Nach zwei Pole-Positions in Folge wurde Ferrari in der Qualifikation zum Japan GP wieder von der Realität eingeholt. Charles Leclerc startet das 17. Rennen der Formel-1-Saison 2023 von Platz vier, Singapur-Sieger Carlos Sainz nur von Rang sechs. Schlimmer als das Ergebnis war der Rückstand: Fast sieben Zehntelsekunden fehlten auf die Pole-Zeit von Max Verstappen.

"Wenn du so eine tolle Runde fährst, dann ist es etwas enttäuschend, wenn du mit dem Rückstand auf Platz vier landest", gestand Leclerc. "Wir wussten schon zuvor, dass wir auf dieser Strecke mehr Probleme haben würden: Highspeed, lange Kurven und dazu starker Wind. Das war nie einfach für uns", schränkte Sainz ein.

Den Großteil des Rückstandes fuhr sich Ferrari im ersten Sektor ein. Allein im ultraschnellen ersten Streckenabschnitt verlor Leclerc fast eine halbe Sekunde. Auch auf McLaren fehlt in den schnellen Kurven inzwischen eine ganze Ecke. "Ich bin einen richtig guten ersten Sektor gefahren und trotzdem bin ich weit weg. Daran müssen wir arbeiten", fordert Leclerc.

Sainz experimentiert sich zur Qualifying-Niederlage

Nachdem Sainz Teamkollege Leclerc in Monza und Singapur geschlagen hatte, musste er sich in Japan wieder hinter dem Monegassen einsortieren. Sainz machte vor allem seine Qualifying-Vorbereitung dafür verantwortlich. Im Wissen um die Ferrari-Schwächen experimentierte er vom 1. Freien Training an am Setup. "Wir haben aber gesehen, dass es nicht funktioniert und sind deshalb auf ein Basis-Setup zurückgegangen", verriet Sainz.

In Monza und Singapur erklärte Teamchef Fred Vasseur noch, dass es die große Stärke von Sainz war, dass der Spanier die Rennwochenenden von der ersten Runde an da war. "Ja, es hat nicht geholfen, so viele Setups auszuprobieren, aber ich wollte diese Herangehensweise, um für die Zukunft etwas zu lernen", rechtfertige sich der Ferrari-Pilot.

Sainz weiter: "An einem Wochenende, an dem das Auto nicht da ist, musst du dich selbst herausfordern und etwas außerhalb dem normalen Fenster probieren, um zu sehen, ob es hilft. Es hat definitiv nicht geholfen, aber es hat mein Leben auch nicht zu kompliziert gemacht."

Sargeant und Rennleitung gegen Ferrari

Kompliziert wurde das Qualifying für Ferrari noch aus zwei anderen Gründen. Im Q1 musste Ferrari einen zweiten Satz frische Softs opfern, weil Logan Sargeant just in dem Moment mit seinem Unfall für eine Unterbrechung sorgte, als die Ferrari-Piloten gerade auf ihren schnellen Runden waren. Dadurch blieb Ferrari im entscheidenden Q3 nur ein Satz Soft übrig.

McLaren, Ferraris Hauptkonkurrent, konnte hingegen Reifen sparen und zog mit zwei frischen Sätzen Soft ins Qualifying-Finale ein. Leclerc fehlte am Ende weniger als eine Zehntelsekunde auf die erste Startreihe.

Der zweite Faktor, der Ferrari das Leben schwer machte, war die Rennleitung. Niels Wittich führte - wie schon in Monza - eine Maximalzeit zwischen den Safety-Car-Linien ein, die auch auf Outlaps galt. Dadurch will man verhindern, dass es durch große Geschwindigkeitsunterschiede zu gefährlichen Szenen kommt. "Ich wünschte, wir hätten langsamer fahren können. Vor allem an unserem Auto überhitzen die Reifen ab Kurve eins. Das hat uns nicht geholfen", ärgerte sich Sainz.

Leclerc drohte deshalb sogar noch Ärger. Wie Zhou Guanyu und Valtteri Bottas überschritt Leclerc im Q1 die Maximal-Zeit. Die Stewards konnten aber schnell Entwarnung geben: Alle drei Piloten fuhren nur zu langsam, weil sie mehrere Piloten vorbeilassen mussten, die auf ihren schnellen Runden waren. Strafen gab es also nicht.

Ferrari erwartet Reifenschlacht in Japan

Im Rennen rechnet man sich bei der Scuderia nur bedingt Chancen aus. Die Formel 1 erwartet in Suzuka eine regelrechte Reifenschlacht. Extreme Temperaturen und schnelle Kurven lassen das schwarze Gold regelrecht schmelzen. "Ich erwarte, dass es morgen nur um Reifenmanagement und Strategie geht", meint Leclerc.

Der Weg an McLaren vorbei dürfte für Ferrari nur so funktionieren. "Unsere Rennpace ist sehr ähnlich. Entweder gelingt es uns am Start oder durch die Strategie", so Leclerc. Ähnlich sieht es auch Sainz: "Sie sollten eine Zehntel schneller sein. Das klingt nicht nach viel, ist es aber über 50 Runden. Mit Undercuts und der Anzahl an Stopps kann aber viel passieren."

Dass ausgerechnet Ferrari von einer Reifenschlacht profitiert, ist aber eher unwahrscheinlich. Der SF-23 ist wie sein Vorgänger kein Kostverächter, wenn es um die sensiblen Pirelli-Pneus geht. Eine Prognose traut sich Leclerc deshalb nicht abzugeben: "Es sieht so aus, als wären wir auf dem richtigen Weg, aber warten wir das Rennen ab." Ärger droht außerdem von hinten: Sergio Perez startet im Reifen-schonenden Red Bull von Platz fünf. Hier im Formel-1-Liveticker aus Japan gibt es heute alle News, Infos und Stimmen.