Der Große Preis von Miami 2024 war für McLaren ein echter Erfolg - jedoch nur auf einer Seite der Garage. Während sich Lando Norris zum 114. Grand-Prix-Sieger der Formel-1-Geschichte krönte, konnte Oscar Piastri keinen einzigen Punkt abstauben. Fuhr der Australier die erste Rennhälfte noch auf Podiumskurs, wurde ihm zuerst der Zeitpunkt des Safety Cars und dann Carlos Sainz zum Verhängnis.

Rennauftakt in Miami: Piastri startet durch, Sainz mit Pech

Schon am Start bahnte sich der Fight zwischen Sainz (Startplatz 3) und Piastri (Startplatz 6) an. Denn weil Sergio Perez viel zu spät auf der Bremse war, musste Sainz dahinter vom Gas gehen und verlor eine Position. "Wie sagte man in alten Tagen: Checo kam am Start wie ein Torpedo und hätte uns fast alle mitgerissen. Ich musste deshalb ein Ausweichmanöver fahren", schilderte Sainz den Rennstart mit einer Reminiszenz an Sebastian Vettels legendären Spruch gegen Daniil Kvyat 2016.

Piastri hingegen kam das Startgetümmel zugute und er übernahm den dritten Platz vor Sainz. Mit einem guten Renntrimm konnte der McLaren-Fahrer in Runde 5 auch noch Leclerc überholen. "Ich war mit dem Start zufrieden und auch mit der Tatsache, dass ich an Leclerc vorbeikam. Das hatte ich nicht erwartet als ich ins Rennen ging", freute sich Piastri nach dem Rennen. Schon bald stabilisierte sich das Rennen mit einem DRS-Zug bestehend aus Piastri vor Leclerc und Sainz ein.

Sainz vs. Piastri: Aggressives Battle um P4

Doch wer dachte, das Rennen würde einfach so zu Ende gehen, der hat die Rechnung ohne Kevin Magnussen gemacht. Der Däne schoss in Runde 28 den Local Hero Logan Sargeant ab und das Safety Car wurde ausgerufen - zum denkbar unglücklichsten Zeitpunkt für Sainz und Piastri: Sie waren eine Runde zuvor an der Box, um neue Reifen aufzuziehen. "Wir hatten Unglück mit dem Timing des Safety Cars. Von dort aus hat es sich dann einfach weiter entwickelt", stellte Piastri fest. Als das Rennen ab Runde 33 wieder freigegeben wurde, befand sich Piastri auf P4 und Sainz dahinter auf P5. Nutznießer der Safety-Car-Phase: der Rennsieger Lando Norris.

"Ich freue mich natürlich für ihn, bin aber auch frustriert, weil wir vor dem Boxenstopp und vor dem Safety Car vor ihm lagen. Hätten wir noch eine Runde drangehängt, hätten wir das Safety Car abgefangen und hätten das Rennen auch gewonnen", ärgerte sich Sainz über die verpasste Siegchance. Nichtsdestotrotz gönnt er seinem Ex-Teamkollegen den Triumph: "Aber ich denke, das Glück kommt zu den Jungs, die es verdienen, und Lando ist einer dieser Jungs, die an diesem Wochenende das kleine bisschen Glück verdient haben, sein erstes Rennen zu gewinnen."

Ärgern darf Sainz sich auch ein klein wenig über sich selbst, denn nach einem schlechten Restart verlor der Ferrari-Fahrer zunächst kurz den Anschluss. Seinen Lapsus konnte er aber schnell wieder wettmachen. Ab Runde 34 ging es somit heiß her im Kampf um P4. Sainz war nahezu vorbei, da hielt der junge Australier in Kurve 11 aggressiv dagegen. Die beiden berührten sich und Sainz kam von der Strecke ab. Eine weitere Frustration für Sainz. Am Boxenfunk forderte der Spanier vehement nach einem Positionstausch, weil er am Scheitelpunkt weiter vorne gewesen wäre: "Sagt ihm einfach, er soll mir die Position geben, dann bekommt er keine Strafe", versuchte er Politik zu betreiben.

Drei Kursumrundungen später bekam er jedoch gemeldet, dass die Rennleitung dem Zwischenfall nicht weiter nachgehen wird. Daraufhin wurde Sainz ungehalten und machte in Runde 39 kurzen Prozess: In einem kompromisslosen Manöver drückte er sich nach der längsten Gerade des Miami International Autodrome in Kurve 17 innen an Piastri vorbei und es kam zu einer leichten Kollision. "Die Stewards waren heute nicht sehr aggressiv bei den Strafen, also musste ich aggressiv sein", rechtfertigte Sainz seine Aktion nachträglich.

Piastri konnte nicht mehr kontern. Stattdessen wurde sein Frontflügel bei der Aktion des Spaniers beschädigt und er fiel aus den Punkten raus - zunächst bis ganz ans Ende des Feldes. Mit ein paar schnellsten Runden kam er schließlich noch auf Position 13 ins Ziel. Zum Unfall mit Sainz, der ihm das Rennen ruinierte, wollte er sich direkt nach dem Rennen aber nicht äußern. "Ich muss mir den Zwischenfall zuerst ansehen", so Piastri.

McLaren-Teamchef Andrea Stella, der sich den Zwischenfall aus Runde 39 genauer ansehen konnte, sah die Sache eindeutig: "Carlos war etwas spät beim Bremsen, er hatte ein bisschen Untersteuern und Kontakt mit Oscar. Aber ich denke, das war wirklich ein Rennunfall." Doch die Stewards urteilten härter und verhängten dem Ferrari-Fahrer eine 5-Sekunden-Zeitstrafe plus einen Strafpunkt für die Kollision, bei der der Frontflügel des McLarens beschädigt wurde. Sainz trage die Hauptschuld an der Kollision, weil er zu spät bremste und den Scheitelpunkt verpasste, so die Stewards. Sainz verlor somit seinen vierten Platz an Perez.

Gestern noch schoss Fernando Alonso gegen die FIA-Stewards: Sie sind befangen und diskriminieren Spanier! Prompt erhält ein anderer Spanier heute nach dem Rennen eine Strafe.

Alonso attackiert F1 Stewards SCHARF! Parteiisch gegen Spanier? (17:42 Min.)

Freude bei Ferrari und McLaren: Mit starker Pace bald Attacke auf Red Bull möglich?

Trotz des Frustrennens kann Sainz einen positiven Aspekt mitnehmen "Gegen Ende des Rennens hatte ich eine gute Pace und holte die Jungs vor mir, Max [Verstappen; Anm. d. Red.] und Charles [Leclerc; Anm. d. Red.], ein. Aber es war zu spät, ich verlor zu viel Zeit mit Oscar." Außerdem fügt er bezüglich der Performance von Max Verstappen im sonst weit überlegenen Red Bull hinzu: "Max schien definitiv schlagbar zu sein, da er in Runde 1 Fehler machte. Er schien zu kämpfen und öffnete die Tür zu Möglichkeiten. Lando war da, um diese zu nutzen", so der Ferrari-Pilot.

"Ich glaube, dass McLaren und wir vielleicht ein wenig auf Red Bull aufgeholt haben", gibt sich der Teamchef der Scuderia Fred Vasseur gleichermaßen optimistisch. Der Franzose zeigt Angriffslust: "Wenn wir in der Lage sind, gute Arbeit zu leisten und alles zusammenzubringen, sind wir da. Das bedeutet, dass wir sie [Red Bull; Anm. d. Red.] ein wenig unter Druck setzen. Sie müssen etwas aggressiver mit der Strategie vorgehen. Sie befinden sich nicht mehr in der Komfortzone des letzten Jahres. Und das ist eine Chance für uns. Wenn wir einen weiteren kleinen Schritt machen, denke ich, dass wir wirklich in der Lage sein werden, jeden einzelnen Wochenendkampf mit ihnen zu führen."

Stella gibt sich diesbezüglich vorsichtiger: "Wenn wir konsequent gegen Red Bull kämpfen wollen, müssen wir ein weiteres Paket liefern, wie das, was wir hier geliefert haben. Es wäre völlig unrealistisch zu denken, dass das, was wir hier gesehen haben, das aktualisierte Bild der Wettbewerbsfähigkeit ist. Ich denke hier haben die Red Bulls irgendwie nicht das Beste aus ihrem Paket herausgeholt."

Lando Norris freut sich über seinen ersten Sieg im Parc Fermé.
Heute kam McLaren vor Red Bull ins Ziel. Dürfen sie in der Zukunft noch öfter den Sieg feiern?, Foto: LAT Images

Dennoch geht auch McLaren - nicht nur wegen Norris' GP-Sieg - gestärkt aus dem Wochenende hervor: "Mit dem Auto, das wir hatten, waren wir sehr stark. Ein sehr ermutigender Tag, was die Pace angeht", bemerkte Piastri. "Auf dem Medium hat es heute gut funktioniert und ich war glücklich damit."

Dabei sei bemerkt, dass er im Gegensatz zu seinem Teamkollegen nur die Hälfte des neuen großen Update-Pakets am Auto hatte. "Ich denke, Oscar geht aus diesem Wochenende noch bewusster über seine Stärken als Fahrer hervor. Wir wussten, wie schnell er auf einer einzelnen Runde ist, wenn man bedenkt, dass er nicht das volle Paket hatte. Der Abstand, den er in der Qualifikation zu Lando hatte, ist kleiner als der unterschied des Pakets, das er hatte, also hat er wirklich eine starke Leistung über eine einzelne Runde in sehr schwierigen Bedingungen gezeigt. Seine Leistung im Rennen war wieder sehr stark", erhielt Piastri großes Lob von seinem Chef.

In Imola wird auch der Australier alle Upgrades ans Fahrzeug bekommen ebenso wie das Ferrari-Team in seiner Heimat mit einem Update-Paket antritt. Ob McLaren und Ferrari dann weniger hart gegeneinander kämpfen und es stattdessen lieber im Kampf mit dem Weltmeister aufnehmen werden?