewöhnung der Fahrer an das Auto, kurze Testzyklen, letzte Sitzanpassungen und lange technische Debriefings. Am Steuer werden sich Weltmeister Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella abwechseln. Dem Römer wird dabei die Ehre zuteil, den neuen Boliden als erster auszuführen. Nach zwei Tagen tauschen die beiden die Autos, und Fernando darf seine ersten Runden im neuen Auto drehen.

In diesen ersten Testwochen mit dem neuen Auto gibt es nur ein Ziel und das heißt Zuverlässigkeit. "Unser Ziel lautete, den R26 so früh wie möglich auf die Strecke zu bringen", erklärt Technikchef Bob Bell, "um bis zum Saisonstart viele Kilometer absolvieren und die erforderliche Zuverlässigkeit erreichen zu können."

"In den ersten Rennen werden die Voraussetzungen für das ganze Jahr geschaffen", fügt Chefingenieur Pat Symonds hinzu. "Bei jedem Grand Prix sind zwar nur zehn Punkte zu vergeben, aber psychologisch ist ein Sieg zum Auftakt für das ganze Team enorm wichtig. Erfolge zu Beginn beflügeln das Selbstbewusstsein mit anderthalbfacher Wirkung. Leider werden sie bei den Punkten aber nur einfach berücksichtigt."

Chassis: Alle Ziele erreicht

Obwohl das Designteam bei der Entwicklung des R26 unter Hochdruck stand und der Zeitplan "sehr eng" gestrickt war, konnte der neue gelb-blaue Bolide rechtzeitig fertig gestellt werden. "Die ersten statischen Tests des Chassis gingen bereits vor Weihnachten über die Bühne", sagt Bell.

"Die statische Testanlage erlaubt uns, die grundlegenden Struktur-Charakteristika des Chassis zu überprüfen. Darüber hinaus liefern uns diese Versuche erste Eindrücke von den dynamischen Reaktionen des Fahrzeugs. Der R26 hat in diesen Punkten unsere Erwartungen erfüllt. Wir erzielten die Verbesserungen, die wir anvisiert hatten."

Der R25 hat noch nicht ausgedient: Noch wird auch mit ihm getestet., Foto: Sutton
Der R25 hat noch nicht ausgedient: Noch wird auch mit ihm getestet., Foto: Sutton

Jetzt können es die Franzosen "kaum erwarten" endlich mit ihrem neuen Spielzeug auf die Strecke zu gehen. "Unsere Ergebnisse von der Arbeit im Windkanal sehen viel versprechend aus", bestätigt Bell. "Der RS26-Achtzylinder überzeugte auf dem Prüfstand in puncto Leistung und Zuverlässigkeit."

Motor: Immer die gleiche Zielsetzung

Die ersten Zeichnungen für den neuen RS26 V8-Motor im Heck des R26, wurden noch vor dem GP-Debüt des R25 im letzten März angefertigt. Nach 18 Monaten Entwicklungszeit kam es kurz vor Weihnachten zur großen Premiere: Die Mechaniker ließen den neuen V8 erstmalig in einem kompletten Rennwagen brüllen.

Bei diesem ersten Testlauf sollte sichergestellt werden, ob Öl- und Wasserkreislauf sowie die Elektronik funktionieren. In der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr prüften die Gelb-Blauen dann das neue Auto auf einem dynamischen Prüfstand auf Herz und Nieren und nahmen Einstellungsarbeiten vor.

"Wir wollten in der Konstruktion keine unnötigen Risiken eingehen. Das heißt, wir haben auf dem aufgebaut, was wir bereits kennen und wissen", sagt Projektleiter Léon Taillieu über den RS26. "Der RS26 wird von all den Erfahrungen profitieren, die wir in der abgelaufenen Saison mit dem siegreichen V10 gesammelt haben. Die Zielsetzung im Rennmotorenbau ist ohnehin stets dieselbe: Kraft, Zuverlässigkeit sowie optimierte Einspritzung und Verbrennung."

Den RS26 unterscheiden aber nicht nur die beiden fehlenden Zylinder von seinem Vorgänger: "Zunächst müssen wir bedenken, dass Renault jetzt von 72 Grad Zylinderbankwinkel auf 90 Grad umstellt, wie es das Reglement ab 2006 verbindlich festlegt", erinnert Taillieu. "Wir werden damit einen tieferen Schwerpunkt erreichen, aber ich erwarte keine großen Unterschiede zu den anderen Motoren. Zweitens dürfen wir keine variablen Ansaugstutzen mehr verwenden, mit denen wir bislang die Schwingungen im Ansaugtrakt regulieren und die Verbrennung in Abhängigkeit von der Drehzahl optimieren konnten. Im Endergebnis wird sich der V8 weniger kräftig anfühlen."

Fahrer: Das große Ziel vor Augen

Giancarlo Fisichella peilt den WM-Titel an., Foto: Sutton
Giancarlo Fisichella peilt den WM-Titel an., Foto: Sutton

Wie im vergangenen Jahr werden auch 2006 Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella für Renault ins Lenkrad greifen. Allerdings möchte Fisichella diesmal nicht nur einen einzigen GP-Sieg zu Saisonbeginn einfahren. Ganz im Gegenteil: "Es ist kein Geheimnis, dass ich um den Titel mitfahren möchte."

Die Grundlage dafür ist ein schnelles und standfestes Auto. Das möchte der Römer im R26 gefunden haben. "Was ich bislang im Windkanal und auf den Motorenprüfständen sehen konnte, sieht sehr gut aus", verriet Fisico nach einer Stippvisite in der Fabrik. "Mein Ziel ist es um den Titel zu kämpfen. In diesem Jahr habe ich dabei geholfen den Konstrukteurstitel zu gewinnen und im nächsten Jahr möchte ich noch mehr erreichen."

Dabei wähnt er sich im Gegensatz zu seinem Teamkollegen gleich aus zwei Gründen in Vorteil: "2006 werde ich ein Team und ein Auto besitzen, um den Fahrertitel gewinnen zu können", kündigte der Römer an. Denn in dieser Saison würde das Auto nicht Alonsos, sondern seinem Fahrstil entgegenkommen.

"Fernando fuhr im letzten Jahr mit einem Auto, das um ihn herum entwickelt wurde und anders gefahren werden musste als ich es mit meinem Fahrstil gewohnt war." In diesem Jahr soll sich das aber ändern. "Es gab einen guten Informationsaustausch zwischen mir und den Renalt-Technikern", sagt Fisico. "Ich habe die Garantie bekommen, dass sie alles geben werden um das Auto an meine Charakteristiken anzupassen."

Zudem wittert der Italiener durch den bereits feststehenden Abgang des Spaniers seine große Chance: "Das könnte gut für mich sein", philosophierte er. "Vielleicht verändert es die Arbeitsweise des Teams im Hinblick auf Fernando." Mit anderen Worten: Vielleicht wird nun Fisichella als Nummer 1 bevorzugt...