Die Ausgangslage vor dem Formel-1-Rennen in Baku versprach zwei Aufholjagden. Auf der einen Seite jene von Lando Norris, der nach Gelb-Pech im Qualifying nur von P15 ins Rennen ging, auf der anderen Seite jene von Lewis Hamilton, der nach einem Motorwechsel aus der Boxengasse in den Aserbaidschan-GP starten musste. Eine dieser beiden Aufholjagden ging auf und wurde mit einem vierten Platz belohnt, die andere eher weniger.

Die Rede ist von Hamilton. Der Formel-1-Rekordweltmeister benötigte sogar Schützenhilfe, um überhaupt in die Punkte zu kommen. Ohne den Unfall zwischen Sergio Perez und Carlos Sainz wäre er wohl nur auf der zwölften Position ins Ziel gekommen. Doch dank des Unfalls und einer Fehleinschätzung von Nico Hülkenberg landete er immerhin noch auf P9.

Lewis Hamilton: So eine schlechte Balance hatte ich selten

Der Weg dorthin war für Hamilton eine Qual. Bereits im Laufe der 51 Runden rund um den sechs Kilometer langen Baku City Circuit beklagte er sich mehrmals über die Performance seiner Reifen. Nach der Zieldurchfahrt griff er sogar zu Superlativen, um sein Rennen zu beschreiben: "Es war eine der schlimmsten Balancen, die ich jemals im Auto spürte."

Massives Untersteuern zwang ihn dazu, sogar seinen Fahrstil komplett umzustellen. "Ich musste das Lenkrad in eine Richtung reißen, um die Traktion der Vorderräder zu brechen und musste die Vorderreifen durch jede Kurve sliden", erklärte Hamilton. Die Folge dieser erzwungenen Umstellung war natürlich, dass die Vorderräder massiv abbauten. Um das zu konterkarieren, musste Hamilton seine Reifen phasenweise besonders vorsichtig um die Strecke tragen.

Dazu kam noch ein allgemeines Problem. "Ich wusste, dass wir heute nicht überholen können würden. Das ist eine jener Strecken, auf denen es im Mittelsektor zu schwierig ist, jemanden zu verfolgen und man muss am Ende der Runde nah dran sein", so Hamilton. Ein Faktor, der seinem Team bewusst war und der in den Rennplan eingepreist wurde. "Wir wussten, dass das ein Rennen des Elends sein würde, weil überholen in Baku so schwer ist", beschrieb Teamchef Toto Wolff.

Motorwechsel bei Hamilton: Mercedes opfert Baku-Rennen für Austin

"In dem Moment, in dem man jemandem näherkommt, überhitzen die Reifen und dann geht es nach hinten. Ich denke, dass es das ist es, was ihm passiert ist", so Wolff weiter. Mercedes war sich also vor dem Rennen im Klaren, dass der Nachmittag in Baku für Hamilton eine Qual werden würde. Warum wurde der Motor trotzdem gewechelt?

Das lag an zwei Gründen: Einerseits an einem Baufehler am W15, wie Hamilton erklärte: "Eines der Bauteile war nicht richtig verbaut und das hat uns dann am Samstag in die falsche Richtung geführt. Wir haben das aber erst am Ende Tages herausgefunden." Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Auto schon unter Parc Ferme. Eine straffreie Änderung war nicht mehr möglich.

Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton
Lewis Hamilton wurde am F1-Samstag in Baku von einem lange unentdeckten Problem geplagt, Foto: LAT Images

Andererseits war ein Motorwechsel und damit einhergehend eine Startplatz-Strafe für Hamilton im restlichen Verlauf der Formel-1-Saison sowieso unausweichlich, wie Wolff ausführt. Die Möglichkeiten für einen Tausch sind aber begrenzt: "Es gab zwei verschiedene Philosophien, die wir lange diskutiert haben. Eine war, die bittere Pille hier zu schlucken, da wir von P7 starten. Die andere war, dass wir den Wechsel in Austin vornehmen."

Ein Wechsel in Singapur wurde wohl deshalb nicht in Betracht gezogen, da Überholen auf dem Straßenkurs in Südostasien noch viel schwieriger ist als in Baku. Der Circuit of the Americas hingegen zählte in den vergangenen Jahren zu den besten Strecken für Mercedes. Dort rechnet sich die Mannschaft aus Brackley auch 2024 gute Chancen auf ein Topresultat aus und war deshalb bereit, den siebten Startplatz von Hamilton in Baku zu opfern.

George Russell nach glücklichem Formel-1-Podium verwirrt

Angesichts dessen, wie das Rennen von George Russell gelaufen ist, lässt sich schwer beurteilen, ob das Opfer Sinn machte. Denn der zweite Mercedes-Pilot hatte im ersten Stint auf den Medium-Reifen ähnlich gravierende Probleme wie Hamilton, auf den Hards und in freier Fahrt funktionierte sein Bolide jedoch deutlich besser.

Der Österreich-Sieger ging sogar an Weltmeister Max Verstappen vorbei, ehe ihm ebenfalls der Unfall von Perez und Sainz in die Hände spielte und zu einem Podiumsplatz verhalf. Sein Fazit zum Rennen fiel gemischt aus. In erster Linie regierte bei Russell aber die Verwirrung: "Wir erwarteten nicht, dass das Rennen so verlaufen würde. Ich habe keine Ahnung, warum die Pace einmal so stark und einmal so schwach war."

Wie gut waren das Qualifying und das Rennen von Lewis Hamilton, George Russell und Co.? Benotet die Leistungen aller Formel-1-Fahrer in Baku in unserem Voting.