Die Entscheidung des Audi-Vorstands um den scheidenden CEO Markus Duesmann, nach 2023 die langjährige Werksunterstützung für Kundenteams bei prestigeträchtigen Programmen wie der DTM und den großen 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring oder in Spa-Francorchamps einzustellen, hat im Umfeld von Audi Sport customer Racing eingeschlagen wie eine Bombe.

Da Audi nach dem Jahr 2024 auch das Werksprogramm bei der Rallye Dakar beendet, bleibt auf lange Sicht im professionellen Motorsport 'nur' noch der angekündigte Formel-1-Einstieg für 2026. Es ist eine Zäsur in der 40-jährigen Motorsportgeschichte des Autobauers aus Ingolstadt, der auf prestigeträchtige Erfolge in der Rallye-Weltmeisterschaft, bei den 24 Stunden von Le Mans, in der DTM, der Formel E oder zahlreichen Kundensport-Programmen zurückblickt.

Audi-Kundenteams üben deutliche Kritik an Vorstands-Entscheidung

Der Vorstands-Entscheid der Audi AG, den Werkssport sowie werksunterstütze Engagements bis zum geplanten F1-Engagement in zweieinhalb Jahren komplett zu kappen, hat großes Unverständnis in der Rennsport-Szene und bei vielen Audi-Kundenteams hervorgerufen. Die Kritik zahlreicher Teamchefs explizit am Vorstand auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com ist mehr als deutlich.

Ebenso wollte keiner der aktuellen Teamverantwortlichen eines Audi-Kundenrennstalls eine mögliche Zukunft mit Audi-Rennwagen ausschließen. Zwar fällt die wichtige finanzielle Unterstützung des Werks künftig flach, doch die technische Unterstützung, der Ersatzteile-Service auch vor Ort sowie die generelle Kunden-Betreuung bleiben erhalten.

"Audi Sport customer racing wird nicht abgewickelt oder zugesperrt", betonte Audi-Motorsportchef Rolf Michl im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Motorsport-Magazin.com hat nach dem Motorsport-Beben aus der Ingolstädter Vorstandsetage mit zahlreichen bekannten Teamchefs und Verantwortlichen von Audi-Kundenteams gesprochen und deren Reaktionen zusammengetragen.

Ernst Moser: "Duesmann hat Audi Motorsport einen Scherbenhaufen hinterlassen"

Ernst Moser, langjähriger Teamchef Phoenix Racing/Scherer-PHX: "Ich denke, es hängt an Personen, die entschieden haben, Formel 1 zu machen und die dabei nicht daran gedacht haben, was Audi über viele Jahre mit tollen Autos ausgezeichnet und bewirkt hat. Ich bin enttäuscht von Leuten, die solche Entscheidungen treffen und nicht daran denken, was Audi mit Motorsport jahrzehntelang aufgebaut hat."

"Der Audi-Slogan 'Vorsprung durch Technik' war über viele Jahre ein Sprungbrett, Technologien, die, im Motorsport erprobt wurden, in die Serienentwicklung einfließen zu lassen. Dann kommt jemand, der meint, alles neu erfinden zu müssen. Da werden persönliche Egos über alles andere gestellt. Das Schlimme an der Entscheidung ist, dass Herr Duesmann schon bald wieder weg ist und Audi Motorsport einen großen Scherbenhaufen hinterlassen hat. Aus meiner Sicht ist es eine unmögliche Entscheidung, die sicher nicht nur mir bitterlich weh tut!"

Scherer-PHX-Audi beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Audi
Scherer-PHX-Audi beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Audi

Wolfgang Land: "Entscheidung der Audi AG nicht nachvollziehbar"

Wolfgang Land, Teamchef Audi Sport Team Land: "Die Audi AG hat eine Entscheidung getroffen, die für mich nicht nachvollziehbar ist. Sie ist ein ganz schlechtes Signal für den gesamten Motorsport. Die Entscheidungsträger wissen heute offensichtlich noch nicht, was das für die Zukunft bedeutet. Es hätte für Audi sicher Möglichkeiten gegeben, beispielsweise ein Hybrid-Auto für den Motorsport zu entwickeln. Das Thema E-Mobilität und Rennsport ist für mich nur Augenwischerei und keine Alternative, solange es den Verbrenner noch gibt. Viel wichtiger wäre es, sich alternativ auf E-Fuel zu fokussieren."

"Für uns ist sehr schade, dass es nun keine strategischen Einsätze und keine von Audi Sport gestellten Fahrer mehr gibt. Aber, und das ist positiv: Audi Sport customer racing existiert weiter, der Ersatzteil-Support ist gewährleistet und auch das Stellen von Ingenieuren soll zukünftig gesichert sein. Wir haben drei eigene und weitere drei Kunden-R8 LMS GT3. Ich glaube, dass man damit auch zukünftig Rennen gewinnen und erfolgreich sein kann. Die Voraussetzungen sind nicht so schlecht, wie man momentan vielleicht denken könnte."

Land-Audi beim 24h-Rennen Nürburgring 2023, Foto: Audi
Land-Audi beim 24h-Rennen Nürburgring 2023, Foto: Audi

Peter Schmidt: "Entscheidung der Audi AG völlig unverständlich"

Peter Schmidt, Teamchef Audi Sport Team Car Collection: "Für mich ist die Entscheidung der Audi AG völlig unverständlich, weil die Gelder wohl für das Formel-1-Projekt gebündelt werden müssen. Wenn man die Historie von Audi im Motorsport kennt, fragt man sich, wie es dazu kommen konnte. Es hieß doch immer, Audi betreibt Motorsport wegen Kundenbindung zu den Serienfahrzeugen. Das bringt sicher mehr, als sich in der Formel 1 oder der Rallye Dakar zu engagieren. Ich muss die Enttäuschung über diese Entscheidung erst noch verdauen."

"Aufgrund der sich abzeichnenden Lage bei Audi Sport haben wir ein Parallelprogramm mit Porsche auf die Beine gestellt. Trotzdem wurden von unserer Seite zuletzt noch zwei neue Audi R8 LMS GT3 gekauft, und die wollen wir mit unseren anderen Audis auch über 2023 hinaus weiterhin einsetzen. Von den reinen Runningkosten (nach Laufzeit) ist das GT3-Auto von Audi das kostengünstigste auf dem Markt. Das ist ein sehr wichtiges, unschlagbares Argument."

"Bezüglich der Anzahl an Fahrzeugen in verschiedenen Rennserien waren wir 2022 das größte Audi-Team. Wir haben die enge und freundschaftliche Zusammenarbeit, die auch mit viel Herzblut verbunden ist, genossen."

Car-Collection-Audi auf der Nürburgring-Nordschleife, Foto: Ferdi Kräling Motorsport-Bild GmbH
Car-Collection-Audi auf der Nürburgring-Nordschleife, Foto: Ferdi Kräling Motorsport-Bild GmbH

Arkin Aka: "Hoffentlich reißt der neue Audi-Vorstandsvorsitzende das Ruder rum"

Arkin Aka, Teamchef Attempto Racing: "Ich kann die Entscheidung des alten Audi-Vorstands nicht nachvollziehen, aber es bestätigt mich, dass Herr Duesmann das Unternehmen (zum 01.09.2023, d. Red.) nicht ohne Grund verlassen muss. Mir tun alle Mitarbeiter der Audi-Sport-Familie unendlich leid, weil sie so viel Elan, Engagement und Herzblut in die Projekte gesteckt haben."

"Ich hoffe, dass der neue Audi-Vorstandsvorsitzende (Gernot Döllner, d. Red.) das Ruder noch einmal herumreißt und die Marke Audi Sport dorthin manövriert, wo sie schon einmal war - an der Spitze!"

"Für uns als Team wird sich nicht viel ändern. Ein Einsatz in der DTM und bei 24h-Rennen wird jetzt natürlich schwieriger werden, aber ich sehe trotzdem Möglichkeiten der Fortsetzung unserer Programme. Wichtig ist, dass Audi Sport customer racing auch weiterhin existiert. Ich werde zukünftig auch ohne Audi-Sport- und Werksfahrer versuchen, jungen Talenten die Möglichkeit zu bieten, sich bei uns zu entwickeln."

Attempto-Audi in der DTM 2023, Foto: DTM
Attempto-Audi in der DTM 2023, Foto: DTM

Martin Tomczyk: "Positiv, dass Audi Sport customer racing weiterbesteht"

Martin Tomczyk, Motorsportdirektor Abt Sportsline: "Zunächst einmal ist es eine positive Nachricht, dass Audi Sport customer racing weiterbesteht und die Teileversorgung und der technische Support auch in Zukunft gewährleistet ist. Das gibt uns grundsätzlich die Option, weiter mit Audi in der DTM zu starten. Wir als Team haben nun Klarheit und werden in intensive Gespräche mit Audi und unseren Partnern gehen, wie es für uns weitergeht. ABT und Audi gehören in der DTM seit 24 Jahren zusammen. Das ist einzigartig. Aber natürlich beschäftigen wir uns auch mit anderen Szenarien."

Manuel Reuter: "Verlust für den internationalen GT-Sport"

Manuel Reuter, Sportdirektor Engstler Motorsport: "Wir bedauern die von der Audi AG getroffene Entscheidung, dennoch müssen wir sie akzeptieren. Der Rückzug eines so renommierten und erfolgreichen Herstellers aus werksunterstützten Kundensport-Programmen ist zweifelsfrei ein Verlust für den internationalen GT-Sport. Die Zusammenarbeit mit Audi war und ist für uns von großer Bedeutung. Wir sind stolz darauf, Teil davon zu sein und müssen nun abwarten, was die Zukunft uns bringt."