Lando Norris und McLaren haben in den letzten Wochen in der Formel 1 Lunte gerochen, dass sie um die Weltmeisterschaft kämpfen können. Und zwar nicht nur um die Team-, sondern auch um die Fahrer-WM. Doch im Qualifying von Baku erleben die Titelambitionen von Norris einen bitteren Rückschlag: Bereits nach Q1 ist für ihn Schluss. Wie kam es zu dieser Pleite?

Auf den ersten Blick lässt sich das Aus von Norris vor allem auf einen Schuldigen zurückführen: Esteban Ocon. Der Franzose rollte nach einem Mauerkontakt auf seiner letzten Q1-Runde in langsamer Fahrt um die Strecke und verursachte mehrfach gelbe Flaggen. Eine davon, zu Beginn der langen Vollgaspassage vor Start-Ziel, wurde Norris zum Verhängnis.

Wer ist schuld am Q1-Aus? Die FIA, Esteban Ocon oder doch Lando Norris selbst?

"Der Fahrer vor mir verunfallte und dann gab es da eine gelbe Flagge. Bis dahin habe ich mich gut gefühlt", erklärte ein enttäuschter Norris anschließend. Perfekt war die Runde zwar nicht, denn Norris saß in Kurve 16 bereits stark auf den Kerb auf und verlor dort Zeit. Aber bei weitem nicht ausreichend, um damit seinen Q2-Aufstieg zu gefährden. Nach dem zweiten Sektor hatte er bereits fast acht Zehntel Guthaben auf Fernando Alonso, der letztendlich auf P15 landete.

"Von Landos Seite aus hatte er nur einen kleinen Fehler ausgangs der letzten Kurve, aber ich denke, dieser wäre kein Problem gewesen", ist auch McLaren-Teamchef Andrea Stella überzeugt. Seiner Ansicht nach gibt es für das Ausscheiden von Norris vor allem einen Schuldigen: Der Motorsport-Weltverband FIA in Form der Rennleitung. "Wir diskutieren nach dem Ende der Session mit der FIA, warum da eine gelbe Flagge draußen war. Denn da fuhr ein langsames Auto ohne irgendwelche Auswirkungen auf die Sicherheit", ärgerte er sich im Interview bei Sky F1.

"Es ist uns ein Rätsel, warum da die gelbe Flagge gezeigt wurde", so Stella weiter. Ein Grund, warum die Rennleitung ausgerechnet in diesem Moment eine gelbe Flagge für den langsamen Wagen von Ocon ausrief, könnte darin liegen, dass der Alpine-Fahrer zu diesem Zeitpunkt die relativ engen Vollgas-Kurven durchfuhr - eine besonders heikle Stelle, in der es nicht so einfach ist, einem schnelleren Fahrzeug Platz zu machen.

Die LED-Tafeln in Kurve 16 sprangen just in dem Moment auf gelb um, als Norris diese Stelle passierte. In diesem Moment bekam er via Lichtsignal auf seinem Lenkrad die Gelbzone angezeigt, wenige Sekunden später verlangsamte er ordnungsgemäß und brach die Runde vollständig ab. Der Zeitverlust war schon zu gravierend, um noch eine Chance auf Q2 beizubehalten.

Lando Norris startet von weit hinten: Was geht beim Formel-1-Rennen in Baku?

Nach seinem frühen Qualifying-Aus geht Norris beim Formel-1-Rennen in Baku nur von der 17. Position ins Rennen – P16 falls Pierre Gasly eine Strafe erhält. "Ich werde einfach versuchen, mein Rennen zu fahren und weiter nach vorne zu kommen. Aber das ist leichter gesagt als getan", sagte Norris.

Er fürchtet sich vor den radikalen Low-Downforce-Paketen, die einige Hinterbänkler-Teams an die Strecke gebracht haben. "Ich denke, wir müssen alles über die Strategie machen, denn man kann nicht überholen. Es sind viele Autos, die ohne viel Flügel fahren und auf das Beste hoffen. Das macht es vielen Autos unmöglich, sie zu überholen", gab sich der WM-Zweite pessimistisch.

Überholmanöver sind in Aserbaidschan nicht immer so einfach, wie man sich das vorstellt., Foto: LAT Images
Überholmanöver sind in Aserbaidschan nicht immer so einfach, wie man sich das vorstellt., Foto: LAT Images

Baku verfügt mit dem über zwei Kilometer langen Vollgas-Stück zwischen Turn 16 und der ersten Kurve zwar über eine der längsten De-facto-Geraden im Formel-1-Rennkalender, aber außergewöhnlich einfach fallen Überholmanöver auf dem City Circuit am Kaspischen Meer trotzdem nicht, da man im verwinkelten Mittelsektor seinen Vordermann nicht gut verfolgen kann. Gepaart mit einem potenziellen Topspeed-Nachteil und einem aufgrund des niedrigen Abtriebs niedrigen Windschatten-Effekt erschwert das Positionswechsel beträchtlich.

Stella kalkuliert, dass andere Faktoren Norris in die Hände spielen könnten: "Diese Strecke kann Safety-Car-Situationen verursachen, außerdem gibt es einiges an Reifenverschleiß", so der Italiener. Überholmanöver auf der langen Geraden will er auch nicht ausschließen. "Es könnte also durchaus Situationen geben, in denen wir viele Positionen aufholen. Punkte sollten möglich sein. Aber um große Punkte einzufahren, müssen wir darauf hoffen, dass vorne etwas passiert", prognostiziert er. Oscar Piastri und die anderen drei Topmannschaften sieht Stella ansonsten außer Reichweite.