Die Regel ist völlig logisch, und sie sollte ganz einfach sein. Wenn ein Formel-1-Qualifying per roter Flagge abgebrochen wird, ist jede Runde ungültig, die erst nach dem Abbruch beendet wird. Basierend darauf strich die FIA-Rennleitung in Imola Oliver Bearman die letzte Q1-Rundenzeit und verhinderte seinen Q2-Aufstieg. Doch es gibt ein Problem - und einen großen Disput zwischen FIA und Haas.

Zweimal wurde Q1 in Imola abgebrochen. Der zweite Abbruch für den Unfall von Franco Colapinto ist der entscheidende. Aus Bearmans Onboard schien der Fall eigentlich klar. Wichtig hier für alle, die seine Onboard gesehen haben: Dass die Startampel weiter vorne Rot zeigt, hat nichts mit einem Abbruch zu tun. Sobald die Uhr in einer Session abläuft, springt sie automatisch auf Rot, aber jeder darf seine Runde fertigfahren.

Genau das tat Bearman. Er fuhr seine Runde fertig, sprang vor auf P10 und damit in Q2. Erst eine Sekunde später begannen die Lichtpaneele sowie die LED-Signale an seinem Lenkrad rot zu blinken und signalisierten einen Abbruch. "Ich habe keine rote Flagge vor der Ziellinie gesehen, und das Team auf den ganzen Onboards auch nicht", unterstreicht Bearman danach.

Haas scheitert: FIA-Rennleitung sieht sich nach Prüfung im Recht

Doch die offizielle Zeitnahme sagte etwas anderes. Wie die FIA in einer späteren Stellungnahme bestätigte, registrierte das System um 16:32:17,6 Sekunden die rote Flagge. Und um 16:32:20,9 Sekunden registrierte es Bearmans Kreuzen der Ziellinie. Die Runde war offiziell unter Rot gefahren worden und wurde gestrichen. Aus, vorbei, P19.

Bei Haas kontaktierte man sofort die Rennleitung. Wohl mit Verweis auf das vermeintlich eindeutige Video-Material, auf dem bei Bearmans Passieren der Linie keine Rot-Signale zu sehen sind. Tatsächlich wurde der erst für 16:46 angesetzte Start von Q2 um 12 Minuten nach hinten verschoben. In diesem Zeitraum hielt die Rennleitung mit den Stewards Rücksprache. Die konsultierten auch einen Experten aus der Zeitnahme und ließen prüfen, ob die Daten gültig seien.

Ein Problem konnte man keines finden. Die Streichung der Rundenzeit wurde also aufrechterhalten. Haas kann es nicht glauben. "Wir haben diverse Beweise", klagt Teamchef Ayao Komatsu. "Wir sprechen auch noch mit den Stewards damit, aber am Qualifying-Ergebnis ändert das nichts."

Woher kommt die Diskrepanz? Haas hofft auf baldige FIA-Erklärungen

Komatsu hätte lieber verständliche Erklärungen: "Für uns gibt es eine überwältigende Beweislast, dass die Runde gültig war." Haas-Vertreter wurden nach dem Qualifying erneut im Stewards-Büro vorstellig: "Wir würden gerne wissen, wie sie zu dieser Schlussfolgerung gekommen sind und warum sie dabei geblieben sind. Offensichtlich haben sie es ja diskutiert und debattiert, Q2 wurde ja verschoben."

Haas wird also auf detailliertere Erklärungen zu den Prozessen bei einem Rennabbruch hoffen. Um zumindest zu verstehen, wie es sein kann, dass Rot noch nicht auf der Strecke angezeigt wird, aber scheinbar von der Zeitnahme gesehen wird. In Sachen direkte Auswirkungen auf das Imola -Qualifying hat man aber aufgegeben. "Mies, weil wir ein Update nach Imola gebracht haben, an dem wir monatelang gearbeitet haben", ärgert sich Bearman. "Ich fühlte mich gut im Auto, und jetzt stehen wir irgendwo."

Von Platz 19 bräuchte Bearman im überholfeindlichen Imola schon viel Glück für Punkte. Dass sein Teamkollege Esteban Ocon bislang ein miserables Wochenende fährt, hebt die Haas-Stimmung auch nicht. "Gestern hatten wir ein Balance-Problem mit dem Setup, aber heute war das soweit ich weiß weg, und er kam einfach nicht in die Gänge", erklärt Komatsu Ocons enttäuschenden 18. Startplatz.