Alpine knackte in Brasilien den Formel-1-Jackpot. Dank einem völlig unerwarteten Doppelpodium, das eine gigantische Punkteausbeute von 33 Zählern und damit einen Sprung von P9 auf P6 in der Formel-1-WM bedeutete. Und potenziell zum Saisonende hin einen Unterschied im Bereich von 30 Millionen US-Dollar an Preisgeld machen kann. Das ist seit Jahrzehnten in der Formel 1 Realität: Mit Glück lässt sich manchmal viel Geld machen.

Alpine wäre bei weitem nicht das erste Team, welches schon fast unverhofft in eine viel bessere WM-Platzierung als erwartet fällt. Motorsport-Magazin.com blickt zurück in die Vergangenheit: Wer hat - üblicherweise in Chaos-GPs - dann zugeschlagen, wenn es einmal was zu holen gab?

Williams 2021: Das Debakel von Spa hat auch Gewinner

Williams kämpfte 2021 eigentlich nur darum, überhaupt Punkte zu machen. Doch die beiden Wochenenden vor und nach der Sommerpause beschenkten das Team reich. Beginnend schon mit dem Ungarn-GP, mit einem Startcrash in der ersten Kurve und einem Regen-Trocken-Wechselchaos, welcher Nicholas Latifi und George Russell kurz auf die Plätze 3 und 7 vorspülte, die sie als 7 und 8 über die Linie retteten. Diese 10 Punkte hätte Hauptgegner Sauber aber noch einholen können.

Die folgenden 10 jedoch nicht. Russell fuhr im nassen Spa-Qualifying sensationell auf den zweiten Startplatz. Hätte er den im Rennen nie halten können? Spielt keine Rolle, das Rennen fand nie statt. Eine Absage-Farce wurde jedoch gewertet und mit halben Punkten belohnt. Damit hatte sich Williams uneinholbar mit 20 Punkten aus zwei Rennen auf WM-P8 festgesetzt. Nur 3 weitere holte man danach noch.

George Russell feierte in Spa 2021 ein surreales Podium, Foto: LAT Images
George Russell feierte in Spa 2021 ein surreales Podium, Foto: LAT Images

Force India 2009: Spa-Magie von Giancarlo Fisichella

Nach 11 punktelosen Rennen schien Force India 2009 mit Ansage auf dem Kurs zum letzten Platz. Aber das Auto, das sehr wenig konnte, konnte dann doch etwas: Nämlich Highspeed, und vor allem Spa. Ein direkt an dem Wochenende geliefertes Update half nach, damit Giancarlo Fisichella völlig unerwartet auf eine absolut legitime Pole fuhr. Keine Tricks mit der Benzin-Zuladung (damals musste man im Qualifying schon die Start-Spritmenge einfüllen), nichts.

Nur knapp konnte Fisichella Kimi Räikkönen nicht hinter sich halten, Foto: Sutton
Nur knapp konnte Fisichella Kimi Räikkönen nicht hinter sich halten, Foto: Sutton

Bis heute verflucht Fisichella, dass die Konkurrenz von Ferrari das damals optionale KERS-System bereits verwendete. Bei einem Safety-Car-Restart konnte ihn Kimi Räikkönen so überholen, und sich den Rest des Rennens damit verteidigen. Aber Fisichellas zweiter Platz, sowie fünf weitere Punkte beim zweiten Highspeed-Rennen in Monza, waren die 13 einzigen, die Force India in dem Jahr holte. Und die 13 einzigen, die es vor dem letzten Platz retteten.

Jordan 2005: Die wahren Sieger im Skandal-GP von Indianapolis

Skandalöse Zustände sind bester Nährboden für unverdiente Punkte. Aus Angst vor Reifenschäden starteten 2005 in Indianapolis alle Michelin-bereiften Teams nicht und überließen den sechs Bridgestone-Fahrern die einzigen Punkte. Problem dabei: Ferrari war das einzige Top-Team und fuhr gleich davon. Während Jordan und Minardi bis dahin chancenlos sich am Ende des Feldes um Plätze ohne Punkte und um die Ehre des vorletzten Platzes duelliert hatten.

Der Skandal-Start von Indianapolis 2005, Foto: Sutton
Der Skandal-Start von Indianapolis 2005, Foto: Sutton

In so einem sauberen Rennen in Indianapolis waren die Minardi den Jordan aber nicht gewachsen. Deren Punkte für die Plätze 3 und 4 in den verbleibenden Rennen noch einzuholen war utopisch. Obwohl Minardi also die einzigen Zähler der Saison holte, war die Austragung des Skandal-GPs für das Team ein völliges Desaster.

Nürburgring 1999: Das Eifelwetter beschenkt gleich drei F1-Teams

Der Europa-GP 1999 auf dem Nürburgring gehört zu dem Must-Watch-Rennen der Formel-1-Geschichte. Hier passierte alles, von Start-Chaos über unzähligen Ausfällen bis zu unberechenbarem Wetter. Die Sensationsgeschichte des Rennens schrieb das Team von F1-Legende Jackie Stewart mit einem Sieg von Johnny Herbert und einem dritten Platz von Rubens Barrichello. 14 ihrer 36 Punkte holte die Mannschaft in diesem einen Rennen und sprang damit vor auf den vierten WM-Rang.

Stewart hatte aber an und für sich eine gute Saison gefahren, davor schon zwei Podien geholt. Vielleicht noch mehr gejubelt haben mag der zwischen Herbert und Barrichello ins Ziel gekommene Jarno Trulli. Sein zweiter Platz machte 6 der 9 Punkte seines Teams Prost in der Saison 1999 aus und garantierte WM-P7 vor Sauber. Und auf dem sechsten Platz erschlich sich obendrauf Marc Gene den einzigen Punkt des Jahres im unterlegenen Minardi und bewahrte das Team vor dem letzten Platz.

Stewarts sensationeller und einziger F1-Sieg, Foto: Sutton
Stewarts sensationeller und einziger F1-Sieg, Foto: Sutton

Jordan 1998: Sieger der Startcrash-Sintflut von Spa

Einmal noch Jordan für diese Liste - das Team hat ein Näschen für glückliche Umstände. Es gäbe sogar noch zwei, drei weitere Jahre, die hier hineinpassen würden. 1998 darf aber nicht fehlen, denn Belgien war Jordans erster Sieg, und ein Doppelsieg obendrauf. Völlig unerwartet, hatte das Team davor in dem Jahr doch nur 10 Punkte geholt. Spa stellte 1998 gleich 16 der am Ende 34 Zähler. In einem Chaos-Regen-GP sondergleichen inklusive dem wohl berühmtesten Massencrash der F1-Geschichte.

Jordan feierte, alle anderen crashten, Foto: Sutton
Jordan feierte, alle anderen crashten, Foto: Sutton

Sieben Fahrer der damaligen WM-Top-10 fielen im weiteren Rennverlauf aus, darunter nach einer Kollision der schon enteilte Michael Schumacher. So rückten die Jordan auf die ersten beiden Plätze vor. Plötzlich waren sie wieder im Kampf um WM-P3. Am Ende wurde es WM-P4 knapp vor Benetton.

Ungarn 1997: Tragischer Held Damon Hill rettet Arrows

1997 schien eigentlich Stewarts erste große Glücksnummer - in einem sonst punktelosen Jahr zeigte Rubens Barrichello im Regen in Monaco mit einem zweiten Platz groß auf. An diesen 6 Punkten bissen sich vier Teams lange die Zähne aus. Bis der amtierende Weltmeister Damon Hill in Ungarn in einem bis dahin punktelosen Arrows das vielleicht beste Wochenende seiner F1-Karriere fuhr und bis drei Runden vor Schluss das Rennen kontrollierte. Dann bremste ihn ein Hydraulik-Defekt. Er wurde Zweiter, aber mit drei weiteren Punkten reichte das Arrows im Saisonverlauf, Stewart noch P8 in der WM abzujagen.

Dallara 1991: Imola-Podium aus dem Nichts

Ein Start im Regen, ein auftrocknendes Rennen, Defekte überall - 1991 kamen in Imola von den sechs besten Teams der Konstrukteurs-WM nur die beiden McLaren mit riesigem Vorsprung auf den ersten beiden Plätzen ins Ziel. Mit der offenen Tür ins Haus, beziehungsweise auf den dritten Podiumsplatz fiel der junge Finne JJ Lehto für Dallara. Ein Auto, mit dem Teamkollege Emanuele Pirro gar am Vorqualifying gescheitert war. 4 der 5 Punkte des Jahres holte Dallara, das machte dieses Ergebnis vier WM-Plätze wert. Auch für den vielversprechenden Lehto ging es danach bergab. Mehr zu seiner Karriere:

Frankreich 1990: Adrian Neweys erstes Meisterstück - für ein Rennen

Adrian Newey bei March/Leyton House - das waren noch Zeiten. Bevor er als bester Konstrukteur der modernen Formel 1 galt, verdiente er sich in diesem Mini-Team die erste Anerkennung. Tatsächlich holte March schon 1989 beim Saisonstart in Brasilien einen dritten Platz. 4 Punkte, zu denen im restlichen Jahr 0 hinzukamen, aber an denen sich acht andere Teams die Zähne ausbissen.

Was lief dann schief? Zum einen hatte das Team eben keine Ressourcen, zum anderen verrannte man sich in den Windkanaldaten. 1990 in Frankreich kam wieder alles zusammen. Das aerodynamisch effiziente Design legte eine Star-Performance hin und kämpfte um den Sieg, nachdem es sich nur ein Rennen davor nicht einmal qualifiziert hatte. Auf den zweiten Platz von Ivan Capelli folgte jedoch nur später noch ein sechster. Dieses eine Podium aber bedeutete: P7 statt P11 in der WM. Newey half es nichts: Er wurde noch vor Saisonende gefeuert. Nur um Williams-Chefdesigner zu werden. Und zwei Jahre später seinen ersten Titel zu feiern.