Vor wenigen Tagen noch schien Yuki Tsunoda wie ein gemachter Mann, mit dem Potenzial für eine lange Formel-1-Karriere. Ein "Quantensprung" war ihm von Red Bulls Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko für 2025 attestiert worden. Mit diesen Leistungen wäre es ein Leichtes, auch 2026 ein F1-Cockpit zu bekommen. Doch es kommt anders: Ab Japan sitzt Tsunoda im Red Bull. Und ausgerechnet dadurch steigt die Gefahr, sich die F1-Karriere komplett zu ruinieren.
Tsunodas Beförderung war im Herbst von einigen - auch von ihm selbst - eigentlich schon gefordert worden. Vier Jahre und über 80 Rennen, und trotzdem nur im Nachwuchsteam? Als sich die Red-Bull-Tür ganz öffnete, wurde Liam Lawson hindurchgezogen. Was spricht jetzt für, was gegen den Erfolg Tsunodas? Motorsport-Magazin.com checkt seine Karriere, und setzt die Red-Bull-Beförderung in Kontext.
Yuki Tsunodas schwarzer Fleck: Red Bulls psychologischer Problemfall
Red Bulls von Dr. Helmut Marko angeführte Nachwuchsmannschaft war stets von Tsunoda begeistert gewesen. 2019 kam er mit null Erfahrung auf europäischen Rennstrecken in die Formel 3, aber in einem vermeintlichen Lernjahr in einem schlechten Team überraschte er mit einem Sieg und einem neunten Platz. Sofort wurde er auf die Überholspur des Programmes gesetzt, unter anderem Liam Lawson vorgezogen.
Tsunoda holte 2020 fast den Formel-2-Titel, doch für den Formel-1-Aufstieg war er 2021 nicht bereit. Er punktete beim Debüt, und gestand Monate später, dass das für ihn vielleicht ein falsches Bild erzeugte. Der mentale Fokus war nicht da. Das Racing-Bulls-Team ließ ihn daraufhin unter dem alten Teamchef Franz Tost ein hartes Lernprogramm durchlaufen, während er auf der Strecke nicht einmal annähernd konstant die erhofften Leistungen zeigte.
Das erste Jahr lief gar nicht, das zweite Jahr war mäßig, weitere sportpsychologische Betreuung wurde organisiert - etwas, das Tsunoda schon zu Formel-2-Zeiten gehabt hatte. So sehr er daran arbeitete, er schien die Brandmarkung der mentalen Instabilität nicht loszuwerden. Das Hauptproblem: Es schlug sich in der Leistung auf der Strecke nieder.
Anfangs in Grundsätzlichem, wie einem Unvermögen, sich in Trainings langsam an das Limit anzunähern. Doch selbst 2024, im vierten Jahr, war er die Reputation nicht los, auch nach viel Arbeit seinerseits. In Bahrain schnitt er etwa nach einer späten Teamorder auf der Auslaufrunde seinen Teamkollegen. In Österreich kassierte er eine 40.000-Euro-Strafe für eine extreme Ausfälligkeit am Funk.
Yuki Tsunoda vollendet: 2025 endlich mit mentaler Stärke für Red Bull?
Fahrfehler und Inkonstanz ließen einige im Red-Bull-Universum vor Tsunoda zurückschrecken. Es bestanden Zweifel, ob er je einen auf dem Papier scheinbar hohen Grundspeed konstant und ohne emotionale Höhen und Tiefen Rennen für Rennen abrufen konnte. Oder ob der konstant abrufbare Grundspeed je überhaupt so hoch gewesen sei.
Tsunoda beklagte sich im Vorjahr, er habe alle Fahrer "zerstört", die ihm Red Bull seit dem Abgang von Pierre Gasly zur Evaluierung zur Seite gestellt hatte. Es ist vielleicht ein starkes Wort - aber unter dem Strich zeigt die Statistik schon, dass Tsunoda über die Distanz stets die Attacken überstand. Nyck de Vries verlor deutlich. Daniel Ricciardo knapp. Liam Lawson wieder deutlich.
| Jahr | Teamkollege | Qualifying-Duell | Rückstand/Vorsprung |
|---|---|---|---|
| 2025 | Hadjar | 2 zu 1 | + 0,228 * |
| 2024 | Lawson | 6 zu 2 | - 0,159 |
| 2024 | Ricciardo | 13 zu 8 | - 0,074 |
| 2023 | Lawson | 4 zu 2 | - 0,392 |
| 2023 | Ricciardo | 5 zu 5 | + 0,256 |
| 2023 | de Vries | 10 zu 2 | - 0,224 |
| 2022 | Gasly | 9 zu 10 | + 0,223 |
| 2021 | Gasly | 1 zu 20 | + 0,463 |
| Endstand | 50 zu 50 |
*: Nur 3 (Sprint-)Qualifyings, Tsunoda fuhr im China-Qualifying keine wettbewerbsfähige Q3-Runde auf vergleichbaren Reifen, Isack Hadjar im Sprint-Qualifying keine Zeit. In Australien war Tsunoda eine Zehntel schneller.
Tsunodas Gegner halten ihm die Umstände dieser internen Duelle vor. Besonders im Fall Lawson: Der hatte kaum F1-Erfahrung und kam obendrauf mitten in der Saison, während Tsunoda Team und Strecken bereits kannte. Christian Horner rechtfertigte die Entscheidung für Lawson und gegen Tsunoda im Dezember damit, dass Lawson im Rennen sogar schon schneller gewesen sei als Tsunoda.
| Jahr | Teamkollege | Rennrunden vorne | Punkte des Teams |
|---|---|---|---|
| 2025 | Hadjar | 78 % | 100 % |
| 2024 | Lawson | 77 % | 67 % |
| 2024 | Ricciardo | 69 % | 65 % |
| 2023 | Lawson | 76 % | 0 % |
| 2023 | Ricciardo | 64 % | 71 % |
| 2023 | de Vries | 85 % | 100 % |
| 2022 | Gasly | 42 % | 34 % |
| 2021 | Gasly | 19 % | 23 % |
Doch ist es immer gefährlich, Urteile basierend auf nicht vollends bestätigtem "Potenzial" zu fällen. In den Ergebnislisten war Tsunoda meistens vorne. 2025 untermauert er erneut, dass er schnell sein kann. Aber erneut war er vielleicht nicht so weit vor seinem Rookie-Teamkollegen Isack Hadjar, wie er vielleicht sein sollte. Wie man es vielleicht erwarten würde. Das sind die ewigen Probleme mit Tsunoda. Er liegt meist vor seinen Teamkollegen, aber nie ewig weit vorne. Er wird besser, und dann tauchen wieder diese einzelnen Ausreißer auf.
Tsunodas Argumente für seine Kritiker: 2025 ist er bislang wirklich ruhig. 2025 hat er sich erst einen verhältnismäßig kleinen Fehler im Qualifying zuschulden kommen lassen. Deshalb war Helmut Marko schon nach Australien voll des Lobes für ihn. Tatsächlich ist das bislang der beste Tsunoda, den die Formel 1 zu Gesicht bekommen hat.
Kommentar: Alarmstufe Rot für Yuki Tsunodas Formel-1-Karriere
Was meint Redakteur Markus Steinrisser? Der Knackpunkt ist jetzt, ob Tsunoda in einer Verfassung angekommen ist, in der er das Red-Bull-Gefüge überstehen kann. Tsunodas Fortschritte und seine größere Erfahrung sprechen tatsächlich für ihn. Seit gut einem Jahr wirkt er ruhiger, stabiler, und hält er diesen Zustand, so kann das für Red Bull tatsächlich klappen.
Denn Tsunoda hat in 89 Grands Prix schon viel gesehen. Das erhöht die Chancen, mit dem RB21 zurechtzukommen. Mit ordentlich Selbstvertrauen war Tsunoda schließlich auch vor dreieinhalb Monaten aus seinem einzigen Test mit dem Vorgänger RB20 gekommen und hatte verkündet, er habe das Gefühl für das Auto sofort gefunden.
Für Tsunoda hat die ganze Sache nur einen Haken: Bei den Racing Bulls war er auf sicherem Grund, und hätte wohl für 2026 sich für ein Cockpit empfohlen. Bei Red Bull gibt es jetzt nur zwei realistische Ergebnisse. Wenn es nicht klappt, dann gibt es für Tsunoda kein Szenario, in dem Red Bull ihn - wie Liam Lawson - vor Schlimmerem "schützt". Wenn Tsunoda nach 89 Rennen Vorbereitung jetzt scheitert, wird ihm das als Beweis angeheftet werden, dass er den It-Faktor nicht hat. Und das wird es dann gewesen sein mit der F1-Karriere.



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