Keine fünfhundert Meter dauerte es, dann wurde in Katar das ultimative Albtraum-Szenario von Mercedes wahr. Im Kampf um die Führung bogen Lewis Hamilton und George Russell außen neben Max Verstappen in die erste Kurve ein - und kollidierten. Für Hamilton endete das Rennen auf der Stelle, Russell musste zum Reparaturstopp.

Beide Mercedes waren besser gestartet als Polemann Verstappen. Hamilton, der als einziger der Top-3 zum Start auf Soft gesetzt hatte, war am besten weggekommen, setzte sich außen daneben und bremste am spätesten von den Top-3. Kurz war er in Führung. Dann lenkte er ein. Nur war auf der Innenseite schon Russell, der ebenfalls nach außen gezogen war, um Verstappen zu attackieren."Ich hatte Soft, alle anderen Medium. Ich musste vorbei", erklärt Hamilton später die Aggression. Die Soft würden nach nur wenigen Runden einbrechen, das war klar.

Polesetter Max Verstappen gewinnt im Red Bull den Start vor Lewis Hamilton im Mercedes
Zu dritt kamen die Spitzenpiloten in der ersten Kurve an, Foto: LAT Images

Russell ging der Platz aus, und schließlich berührte er mit seinem linken Vorderrad Hamiltons rechtes Hinterrad. Jenes Hinterrad wurde ihm abgerissen, er drehte sich ins Kiesbett und musste aufgeben. Ein anfangs stocksaurer Russell konnte nach einem Reifenwechsel wegen eines Plattfußes weiterfahren.

Russell & Hamilton stocksauer nach Startcrash

Beide Fahrer schoben sich am Funk zuerst einmal gegenseitig die Schuld zu. "Mein Teamkollege hat mich abgeschossen", meldete Hamilton noch, ehe er ausstieg. Ein deutlich emotionalerer Russell explodierte erst: "Was zur Hölle? Komm schon! Was zur Hölle?"

Gleich wurden Erinnerungen an Japan vor zwei Wochen wach. Dort hatten sich beide Fahrer mit sehr harten Bandagen bekriegt, Hamilton hatte unter anderem Russell von der Strecke gedrückt. Auch Russell hatte das nicht vergessen: "Jungs, kommt schon, zwei Rennen in Folge!"

Toto Wolff schaltet sich aus dem Homeoffice ein

Nach seinem Reparaturstopp lieferte Russell aus dem Cockpit eine erste Analyse, nachdem er den Zwischenfall während des zur Bergung des W14 seines Teamkollegen ausgerufenen Safety Cars auf einem Bildschirm an der Strecke gesehen hatte: "Tut mir so leid, Jungs, ich habe nicht einmal nach hinten geschaut. Ich habe mich einfach nach vorne orientiert, und er kam aus dem Nichts."

Russells anhaltende Funksprüche bewogen schließlich auch Teamchef Toto Wolff dazu, sich einzuschalten, obwohl er nach einer Operation zum zweiten Mal in Folge nur im Homeoffice mit dabei war: "George, lasst uns jetzt Rennen fahren, das Beste herausholen." An der Strecke führen Jerome D'Ambrosio, Leiter der Fahrerentwicklung, und Pressechef Bradley Lord die Geschäfte.

Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton auf dem Rückweg nach dem Startunfall
Hamilton auf dem Weg zurück in die Box, Foto: LAT Images

Auch die Stewards behalten sich eine Strafe nach dem Rennen noch vor. Beide Fahrer sind vorgeladen. Zum einen für den Unfall - Hamilton droht aber noch mehr Ärger. Nach dem Aussteigen rannte er quer über die Strecke. Das ist eigentlich streng verboten, sofern es nicht auf Anweisung von Offiziellen geschieht.

Hamilton entschärft: Bin bereit, Verantwortung zu übernehmen

Hamilton trat nur wenige Minuten später fast demütig vor die TV-Kameras: "Es tut mir einfach so leid für das Team. Wir hatten heute die Chance auf gute Punkte. In der Hitze des Gefechts wusste ich nicht, was passiert ist, ich habe nur den Schubser von hinten gespürt."

"Ich dachte, ich wäre abgeschossen worden, aber ja, ich muss es mir noch einmal anschauen, und ich bin bereit die Verantwortung zu übernehmen, oder zumindest die halbe Verantwortung", entschärft Hamilton auch sein erstes Funk-Urteil. "Ich denke, George konnte nirgends hin. Es war einfach eine dieser unglücklichen Situationen." Nachdem er das Replay gesehen hatte, meldete er sich noch einmal auf Social Media: "Es war zu 100 Prozent mein Fehler, und ich übernehme die volle Verantwortung. Ich entschuldige mich bei meinem Team und bei George."

Russell schien mit einem Reifenschaden davongekommen zu sein. Im von den Maximal-Stints ausgelösten Strategie-Chaos fuhr er mit starker Pace wieder vorne mit, lag zur Rennhalbzeit zwischenzeitlich auf Platz zwei. Die Mercedes-Strategen visierten einen vierten Platz als realistisches Ziel an, das brachte Russell - mit deutlichem Rückstand auf die McLaren auf dem Podium - auch über die Linie.