Nach der Krisensaison 2022 hatten sich die Silberpfeile rund um Toto Wolff, George Russell und Lewis Hamilton hohe Ziele gesteckt. Nach nur einem Rennsieg im vergangenen Jahr sollte 2023 eine Saison der Wiederauferstehung werden. Immerhin: Mit Platz zwei in der Konstrukteurs-WM steht das Team aus Brackley nominell besser dar als noch vor zwölf Monaten. Der Haken daran: Der Rückstand zu Klassenprimus Red Bull ist größer denn je - trotz neuem Konzept.
Ziel vs. Realität:
2023 sollten Rennsiege wieder zur Normalität, nicht mehr zur Ausnahme werden. Fakt ist, bisher hat Mercedes keinen einzigen Sieg sammeln können. Platz zwei von Lewis Hamilton in Barcelona und Melbourne waren das Maximum. Der oberste Platz auf dem Podest war bisher nur Erzrivale Red Bull vergönnt. Platz zwei in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft ist zwar nominell eine Verbesserung zum Vorjahr. Diesen Platz erbten die Silberpfeile aber eher dank eines schlechten Ferrari und einem schwachen Lance Stroll, statt eines großen Performance-Sprungs am W14. Der Aufschluss an die Spitze gelang Toto Wolff und Co. jedenfalls nicht.
Entwicklung 2023:
Für Mercedes war die Saison 2023 ein auf und ab der Gefühle. In Bahrain wartete das große dunkel auf die nun dunklen Silberpfeile. Platz vier in der Hackordnung der Königsklasse. Selbst Aston Martin schien an Mercedes vorbeigezogen zu sein. Lance Stroll schlug George Russell im Rennen - und das trotz angeschlagenem Handgelenk. Seitdem konnten sich die Mannen aus Brackley jedoch steigern. Mit dem in Monaco eingeführten Update begannen James Allison und Co den W14 besser zu verstehen.
Mittlerweile hat der Bolide aus Brackley den AMR23 von Aston Martin hinter sich gelassen. Dafür ist mit dem MCL60 ein neuer Konkurrent im Kampf um Platz zwei in der Hackordnung hinzugekommen. Der Vorteil auf Seiten Mercedes: Mit Lewis Hamilton und George Russell haben die Silberpfeile eine der besten, wenn nicht die beste Fahrerpaarung im Feld in den eigenen Reihen. Selbst wenn das Auto langsam ist, punkten die Fahrer vergleichsweise gut.
Mercedes: Punktesammler mit Aussicht auf Podien
Höhepunkt 2023: Doppelpodium in Barcelona
Ein Wochenende zuvor in Monaco führte Mercedes ein umfangreiches neues Update-Paket am W14 ein. Der Zero-Pod war endgültig Geschichte, ein neues Seitenkasten-Konzept schmückte den Mercedes. In Barcelona war es so weit. Der erste Härtetest für den "W14B" stand an und während die Gesichter nach einem enttäuschenden Freitag noch ernüchtert wirkten, änderte sich dieser Gesichtsausdruck am darauf folgenden Sonntag schnell. George Russell startete das Rennen auf Platz zwölf hinter Sergio Perez und kam vor dem Red-Bull-Piloten auf Position drei ins Ziel. Der deutlich weiter vorne gestartete Lewis Hamilton arbeitete sich an Lance Stroll und Carlos Sainz vorbei und fuhr einen deutlichen zweiten Platz ins Ziel. Selbst der Abstand zu Max Verstappen schien geringer denn je - wuchs in den darauffolgenden Rennen jedoch wieder an.
Tiefpunkt 2023: Strafen-Chaos in Österreich
Nach dem Aufschwung in Spanien und Kanada folgte in Österreich der Dämpfer für Mercedes. Während die Silberpfeile in Spanien noch klare zweite Kraft und in Kanada immerhin auf Augenhöhe mit Aston Martin operierten, fielen sie in der Steiermark wieder hinter die eigenen Erwartungen. Ein achter Platz im Sprint für George Russell und P7 und 8 im Rennen ergaben das bis jetzt Punkteschwächste Wochenende des Jahres - und das trotz zusätzlichem Sprint.
Nur elf Punkte sammelte Mercedes. Lewis Hamilton verlor dank einer nachträglichen 10-Sekunden-Zeitstrafe aufgrund missachteter Track-Limits seinen siebten Platz an Teamkollege George Russell. Kein Punktverlust für das Team, aber ein Vorfall, der ein vollkommen verpatztes Mercedes-Wochenende untermalte.
Das Faher-Duell: Lewis Hamilton schlägt zurück
Lewis Hamilton:
WM: 4. Platz (148 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 2,19 (3. Platz)
Das Jahr 2022 zählte Lewis Hamilton zu den drei schlechtesten seiner Karriere. 2023 wird, sollte kein immenser Leistungsabfall in der zweiten Saisonhälfte folgen, definitiv nicht im selben Atemzug genannt werden. Nach zwölf absolvierten Rennen hat Hamilton Teamkollege Russell klar im Griff. In der Fahrer-Weltmeisterschaft liegt er 49 Punkte vor Russell und auch im Qualifying und Renn-Duell hat der Veteran die Oberhand. Auf seiner Paradestrecke in Ungarn konnte der siebenfache Weltmeister dazu seine 104. Karriere-Pole einfahren, vermutlich das Highlight seiner bisherigen Saison. Nur der 104. Rennsieg bleibt ihm weiterhin verwehrt - den einzufahren dürfte mit dem W14 jedoch schwierig werden.
George Russell:
WM: 6. Platz (99 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 2,57 (8. Platz)
2022 war George Russell der aufstrebende Stern am Mercedes-Himmel. Erster Rennsieg in Brasilien, erste Pole-Position in Ungarn und Rekordweltmeister Lewis Hamilton schon im Debüt-Jahr bei den Silberpfeilen in der Weltmeisterschaft hinter sich gelassen. Auch 2023 begann für Russell gut. In Saudi-Arabien schlug der einmalige Grand-Prix-Sieger den siebenfachen Weltmeister und auch in Australien führte Rusell das Rennen bis zu seinem Defekt an, danach folgte allerdings ausschließlich Ernüchterung. An den folgenden Wochenenden, insbesondere ab dem großen Update-Paket in Monaco verlor Russell immer mehr an Boden. Dazu kamen Pech im Qualifying von Ungarn oder eigene Fehler, beispielsweise in Kanada, wo Russell seinen W14 nicht vor einem Einschlag in die Mauer retten konnte. Nach zwölf Rennen ist die Saison für George Russell eher gebraucht. Noch hat er zehn weitere Rennen Zeit, um sich zu rehabilitieren. Denn den grundsätzlichen Speed kann Russell auch 2023 niemand absprechen.
Fazit und Ausblick:
Der zweite Platz in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft scheint gesichert. Mit 51 Punkten Vorsprung auf Aston Martin, deren Entwicklung zu stagnieren droht, haben die Silberpfeile ein Puffer auf die Konkurrenz. Dazu sind die Grünen derzeit ein Ein-Mann-Team, Fernando Alonso holte über 100 Punkte mehr als Lance Stroll, Mercedes hat zwei konkurrenzfähige Piloten. Die hat Ferrari zwar auch, allerdings sind die fehleranfälliger. Das gilt auch für das Team aus Maranello selbst. McLaren hat noch immer den schlechten Saisonstart im Rücken und trudelt trotz mittlerweile ebenbürtiger bis besserer Performance noch viele Punkte hinter der Konkurrenz um Platz zwei.
Dazu punkten George Russell und Lewis Hamilton zu konstant, das Team selbst macht keine großen Fehler. Lediglich die Boxenstopps scheinen ausbaufähig, im Schnitt verliert Mercedes sechs Zehntel pro Stopp auf Red Bull, zwei bis drei Zehntel auf Ferrari, McLaren und Co. Den zweiten Platz in der Weltmeisterschaft dürfte das allein jedoch wohl kaum kosten.
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