Nach monatelangem Tauziehen hat Aston Martin den Kampf um Adrian Newey gewonnen. Warum der Star-Ingenieur trotz seines fortgeschrittenen Alters auch heutzutage bei den Teams noch so heiß begehrt war, zeigt ein Blick auf seinen Werdegang. Wie Newey jedem Formel-1-Team, bei dem er gearbeitet hat, unmittelbar seinen Erfolgsstempel aufgedrückt hat.
Adrian Newey: Von der Studentenbude in ein Formel-1-Team
Das Kapitel Newey und Formel 1 begann im Jahr 1980. Unmittelbar nach dem Abschluss seines Luftfahrt-Studiums (mit Diplomarbeit über Ground-Effekt-Autos) machte der damals 22-jährige den Schritt in die Königsklasse des Motorsports - bei Fittipaldi Automotive als Chef-Aerodynamiker und wechselte ein Jahr später zu March. Nach einem kurzen Abstecher in die europäische Formel 2 und Indycar, wurde Newey zum Chef-Designer des Formel-1-Boliden von March befördert.
Newey erstes Formel-1-Auto, der March 881, erwies sich sofort als Glücksgriff. Aus einem Punkt und dem elften Platz in der WM, wurden innerhalb eines Sommers 22 Punkte und der sechste Platz. Ivan Capelli holte in Portugal einen sensationellen zweiten Platz, in Japan verhinderte lediglich eine kaputte Electronic Control Unit den ersten Sieg.
Newey legte bei seiner Designphilosophie einen gänzlich anderen Ansatz an den Tag. "Er war aggressiv, mit Eigenschaften, die man in der Formel 1 noch nie zuvor gesehen hatte. Es war das erste Auto mit hochgezogener Nase, das erste mit richtig geformten Front- und Heckflügeln, und der Diffusor war recht fortschrittlich", beschrieb Newey im Nachhinein seinen ersten Boliden. Finanzielle Probleme des Teams sorgten allerdings dafür, dass March nicht auf den Erfolgen aufbauen konnte. Es folgte der Bruch zwischen beiden Parteien.
Williams: Newey stößt McLaren vom Thron
1991 startete das nächste Kapitel bei Williams, wo Newey zusammen mit Patrick Head die neue technische Doppelspitze bildete. Auch hier war der Newey-Effekt unverkennbar. Bereits in der ersten Saison konnte man dem bis dato dominanten McLaren-Team die Stirn bieten und verpasste den Konstrukteurstitel um denkbar knappe 14 Punkte. Lediglich Zuverlässigkeitsprobleme verhinderten den Titel.
Doch nur ein Jahr später war es dann so weit. In einer dominanten Art und Weise, die bis zu der Schumacher-Ferrari-Ära nicht wiederholt werden konnte, wurde Williams Kontrukteurs- und Nigel Mansell Fahrerweltmeister. Den eins so dominanten McLaren brummte Williams in der Saison 1992 ganze 65 Punkte Vorsprung auf. Nigel Mansell holte mehr als doppelt so viele Punkte wie sein erster Verfolger Riccardo Patrese.
Nur vier Jahre nach der Entwicklung seines ersten Formel-1-Boliden leitete Newey die Glanzzeit von Williams ein. Die nächsten zwei Jahre konnte das Team ebenfalls den Konstrukteurstitel einfahren, doch der Tod Ayrton Senna stürzte das Team in eine Krise. Newey, der innerhalb des Teams aufsteigen wollte, hatte zunehmend mit Differenzen mit dem Management. 1996 fielen noch einmal ein Konstrukteurs- und Fahrertitel vom Stapel, doch da war Newey bereits auf dem Weg zu McLaren. In seinen sieben Jahren in Grove gewannen Neweys Autos 59 Rennen, erzielten 78 Pole Positions und wurden viermal Fahrer- und fünfmal Konstrukteursweltmeister.
Turbulente McLaren-Ehe
Bei McLaren angekommen, konnte Newey seine Genialität erst im Jahr 1998 so richtig zeigen. Der McLaren MP4/13 katapultierte das Team vom vierten Platz in der Vorsaison auf Platz 1. Schlussendlich ungefährdet gewann McLaren den WM-Titel, Mika Häkkinen machte in der Fahrer WM den Trumpf perfekt. Wieder mal übersetzte sich die Verpflichtung Neweys zeitnah in enorme Erfolge um. Es wurde deutlich, dass Newey sich am besten auf die Regeländerungen für 1998 eingestellt hatte. Da die Autos nun schmaler waren und auf Rillenreifen liefen, machte das völlig neue Design des MP4/13 es zu dem Auto, das es zu schlagen galt.
Der Clou Neweys war dabei ein einzigartiges Bremslenkungssystem, das es dem Fahrer ermöglichte, jede einzelne Bremse des Fahrzeugs unabhängig voneinander zu betätigen, um die Kurvenfahrt zu unterstützen - ein System, das erstmals 1997 eingesetzt wurde. Ferrari protestierte mit der Begründung, dass das Bremslenkungssystem einen Verstoß gegen die technischen Regeln darstellte, die eine Vierradlenkung untersagten. Die FIA stellte sich schließlich auf die Seite von Ferrari, und das System wurde verboten, McLaren durfte seine bis dahin erzielten Punkte allerdings behalten.
Auch 1999 konnte McLaren beide Titel einfahren, ehe die Schumacher-Ferrari-Ära anbrach. Es folgten die nächsten Differenzen zwischen Newey und dem Team, oder besser gesagt Ron Dennis. Ein mehrjähriges Vertrags-Hick-Hack zwang den Ingenieur länger beim Team zu bleiben, als er eigentlich wollte. Zur Saison 2006 konnte sich Newey allerdings aus dem McLaren-Umfeld lösen und übernahm bei Red Bull.
Red Bull: Adrian Neweys Meisterstück
Nach durchgehenden Erfolgen und Dominanz hieß es bei Red Bull für Newey vorerst, kleinere Brötchen backen. Das Team befand sich zum Zeitpunkt seiner Einstellung in der Aufbauphase. Doch genau das reizte den Staringenieur. Die Aufgabe, ein kleines Team zum Siegkandidaten zu entwickeln. Und genau das gelang ihm auch, allerdings nicht ganz so schnell wie bei seinen vorherigen Stationen.
Bis zum Jahr 2009 dauerte es, ehe Red Bull mit Sebastian Vettel das erste Mal ein Rennen gewinnen konnte. Wieder profitierte das Team dabei von einem Regelumbruch, den Newey und sein Team mit am besten verstand. Bereits ein Jahr später sollte die erste Dominanzphase Red Bulls beginnen. Mit vier Konstrukteurs- und Fahrertiteln sorgte Newey dafür, dass sich Red Bull endgültig als Big Player etablierte. Neweys Aufbaiarbeit gipfelte im RB19 der vergangenen Saison, der als das statistisch bestes Formel-1-Auto in der Geschichte gilt.
Adrian Newey und Aston Martin: Die nächste Erfolgsgeschichte?
Nun beginnt für Designguru Newey also ein neues, womöglich sein letztes Kapitel in der Königsklasse. Mit Aston Martin schließt sich der Brite einem Team mit ambitionierten Zielen an. Die Realität ist allerdings ernüchternd. Aston Martin rangiert mit 74 Punkten und dem fünften Platz im absoluten Niemandsland der Formel 1. Kann Newey, wie bereits so oft bewiesen, auch bei Aston Martin für die Trendwende sorgen?
Theoretisch hat Newey dafür das beste Material zur Verfügung. Sobald seine Arbeitssperrfrist bei Red Bull abgelaufen ist, wird er in den Genuss von einer Top-Infrastruktur in Silverstone kommen. Aston Martins frisch erbauter Windkanal steht bereits in den Startlöchern, in die kostspielige Fabrik ist das Team bereits letztes Jahr eingezogen. Außerdem wird das ehemalige Force-India im Jahr 2026 mit Honda den letzten Schritt zum Werksteam gehen. Dann wird es an Newey, Fallows und Co. liegen, Teambesitzer Lawrence Strolls Wunsch nach einem eigenen Weltmeisterteam gerecht zu werden.
Adrian Neweys Erfolge in der Formel 1
Jahr | Team | Auto | Fahrertitel | Konstrukteurstitel |
---|---|---|---|---|
1992 | Williams | FW14B | + | + |
1993 | Williams | FW15C | + | + |
1994 | Williams | FW16 | + | |
1996 | Williams | FW18 | + | + |
1997 | Williams | FW19 | + | + |
1998 | McLaren | MP4/13 | + | + |
1999 | McLaren | MP4/14 | + | |
2010 | Red Bull | RB6 | + | + |
2011 | Red Bull | RB7 | + | + |
2012 | Red Bull | RB8 | + | + |
2013 | Red Bull | RB9 | + | + |
2021 | Red Bull | RB16B | + | |
2022 | Red Bull | RB18 | + | + |
2023 | Red Bull | RB19 | + | + |
diese Formel 1 Nachricht