Zum ersten Mal seit Imola der vergangenen Saison startet beim Japan GP 2023 kein Mercedes aus den ersten drei Startreihen. Das Suzuka-Qualifying war für die Silberpfeile eine herbe Schlappe. Mit mehr als einer Sekunden Rückstand sortierte sich Lewis Hamilton auf Rang sieben ein, einen Platz und drei weitere Zehntel dahinter Teamkollege George Russell.

Schon im ersten Qualifying-Segment wurde klar, dass es ein schwieriger Nachmittag für Mercedes werden würde. Hamilton und Russell brauchten jeweils zwei frische Sätze Soft, um ins Q2 einzuziehen.

"Der heutige Tag war ein gutes Beispiel dafür, wie wir auf Strecken mit ähnlichen Eigenschaften wie Suzuka abschneiden. Es gibt eine große Bandbreite an Kurven, von denen der Kurs viele sehr schnelle, aber auch einige sehr langsame biete", analysierte Hobby-Ingenieur George Russell.

Das Problem des F1 W14: Um viel Abtrieb zu generieren, muss er besonders tief abgestimmt sein. Dann generiert der Unterboden mit dem Ground-Effekt am meisten Abtrieb. In den schnellen Kurven ist genau das gefordert. In den langsamen Ecken hingen braucht man Federweg. Der Kompromiss liegt dem schwarzen Silberpfeil nicht. In Singapur vor einer Woche kämpfte man nach einer Galavorstellung in den letzten Runden noch um den Sieg.

Schon im letzten Jahr war Suzuka deshalb eine besonders schwierige Strecke für Mercedes. Hamilton startet einen Platz weiter vorne und war eine Zehntel näher an der Verstappen-Pole. Russell startete wie in diesem Jahr von Platz acht. Trotz des geänderten Seitenkastenkonzepts scheinen die Schwächen in der Silberpfeil-DNA zu liegen.

Hamilton findet Performance

Dabei konnte man über Nacht zumindest am Auto von Lewis Hamilton große Fortschritte erzielen. Der Formel-1-Rekordsieger fuhr am Trainingstag noch im Nirvana und lag deutlich hinter Russell zurück. "Die Änderungen, die wir vorgenommen haben, fühlten sich im FP3 gut an. Das Auto ließ sich heute generell gut fahren. Das war eine Erleichterung, denn gestern war ein schlechter Tag", so Hamilton.

"Normalerweise haben wir jedes Wochenende mindestens einen suboptimalen Tag, und das war wahrscheinlich der Freitag", vermutet der Brite. Vom 3. Freien Training an lief es besser für ihn - und trotzdem steht am Ende des Tages ein Rückstand von einer Sekunde.

Box: Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton mit neuem Helm-Design
Lewis Hamilton schlug George Russell im teaminternen Qualifying-Duell, Foto: LAT Images

"Der erste Sektor macht den entscheidenden Unterschied. Wir hatten dort einen Rückstand von sieben Zehnteln, und das hatte vor allem mit dem mangelnden Grip am Heck zu tun", erklärt Hamilton. "Dort waren wir gestern besonders schwach", stimmt Chefingenieur Andrew Shovlin zu. Zwar konnte man die extreme Schwäche abstellen, dafür litten die langsameren Kurven etwas.

Der übliche Mercedes-Joker: Reifen-Verschleiß und Reifen-Wahl

Mercedes' Hoffnung liegt nun auf dem hohen Reifenabbau in Suzuka. Sehr hohe Temperaturen um die 30-Grad-Marke in Verbindung mit älterem Asphalt und schnellen Kurven lassen die Pneus förmlich von der Felge schmelzen. Russell ist allerdings nicht besonders optimistisch: "Unsere Rennpace wird wahrscheinlich ähnlich sein wie unsere Pace auf einer Runde. Die Abstände könnten sich ein wenig verändern, aber nicht wesentlich."

Doch was ist mit dem Silberpfeil passiert, der seine Stärken erst im Rennen voll ausspielen konnte? "Den Trend, wass wir im Qualifying schwächer sind als im Rennen, den gibt es noch immer. Aber er ist bei weitem nicht mehr so dramatisch wie im letzten Jahr", meint Shovlin.

Trotzdem, ein Ass hat Mercedes noch im Ärmel. Im Gegensatz zu den Hauptkonkurrenten Ferrari und McLaren hat man sich einen Satz der harten Reifen mehr fürs Rennen aufgehoben. Mercedes geht mit zwei frischen Sätzen Hard, einem neuen Satz Medium und drei gebrauchten Softs ins Rennen. Ferrari und McLaren haben ebenfalls drei gebrauchte Softs, zwei frische Mediums und dafür nur einen Satz Hards.

"Das bedeutet, dass wir uns Strategien und Stints überlegen können, die für sie vielleicht nicht möglich sind", hofft Shovlin. " McLaren und Ferrari haben vielleicht nicht die gleiche Freiheit. Ich erwarte dadurch aber nur einen kleinen Vorteil", schränkt Russell ein. Alle Stimmen zum Formel-1-Rennen heute in Japan gibt es im Live-Ticker.