Keine Ferrari-Wiederauferstehung in Barcelona: Das gesamte Wochenende lang befand sich die Scuderia mehr oder minder im Kampf um die Spitze, die FP3-Bestzeit von Carlos Sainz ließ die Pole-Hoffnungen noch einmal wachsen. Doch im Qualifying fehlten die entscheidenden Zehntelsekunden. Schlussendlich sortierten sich Charles Leclerc und Sainz nur auf den Positionen fünf und sechs ein - und damit nicht nur hinter Lando Norris und Max Verstappen, sondern auch hinter beiden Mercedes-Piloten.
Auf die Pole-Zeit von Norris fehlten Leclerc als schnellerem der beiden Ferrari-Fahrer im Q3 rund dreieinhalb Zehntelsekunden. "Ich bin vom heutigen Tag sehr enttäuscht, weil die Performance nicht da ist und wir zu weit weg von der Pole sind", machte Leclerc nach dem Qualifying aus seiner Gefühlslage keinen Hehl.
Vasseur kritisiert Leclerc: Fehler hat P3 gekostet
Zumindest ein Start aus der zweiten Startreihe wäre wohl mit Blick auf die sehr eng beieinanderliegenden Zeiten von Mercedes und Ferrari allerdings durchaus möglich gewesen. Auf Lewis Hamilton auf P3 hatte Leclerc nur drei Hundertstelsekunden Rückstand. "Es war nicht viel mehr Pace im Auto. Wir haben einfach mit dem Grip und der Pace insgesamt gestrauchelt", winkte Leclerc ab.
Ferrari-Teamchef Fred Vasseur sah die Situation allerdings nicht ganz so eindeutig wie sein Pilot - und ließ Kritik an dem Monegassen durchblicken: "Am Ende des Tages haben wir heute eine gute Session abgeliefert. Charles hat einen kleinen Fehler gemacht und dadurch haben wir P3 aufgegeben."

Sainz: Im Q2 haben Red Bull und McLaren aufgedreht
Doch auch ohne einen Leclerc-Fehler wäre die Jagd auf die Pole wohl vergeblich gewesen. Besorgniserregend ist die große Lücke zu Norris und Verstappen auch deshalb, weil sich Leclerc laut eigener Aussage nach einem schwierigen Trainings-Freitag (FP1 ohne vollständiges Update-Paket) grundsätzlich wohl im Auto fühlte: "Wir haben heute eine Menge Dinge im Auto verändert. Im FP3 habe ich mich sofort wohler gefühlt. Aber die Pace ist einfach nicht da."
Anders als Leclerc war Teamkollege Sainz schon am Freitag konstant an der Spitze des Feldes gewesen. Alle drei Trainings-Sitzungen beendete der Lokalmatador in den Top-3, die letzte Trainings-Stunde am Samstag sogar auf Platz eins. Doch der Schein trog. "Wir hatten starke Trainings-Sessions und erwartet, im Kampf um die Pole zu sein. Aber sofort im Q2, als Red Bull und McLaren aufgedreht haben, hatten wir nicht die Pace", so ein enttäuschter Sainz.
Angesichts des beträchtlichen Rückstands auf die Pole-Zeit will sich der 29-Jährige auch nicht vom knappen Abstand zum dritten Platz trösten lassen: "Wir können hier sitzen und argumentieren, dass wir mit drei Hundertsteln mehr auf P3 gewesen wären. Aber die Realität ist, dass ich mehr auf die Lücke zu Lando schaue als auf die Lücke zu Mercedes, denn dreieinhalb Zehntel sind eine Menge Rundenzeit in Barcelona."

Ferrari-Pleite in Spanien: Welche Rolle spielt die Streckencharakteristik?
Dementsprechend hätte das Ergebnis ohne Patzer von Sergio Perez und Oscar Piastri auch noch schlechter ausfallen können. "Ich weiß nicht, was mit Checo und Oscar passiert ist, aber ehrlich gesagt wirkten Red Bull und McLaren etwas außer Reichweite", meinte Sainz.
Die Ferrari-Problemsuche beginnt bei der Streckencharakteristik des mit einigen Highspeed-Passagen gepflasterten Circuit de Barcelona-Catalunya. Diese langgezogen schnellen Kurven erinnern Sainz an die Rennen in China und Japan: "Und dort waren wir auch einen großen Schritt zurück."
Zwar brachte Ferrari ein umfangreiches Update-Paket mit nach Barcelona (unter anderem einen neuen Unterboden), wobei das Problem mit dieser Art von Kurven jedoch explizit nicht behoben wurde, wie Leclerc am Donnerstag verriet. Besonders das Herumhüpfen des Autos bereitet Ferrari auch im dritten Jahr der Ground-Effect-Ära in den Highspeed-Kurven noch Probleme.
"Das tötet wahrscheinlich auch ein bisschen die Reifen für den dritten Sektor", rätselte Sainz. "Es war das ganze Wochenende lang hart zu versuchen, es loszuwerden und wir haben es nicht geschafft, es loszuwerden. Wir kommen an diese Strecke und du kannst sehen, dass McLaren und Red Bull null Bouncing haben. Sie machen einen guten Job."
Leclerc und Sainz einig: Ferrari-Update funktioniert
Genau angesichts dieser Ferrari-Schwäche in Barcelona warnt Sainz aber auch vor voreiligen Schlüssen im Hinblick auf das grundlegende Kräfteverhältnis: "Es ist im Moment sehr streckenabhängig. Die Einzigen, die klar dem Kampf beigetreten sind, sind Mercedes und das Miami-Upgrade von McLaren, das sie von einem Schritt hinter uns zu einem Schritt vor uns katapultiert hat."
Von Krisenstimmung will auch Leclerc nichts wissen - und sucht den Fehler im Hinblick auf das Qualifying-Ergebnis eher auf operativer Seite. "Denn wenn man auf die Lücke zwischen Mercedes und McLaren schaut, ist es mehr oder weniger, was man auf Basis der letzten paar Rennen erwarten würde", so der 132-fache GP-Starter. "Es ist also mehr, dass wir an diesem Wochenende nicht so performt haben, wie wir es hätten sollen."
Zumindest eine positive Neuigkeit konnten Leclerc und Sainz aber nach der Qualifying-Pleite in Barcelona verlautbaren lassen. Das Update-Paket scheint wie geplant zu funktionieren. "Wir haben gesehen, dass es Performance ins Auto bringt, zu 100 Prozent. Wir sehen die Zahlen, die wir erwartet haben", stellte Leclerc klar. Zugleich stellt genau dieser Fakt den WM-Zweiten vor weitere Rätsel. "Es fühlt sich an, als hätte ich Zugriff auf die zusätzliche Performance, aber wir sind drei Zehntel zurück. Wir müssen uns das anschauen, weil uns heute auf jeden Fall etwas gefehlt hat", so Leclerc.

Was kann Ferrari im Barcelona-Rennen ausrichten?
Eine mögliche Antwort lieferte Leclerc aber prompt selbst: "Es ist immer ein relativer Sport. Andere Teams haben auch Upgrades gebracht und es kommt immer darauf an, was für große Schritte jeder nach vorne macht. Sicherlich gibt es noch mehr, was wir mit diesem neuen Paket optimieren können. Aber ich würde das nicht als Entschuldigung hernehmen. Uns fehlt einfach ein bisschen die Pace dieses Wochenende."
Auch die Tatsache, dass Verstappen im Moment zumindest nicht dem restlichen Feld auf und davon zu fahren scheint, kann dabei die Stimmung bei der Scuderia nicht aufheitern - im Gegenteil. "Jetzt sind dort zwei Autos mit dreieinhalb Zehnteln Vorsprung vor uns. Heute ist also nicht wirklich eine Ermutigung für uns", stellte Leclerc klar.
Zumindest für das Rennen gibt sich Ferrari trotz schwierigen Überholbedingungen in Barcelona noch kämpferisch. Sainz hält ein Podium zwar für schwierig, per Strategie könnte sich bei dem erwarteten Zwei-Stopp-Rennen aber die ein oder andere Gelegenheit bieten. "Auf strategischer Seite können wir immer noch Dinge tun", meinte Sainz. "Ich hoffe, dass wir immer noch ein gutes Rennen abliefern können. Erst recht, wenn wir einen guten Start erwischen, sind wir dabei und dann kannst du mit Undercuts und Overcuts spielen."
Nicht nur bei Ferrari lief das Qualifying der Formel 1 in Spanien nicht wie erhofft. Auch Sergio Perez enttäuschte auf Platz acht erneut. Alle Details erfahrt Ihr hier:
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