Die Formel 1 2023 hat ein kleines Image-Problem. Die meisten Kameras sind auf die dominanten Vorstellungen von Red Bull und Max Verstappen gerichtet, die scheinbar ungefährdet Richtung Weltmeisterschaft unterwegs sind. Dabei geht ganz unter, wie knapp es auf den Positionen dahinter aussieht. Vor allem das Mittelfeld besticht mit unvorhersehbaren Kräfteverhältnissen und engen Zeitabständen. Deshalb hier in der Übersicht: Die Stärken und Schwächen der Mittelfeld-Teams. Wer wird 'Best of the Rest'?

Zunächst müssen wir aber einmal definieren, was das Mittelfeld in der Formel-1-Saison 2023 überhaupt bedeutet. Vor dem Beginn der Saison ging man noch davon aus, dass der Mittelfeld-Kampf jener um P4 sein würde. Aston Martin zerstörte mit seinem rapiden Aufstieg diese Vorstellung und kann nun neben Ferrari, Mercedes und Red Bull zu den Topmannschaften gerechnet werden. Es geht also um Platz 5. Zwischen Mittelfeld und Hinterbänkler fällt eine klare Abgrenzung umso schwerer: Sie verläuft wohl irgendwo rund um Haas und Alfa Romeo.

McLaren

Stärke: Talent
Die Fahrerpaarung bei McLaren ist vielversprechend. Die Qualitäten von Lando Norris stehen sowieso außer Zweifel, Oscar Piastri gilt zudem nicht umsonst als absolutes Toptalent und konnte bereits in den ersten drei GPs vereinzelt aufblitzen lassen, warum McLaren ihn von Alpine abgeworben hatte. Vor allem im Laufe der Saison ist bei dem ehemaligen F2-Champion mit einer schnellen Formsteigerung zu rechnen, in den kommenden Jahren erst recht.

Schwäche: Performance
Genauso wie Alpine (dazu später mehr) fand McLaren bislang mehrere teils kuriose Wege, um die eigene Pace nicht auszuschöpfen. Ein Katastrophen-Wochenende in Bahrain wurde von Defekten begleitet, in Saudi-Arabien zerstörte ein kleiner Frontflügel-Schaden gleich beiden Fahrern das Rennen. In Australien konnte man hingegen den Scherbenhaufen der Alpine-Kollision abstauben.

Die 55 Runden davor führten den Papaya-Orangenen aber vor Augen, dass auch was die Wagen-Performance angeht, noch viel Aufholbedarf besteht. Teamchef Andrea Stella stellte bereits ein umfangreiches Upgrade-Programm in Aussicht. Ab Baku kommen die ersten Upgrades, eine B-Spec-Version soll zu Saisonmitte folgen.

Alpine

Stärke: Pace
Wird es überhaupt einen Kampf um die fünfte Position in der Konstrukteurs-Meisterschaft geben? Alpine hatte es im bisherigen Saisonverlauf immer in der Hand, sich einen Punktepolster auf die direkten Konkurrenten aufzubauen. Was das Team daraus machte, ist ein anderes Kapitel.

Mit dem A523 gelang zwar nicht der ganz große Wurf, aber die Lücke zu Ferrari und Mercedes konnte auf jeden Fall ein Stück weit geschlossen werden. In Australien war Gasly sogar auf Augenhöhe mit den Roten unterwegs und hielt Sainz lange in Schach. McLaren und Haas konnten was die reine Rennpace anging in keinem der ersten drei GPs Schritt halten.

Schwäche: Individuelle Fehler
Wenn man mit dem klar fünftschnellsten Paket nur auf P6 in der Konstrukteurs-Wertung liegt, muss einiges schiefgelaufen sein. Und genau das war bei Alpine auch der Fall. Dabei können die Franzosen der im Vorjahr anfälligen Zuverlässigkeit überhaupt keinen Vorwurf machen. Sowohl der Renault-Motor als auch der restliche A523 blieben defektfrei.

Der zerstörte Alpine von Esteban Ocon: Der teaminterne Unfall kostete den Franzosen viele Punkte, Foto: LAT Images
Der zerstörte Alpine von Esteban Ocon: Der teaminterne Unfall kostete den Franzosen viele Punkte, Foto: LAT Images

Vielmehr kostete eine Serie an individuellen Missgeschicken wertvolle Punkte und zwar auf beiden Seiten der Garage als auch in der Box. Pierre Gasly verbockte in Bahrain das Qualifying und konnte so nur Schadensbegrenzung betreiben. In Australien riss er mit einem Fehler beim Restart gleich beide Alpine-Fahrer ins Verderben. Esteban Ocon hingegen leistete sich in Bahrain zwei kleine Fehler, was ihm in Kombination mit einer falsch abgesessenen Zeitstrafe (Teamfehler) das Rennen kostete.

Haas

Haas sitzt in der Formel-1-Saison 2023 zwischen den Stühlen. Das US-Team kämpft genauso viel (und genauso wenig) gegen Platz 10 als auch um die Mittelfeld-Krone. Zeitweise ist es mit zumindest einem Fahrer im vorderen Mittelfeld unterwegs, zeitweise messen sich die Haas-Piloten mit den Hinterbänklern. Deshalb kommt der Rennstall rund um Teamchef Günther Steiner in unserer Übersicht zum Kampf um die rote Laterne genauso vor, wie hier in der Übersicht zum Mittelfeld-Kampf.

Stärke: Qualifying
Auf eine Runde ist Haas definitiv auf den vorderen Mittelfeld-Positionen beheimatet. Im Durchschnitt war der jeweils schnellere Haas-Pilot, also bislang immer Nico Hülkenberg, auf seiner schnellsten Qualifying-Runde sogar der beste Mittelfeld-Fahrer. Alpine hat einen hauchdünnen Rückstand von 0,06 Prozent aufgerissen, McLaren liegt nochmal deutlich dahinter. Zwei Q3-Einzüge und ein elfter Startplatz sprechen für sich. Bislang lief der VF-23 am Samstag auf sämtlichen Strecken gut.

Nico Hülkenberg: Ist bislang im Qualifying Alleinunterhalter bei Haas, Foto: LAT Images
Nico Hülkenberg: Ist bislang im Qualifying Alleinunterhalter bei Haas, Foto: LAT Images

Schwäche: Rennpace
In der Übersicht zum Kampf gegen P10 nannten wir an dieser Stelle noch die Fahrzeug-Entwicklung. Falls Haas aber tatsächlich das Mittelfeld anführen will, ist eine kontinuierliche Entwicklungsarbeit sowieso eine Grundvoraussetzung. Zusätzlich dazu muss an kleineren Details gefeilt werden und davon gibt es in Kannapolis eine Reihe. Bislang konnte mit Hülkenberg nur ein Fahrer wirklich beeindrucken. Kevin Magnussen blieb größtenteils hinter den Erwartungen zurück.

Doch auch Hülkenberg musste sich damit abfinden, dass sein Bolide im Rennen nicht mehr so gut lief, wie noch auf eine Runde. Zwar war der Reifenverschleiß nicht immer ganz so dramatisch, wie es das Team befürchtete, am Sonntag befand sich die Haas-Performance dennoch immer klar hinter jener von Alpine.

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Team-Tabelle

  • 1. Red Bull (123 Punkte)
  • 2. Aston Martin (65 Punkte)
  • 3. Mercedes (56 Punkte)
  • 4. Ferrari (26 Punkte)
  • 5. McLaren (12 Punkte)
  • 6. Alpine (8 Punkte)
  • 7. Haas (7 Punkt)
  • 8. Alfa Romeo (6 Punkte)
  • 9. AlphaTauri (1 Punkt)
  • 10. Williams (1 Punkt)