Es braucht keine großen Analysen oder Umfragen, um die verschiedenen Meinungen im Formel-1-Fahrerlager zum potenziellen Einstieg des neuen Teams von Michael Andretti zusammenzufassen. Beginnen wir aber einmal nicht mit den Stars der Show, mit den Teams, den Eigentümern, den Politikern. Sondern mit den Fans.
Ob auf Motorsport-Magazin.com, oder sonst irgendwo in den Sozialen Medien, die Vorfreude auf ein elftes Team in der Weltmeisterschaft ist greifbar. Tenor: Zehn Teams sind zu wenig. Andretti, ein renommierter Name in der Motorsport-Welt mit Erfolgen in IndyCar, Formel E und mehr, ist genau richtig.
Die FIA hat den Enthusiasmus mit ihrer Bestätigung und ihrem expliziten Zuspruch inklusive eines mehrere Absätze langen PR-Zitats von Präsident Mohammed Ben Sulayem weiter befeuert. Das Signal ist nach außen hin klar: Andretti muss bereit sein. Alles andere scheint schon längst unvorstellbar.
Formel 1 und Teams: Transparenter Finanz-Egoismus
Das Formel-1-Management und ein Großteil der Teams teilen diese Einschätzung und diesen Enthusiasmus nicht. Gegenüber Medien wurde die FIA-Bestätigung von Andretti durch das F1-Management mit einem einzigen Satz kommentiert. Auf den offiziellen F1-Kanälen wird das Thema mit keinem Wort erwähnt.
Das ist den Fans nicht entgangen. Gegenüber ihnen jetzt zu rechtfertigen, warum man Andretti - sollte der Fall tatsächlich eintreten - doch noch einmal abgewiesen hätte, ist realistisch gesehen bereits unmöglich. Es wäre ein PR-Desaster ungeahnten Ausmaßes.
Von Beginn an haben Formel 1 und Teams hart daran gearbeitet, dieses PR-Loch zu graben. Besonders die Teams waren sehr transparent in ihrem Egoismus und machten nie einen Hehl aus ihrem öffentlichen Widerstand: Wir wollen nicht teilen. Selbst wenn sie sicherheitstechnische Argumente vorbringen, das Thema Geld kehrt immer wieder zurück.
Natürlich ist das schlüssig. Wir dürfen uns nicht vor der wirtschaftlichen Realität verschließen. Rechteinhaber Liberty Media musste 2022 45 Prozent der F1-Einnahmen an die Teams ausschütten. Das waren 1,157 Milliarden US-Dollar. Mit einem weiteren Team zu teilen, würde jedem aufwärts von 10 Millionen Dollar kosten, und die Formel 1 ist noch immer teuer. Besonders für Haas oder Williams sind das keine Peanuts. Und ein weiteres Team reduziert auch den Sponsor-Pool.
Die Krux mit dem Formel-1-Geld
Das ändert nichts an der schwierigen Optik für Beobachter. Der Team-Preisgeldtopf wuchs von 2021 auf 2022 um 89 Millionen. Und auf der anderen Seite meldete Liberty Media aus dem F1-Geschäft 239 Millionen Gewinn. Die Einnahmen stiegen in der jüngsten Boom-Periode durch die Bank. Während die Kosten dank der Budget-Obergrenze für die Teams im Rahmen bleiben.
Preisgeld für alle Teams & Gewinn der F1 in Mio. US-Dollar
Jahr | Preisgeldtopf | Gewinn der F1 |
---|---|---|
2016 | 966 | 47 |
2017 | 919 | -37 |
2018 | 913 | -68 |
2019 | 1012 | 17 |
2020 | 711 | -386 |
2021 | 1068 | 92 |
2022 | 1157 | 239 |
So wird es schwierig für die Formel 1 und für die Teams, Verständnis für ihre finanzielle Argumente einzufordern. Nach außen hinterlassen sie eher diese Eindrücke: Unser Geld ist uns wichtiger als Sport und Fans. Erst recht gilt das für die Top-Teams.
Wenn wir also davon ausgehen, dass die FIA in ihrer Prüfung der Andretti-Einreichung so gründlich war, wie sie selbst sich bemüht klarzustellen, und Andretti sportlich fähig ist, mindestens auf dem Niveau von Haas zu operieren, dann wäre es für die Formel 1 ein Desaster, sie jetzt abzulehnen. Jede Argumentation würde hohl klingen. Abgesehen von potenziellem rechtlichen Chaos, das folgen könnte.
Unabhängig davon, wie gut die wirtschaftlichen Argumente am Ende trotzdem sind. Dann sei an diesem Punkt der Boom-Periode vielleicht auch einmal angemerkt: Am Ende sollte ein Sport sich schon auch auf andere Dinge als auf die Maximierung des Gewinns besinnen. Ob jetzt Andretti, Sprint, Saudi-Arabien. Wenn den Fans die Lust vergeht, bleibt vom Boom nichts mehr übrig.
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