Red Bull ist seit knapp einem Jahr in der Formel 1 die Messlatte, und hat seit Beginn der neuen Regel-Ära nur fünf von 25 Grands Prix nicht gewonnen. 2023 macht der RB19 da weiter, wo man im Vorjahr aufgehört hatte. Besonders im Fokus steht Red Bulls DRS.

"Es ist ein mega-großer DRS-Effekt, größer als bei allen anderen", stellt Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur nach drei Rennen nun erneut fest. Viel hatten Red Bulls Gegner im Winter gegrübelt und gebastelt, um ein massives Topspeed-Defizit zu überbrücken. Doch kaum ging es 2023 zurück auf die Strecke, scheint sich nichts verändert zu haben. Die Sorgen bei Ferrari und Mercedes nehmen nun zu.

Lewis Hamilton strich in Saudi-Arabien nach dem Rennen hervor: Besonders wenn am Red Bull RB19 das DRS aktiviert wird, scheinen sich krasse Unterschiede zu zeigen. Hamilton war baff, als er in Saudi-Arabien überholt wurde: "Er kam mit so hoher Geschwindigkeit, da habe ich mir nicht einmal die Mühe gemacht zu blocken."

Die Telemetriedaten offenbarten: Max Verstappen gewann durch das Öffnen des DRS beinahe 33 km/h. Kein Team wird um so viel schneller. Wer tiefer in die Daten gräbt und auch Qualifying-Runden der Teams gegenüberstellt, sieht schnell, dass Red Bull viel Zeit in DRS-Passagen macht.

DRS-Daten zeigen harte Realität für Ferrari & Mercedes

Als aktueller Maßstab dient die Highspeed-DRS-Passage im hinteren Streckenteil von Australien, entlang des Seeufers. Ein Red Bull klappte hier im Schnitt bei 293 km/h das obere Flügelelement auf, und hatte wenige Sekunden später beim Anbremsen für die nächste Kurve 324 km/h drauf. Ein Zugewinn von 31 km/h. Der RB19 war das einzige Auto, dass es hier auf ein Plus von mehr als 30 km/h brachte.

Max Verstappen an der schnellsten Stelle in Australien, Foto: LAT Images
Max Verstappen an der schnellsten Stelle in Australien, Foto: LAT Images

"Wir müssen verstehen, wie sie das schaffen", ist Ferrari-Teamchef Vasseur alarmiert. Seine Techniker verbrachten den ganzen Winter damit, dem neuen SF-23 einen höheren Topspeed anzutrainieren. Hier hatte die Scuderia im Vorjahr zu kämpfen. In Australien gewann das Auto im eben genannten DRS-Bereich aber nur 25,5 km/h im Schnitt. Auf Red Bull fehlten 5,5 km/h.

Mercedes hat noch mehr Gründe zur Sorge. Der W14 wurde mit 299 km/h, also der zweithöchsten Einfahrtsgeschwindigkeit gemessen, kam aber nur mit 322 km/h in der nächsten Kurve an. Ein magerer Zugewinn von 23 km/h. "Ihr Vorteil mit offenem DRS ist kaum zu glauben", so Teamchef Toto Wolff in Richtung Red Bull.

Red Bulls DRS - ein Trick, oder einfach nur besser?

Es gilt aber Vorsicht zu wahren, ehe man sich darauf versteift, dass Red Bull einen Trick beim DRS-System gefunden haben könnte. Vergleicht man direkt mit Mercedes, mag die Lücke groß sein. Doch nimmt man alle zehn Teams her, ist das Feld gut verteilt. Der Haas von Nico Hülkenberg führte an der Passage die Topspeed-Werte an, und der VF-23 gewann mit offenem DRS auch respektable 28,5 km/h.

Der Zugewinn durch das Öffnen des DRS, also das Hochklappen des oberen Heckflügel-Hauptelements, darf auch nicht in einem technischen Vakuum gesehen werden. Wie so oft in der Formel 1 ist es ein Zusammenspiel vieler aerodynamischen Elemente auf dem Auto.

Red Bull gilt seit dem Vorjahr als besonders effizientes Design. "Effizienz" bezieht sich schlicht darauf, dass ein Auto mit möglichst wenig Luftwiderstand möglichst viel Abtrieb generiert. Die schnellen Runden von Red Bull untermauern das seit letztem Jahr. Das Auto gewinnt viel Zeit auf den Geraden, verliert aber nicht signifikant in den Kurven.

Auf dem Highspeed-Kurs von Saudi-Arabien konnte es sich Red Bull zuletzt leisten, den Beam-Wing - jene Flügelelemente, die unterhalb des Heckflügels angebracht sind - deutlich zu verkleinern. Verbesserungen und Umbauten der ersten drei Wochenenden implizieren weiter, dass die Red-Bull-Designer rund um Adrian Newey schlicht ein besseres Verständnis der neuen Regeln haben.

Die anderen Teams müssen aufholen. Wobei sich zumindest Ferrari auf gutem Weg wähnt. "Wir haben erwartet, es mehr zu kompensieren, aber die Lücke war auch schon größer", ist Teamchef Vasseur überzeugt. In Bahrain zeigte der Ferrari tatsächlich einen Fortschritt, war sogar im DRS-Bereich das beste Auto. Im Vorjahr hatte er auf Red Bull 3 km/h verloren.

Der alte Ferrari-Heckflügel zum Saisonstart, Foto: Motorsport-Magazin.com
Der alte Ferrari-Heckflügel zum Saisonstart, Foto: Motorsport-Magazin.com
Die einzelne Mittelstrebe des Ferrari-Heckflügels, an dem auch das DRS-System hängt, Foto: Motorsport-Magazin.com
Die einzelne Mittelstrebe des Ferrari-Heckflügels, an dem auch das DRS-System hängt, Foto: Motorsport-Magazin.com
Der Red-Bull-Heckflügel in Australien, Foto: Motorsport-Magazin.com
Der Red-Bull-Heckflügel in Australien, Foto: Motorsport-Magazin.com

In den letzten zwei Rennen wurde weiter gebastelt. Ein neuer Heckflügel mit nur einer statt zwei Mittelsäulen, der in Bahrain noch Stabilitätsprobleme hatte, ist inzwischen endlich einsatzbereit. Bislang hat das Team ohnehin noch nicht das ideale Abtriebs-Fenster für den SF-23 gefunden. Die Probleme unterstreichen die Abhängigkeit der vielen Komponenten eines F1-Autos voneinander. Als sich Ferrari in Australien mehr in Richtung Rennpace orientierte, musste man Topspeed opfern.

Das Ferrari-DRS bleibt eine Baustelle, räumt Vasseur ein: "Sicher, wir haben Raum für Verbesserungen hier. Sie machen irgendwas anders. Besser auf jeden Fall. Aber wir sind dran."

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Team-Tabelle

  • 1. Red Bull (123 Punkte)
  • 2. Aston Martin (65 Punkte)
  • 3. Mercedes (56 Punkte)
  • 4. Ferrari (26 Punkte)
  • 5. McLaren (12 Punkte)
  • 6. Alpine (8 Punkte)
  • 7. Haas (7 Punkt)
  • 8. Alfa Romeo (6 Punkte)
  • 9. AlphaTauri (1 Punkt)
  • 10. Williams (1 Punkt)