Ferrari verabschiedete sich beim Großen Preis von Spanien vom alten Seitenkasten-Konzept und brachte das angekündigte Upgrade-Paket nach Barcelona. Anstelle der 'Badewannen' folgt auch die Scuderia Mercedes und überarbeitete die Seitenkästen in Richtung jener von Red Bull und Aston Martin.

Trotz der Neuerungen konnte Ferrari beim Spanien GP keinen Erfolg feiern. Teamchef Fred Vasseur bleibt aber optimistisch: Eine komplett neue Version des SF-23 kommt für ihn nämlich nicht infrage. "Wir müssen nicht wieder bei null anfangen. Solange ich überzeugt bin, dass wir das aktuelle Auto verbessern können, wäre es ein Fehler, das Ziel während der Saison komplett zu ändern", so Vasseur.

Dabei spielt insbesondere der Zeitfaktor eine große Rolle. Im Windkanal wird bereits an der 2024er-Version des Autos gearbeitet. "Ein komplett anderes Auto einzuführen, ist in dieser Phase der Saison ziemlich schwierig", sagt der Teamchef. Ferraris Chefingenieur Jock Clear verriet vor kurzem, dass das Team zwar - in Sachen Weiterentwicklung - ein Auge auf die anderen hat, aber Kopien vom schnellsten Auto fast unmöglich sind.

Ferrari: Müssen von dem lernen, was andere machen

Ferrari ließ sich beim Upgrade von Red Bull inspirieren, Foto: LAT Images
Ferrari ließ sich beim Upgrade von Red Bull inspirieren, Foto: LAT Images

"Wenn die Teams ihre Autos launchen, sind sie komplett überzeugt", so Clear über das alte Ferrari-Konzept. Doch sobald die Saison startet, liegt der Fokus vorerst auf den anderen Teams. Denn dann heißt es: Wer hat das schnellste Auto? Schon bei den Wintertests 2023 war klar: Das zu jagende Team ist Red Bull. "Und sobald die Dominanz von Red Bull deutlich wurde, muss man natürlich sehr genau hinschauen."

Alle Augen waren damit auf dem RB19. "Dann müssen wir alle von dem lernen, was andere machen", so der Ferrari-Chefingenieur. Gleichzeitig stellt er klar: "Wir kopieren niemanden per se." Eine exakte Kopie des Red Bulls sei nämlich unmöglich. "Wir schauen uns an, was sie gemacht haben. Dann gehen wir zurück in unseren Windkanal und probieren aus, ob das funktioniert."

Strukturell gesehen gibt es bei den Boliden von Red Bull, Aston Martin & Co. zu große Unterschiede, um die Konzepte einfach zu kopieren. "Man ist diszipliniert genug, um nicht gleich in die Knie zu gehen und sich auf sein Auto zu stürzen, weil es nicht funktionieren wird", sagt Clear. Das Motto? Testen, Testen, Testen. "Man muss sich ein paar Monate Zeit nehmen, um es [die Upgrades] mit dem Auto zum Laufen zu bringen."

Doch auch hier haben die Teams keine Narrenfreiheit. "Es gibt eine Million Möglichkeiten, die Probleme zu lösen. Und man kann sie nie alle abdecken", so der Ferrari-Chefingenieur. Mit der eingeschränkten Windkanalzeit und der Budgetobergrenze bleibt kein großer Spielraum zum Testen der verschiedenen Möglichkeiten. "Man kann sich keine einmaligen Aktionen leisten, bei denen man denkt: 'Das können wir ja mal ausprobieren'."

Ferrari über Entwicklung: Seitenkasten-Design hat keine Priorität

Ferraris neue Seitenkästen beim Spanien GP, Foto: Motorsport-Magazin.com
Ferraris neue Seitenkästen beim Spanien GP, Foto: Motorsport-Magazin.com

Optisch gesehen ähneln die neuen Ferrari-Seitenkästen jedenfalls denen der Bullen. Doch das Design sei im Entwicklungs-Prozess nur zweitrangig. "Der Seitenkasten - was man von außen sieht - ist wahrscheinlich nicht der primäre Treiber. Ich denke, es ist ein sekundärer Teil", so Clear. "Was man mit der Strömung und dem Diffusor macht, bestimmt, woher der Abtrieb kommt."

Laut Ferrari liegt der Fokus anfangs auf dem Unterboden - erst dann werden die Seitenkästen angepasst. "Man schaut sich also nicht andere an und sagt, wir brauchen diese Seitenkästen, sondern man schaut sich an, was am Boden um das Hinterrad herum passiert", erklärt der Ferrari-Chefingenieur. Zum Vorteil der Scuderia: Erst in Monaco konnten alle einen Blick auf den Red-Bull-Unterboden werfen.

Ferrari: Können Red-Bull-Unterboden nicht genau kopieren

Red Bulls Unterboden beim Monaco-Qualifying, Foto: LAT Images
Red Bulls Unterboden beim Monaco-Qualifying, Foto: LAT Images

Nachdem Sergio Perez seinen RB19 in der Streckenbegrenzung versenkt hatte, musste der Red Bull mit einem Kran aus dem Leitplankendschungel geborgen werden. Zum Nachteil der Bullen: Der Unterboden wurde den anderen Teams auf dem Silbertablett serviert.

"Jetzt, wo wir jeden Aspekt des Red Bulls in Monaco gesehen haben, können wir ihn sicher alle kopieren", so Clear. Das wäre zumindest die Theorie. Ganz so einfach ist es in der Praxis aber nicht. "Es gibt bestimmte Strukturen und Einschränkungen bei unserem Chassis und unserem Auto", sagt der Ferrari-Chefingenieur. Ferrari kann den eignen Unterboden nicht einfach durch den von Red Bull ersetzen.

"Das ist der Punkt, an dem wir alle mit dem arbeiten müssen, was wir strukturell haben, und das ist die Herausforderung, warum nicht jeder den Red Bull kopiert", erklärt Clear. Das Team aus Maranello kann sich lediglich vom Unterboden inspirieren lassen, muss am Ende des Tages aber eine eigene Lösung finden.

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Team-Tabelle

  • 1. Red Bull/Honda RBPT (287 Punkte)
  • 2. Mercedes (152 Punkte)
  • 3. Aston Martin/Mercedes (134 Punkte)
  • 4. Ferrari (100 Punkte)
  • 5. Alpine/Renault (40 Punkte)
  • 6. McLaren/Mercedes (17 Punkte)
  • 7. Haas/Ferrari (8 Punkte)
  • 8. Alfa Romeo/Ferrari (8 Punkte)
  • 9. AlphaTauri/Honda RBPT (2 Punkte)
  • 10. Williams/Mercedes (1 Punkt)