Gewinner: Oliver Bearman

Am Donnerstag dachte Oliver Bearman wohl im Traum noch nicht daran, dass er zwei Tage später sein erstes Formel-1-Rennen bestreiten, geschweige denn seine ersten Punkte in der Königsklasse sammeln würde. Bearman hatte nach einem verpatzten Auftakt in Bahrain gerade erst die Pole Position für das zweite Hauptrennen der Saison eingefahren. Doch die Blinddarmentzündung von Carlos Sainz öffnete dem Ferrari-Junior plötzlich die Tür zur ganz großen Show und Bearman nutzte die kurzfristige Einladung, um sich bei allen einmal richtig vorzustellen. Und wie. Auf eine Runde war der Nachwuchspilot nur eine halbe Sekunde hinter Teamkollege und Qualifying-Experte Charles Leclerc, im 50-ründigen Rennen fehlten ihm 24 Sekunden.

Der Ferrari-Testfahrer kam mit viel Simulator-Vorbereitung und einigen Test- und Trainingseinsätzen zum Handkuss, aber das soll seine Leistung nicht schmälern. Für nächstes Jahr winkt schon jetzt ein potenzielles Vollzeit-Cockpit bei Haas. Vorbilder wie Stoffel Vandoorne oder Nyck de Vries sollten aber gleichzeitig eine Warnung sein: Ein guter Ersatz-Einsatz ist keine Garantie für eine erfolgreiche F1-Karriere. Zunächst einmal muss er 2024 im Formel-2-Tagesgeschäft liefern.

Verlierer: Sauber

Wo soll man da überhaupt anfangen? Vielleicht bei der Pace, die nicht punktefähig war und auch nicht für Q2 reichte. Vielleicht beim Unfall von Guanyu Zhou im Training, der ihm praktisch die Qualifying-Teilnahme kostete und ihn im Rennen auf eine aussichtslose Alternativ-Strategie zwang. Vielleicht beim nächsten komplett vermurksten Boxenstopp, bei dem schon wieder die Radmutter klemmte. Vielleicht auch einfach bei den kalten Fakten: P17 und P18. Letzter und Vorletzter im Rennen.

Wir überlassen euch, liebe Leser, die Entscheidung, welcher Aspekt dieses - vorsichtig formuliert - bescheidenen Sauber-Wochenendes am schwersten wiegt. In Summe ist es eine Performance, die in ihrer Gesamtheit schwer zu unterbieten ist. Zumindest eine gute Neuigkeit gab es für Hinwil: Audi übernimmt schon früher als ursprünglich geplant das Schweizer Team vollständig. Es gibt Licht am Ende des Tunnels!

Gewinner: Oscar Piastri

Wer ist eigentlich Lando Norris? Oscar Piastri kochte im Qualifying in Saudi-Arabien seinem Teamkollegen das Wasser ab und auch im ersten Stint im Rennen war der erfahrenere der beiden McLaren-Piloten mitnichten schneller als der junge Australier. Ein Rookie-Fehler unterlief ebenfalls Norris, der - dem Transponder sei dank - ohne Konsequenzen blieb. Das restliche Rennen der beiden McLaren-Fahrer lässt sich nicht vergleichen, da Norris auf ein Safety Car zockte und Piastri auf der Standard-Strategie blieb. Doch bis dahin schlug das Woking-Pendel eindeutig in Richtung Piastri aus, dessen Rennpace auch schon in Bahrain nah an jener von Norris dran war. Wir erinnern uns: Im Vorjahr hatte er über die Renndistanz häufig keine Chance gegen den Briten.

Verlierer: Lance Stroll

Fehler gehören dazu, und kein erfahrener F1-Fahrer dieser Welt ist davor gefeit, welche zu begehen. Von dieser Erfahrung merkt man Lance Stroll auch nach 144 Starts in der Formel 1 nicht so viel an. Dass er sein Auto gleich zweimal an einem Wochenende in der Wand versenkt, ist in seiner achten Saison in der Königsklasse besonders peinlich. Immerhin bescherte Lance Stroll den Fernseh-Zuschauern in einem ansonsten eher müden Rennen etwas Unterhaltung im Kampf um den letzten Punkt. Dass die Pace von Stroll deutlich unter dem Niveau von Fernando Alonso war, lassen wir an dieser Stelle mal außen vor. Daran haben wir uns bei ihm inzwischen gewöhnt.

Gewinner: Haas

Punkte! Die Zweckpessimisten bei Haas haben sich 2024 mit ihrem eigenen Auto überrascht und den ersten Zähler eingefahren. Und all das auf einer Strecke, auf der sie sich selbst nicht so hoch auf dem Zettel hatten. Natürlich kamen ihnen die Umstände zugute. Ohne den Crash von Lance Stroll ist auch der zehnte Platz reserviert. Der Topspeed-Vorteil und Kevin Magnussens kompromisslose Fahrweise trugen auch ihren Teil dazu bei. Aber es musste unter dem Strich auch die Pace passen. Denn setzen wir einmal früher an: Falls Magnussen nicht ohne seine Strafen netto auf einer Punkteposition liegt, bringt auch die Straßenblockade nichts.

Verlierer: Mercedes

Ist es langsam an der Zeit, sich Sorgen um Mercedes zu machen - mal wieder. Die Silberpfeile haben ihr Auto über den Winter einer Radikal-Kur unterzogen, aber wirkliche Fortschritte in den Ergebnissen zeigten sich bislang nicht. In Saudi-Arabien ging der ganze Trainings-Tag für Setup-Experimente drauf, so richtig glücklich wurde man trotzdem nicht. Lewis Hamilton fand kein Vertrauen ins Auto, George Russell war im Qualifying zwar schneller, aber auch nicht zufrieden. Zudem hat das Bouncing zum unglücklichsten Zeitpunkt wieder sein Comeback gefeiert. Das hoch angepriesene Potenzial des Autos wird nach wie vor vermisst, der fehlende Highspeed macht Zweikämpfen auch nicht einfacher. Ferrari wirkt um einige Ecken besser aussortiert, Mercedes ist derzeit zurecht nur vierte Kraft.

Gewinner: Max Verstappen

Viel zu berichten hatte Max Verstappen nach seinem Sieg in Saudi-Arabien nicht. Sein Rennen in Jeddah war die personifizierte Langeweile. Gegen Rennende war aufgrund einiger Überrundungen die Reifentemperatur nicht mehr perfekt, aber dass das überhaupt eine Erwähnung wert ist, zeigt schon, wie sehr man angesichts seiner Dominanz schon angestrengt nach dem einen Haar in der Suppe suchen muss. Zwei kleine Härchen haben wir noch gefunden: Lando Norris nahm Verstappen nach dessen Safety-Car-Stopp erstmals in dieser Saison Führungsrunden ab und Charles Leclerc schnappte sich die schnellste Rennrunde und damit den Extrapunkt. Die Ursache dafür waren übrigens die vorhin angesprochenen Reifentemperaturen. Ob Verstappen das letzte Nacht den Schlaf geraubt hat? Wir bezweifeln es einmal.

Verlierer: Daniel Ricciardo

Wir müssen über das zweite Red-Bull-Cockpit reden. Daniel Ricciardos großes Ziel. Denn im Moment entfernt sich der Australier unaufhörlich weiter vom großen Bullen-Team. Sergio Perez, der am Ende der vergangenen Saison schon angezählt war, erledigt brav seinen Job. Platz 2, mehr kann man von dem Mexikaner nicht erwarten. Um es in den Worten von Christian Horner zu sagen: "Checo steht [für 2025] auf der Pole Position".

Falls Perez nach dem guten Saisonstart aber wieder einen Einbruch erlebt, dann wäre ja auch noch ein Carlos Sainz auf dem Markt, um ihn zu ersetzen. Dafür kann Ricciardo jeweils nichts. Aber wofür er doch etwas kann, sind seine Leistungen auf der Strecke. Yuki Tsunoda, dessen Ansehen Red-Bull-intern nicht das Allerhöchste ist, gibt derzeit bei den Racing Bulls den Ton an. Fehler wie der Dreher kurz vor Schluss in Jeddah sind auch kein gutes Bewerbungsschreiben von Ricciardo. Im Moment befindet sich da der 2022er-McLaren-Ricciardo auf der Strecke und nicht der 2014er-Red-Bull-Ricciardo