Mit nur 20 Cockpits ist die Königsklasse ein hart umkämpftes Ziel. Nicht jede Nachwuchshoffnung ist automatisch ein Anwärter für einen Sitz in der Formel 1. Die Teams erwarten von den Sprösslingen vor allem eines: Eine Glanzleistung in den Nachwuchskategorien. Seit der Einführung der Superlizenz haben die Piloten nahezu keine Möglichkeit, Kategorien im Formelsystem zu überspringen.
Gerade deshalb stehen die Piloten der Formel 3 und Formel 2 unter genauer Beobachtung. Die Formel-1-Teams unterstützen den Nachwuchs zwar mit ihren Juniorenprogrammen, doch neben den Superstars bleiben auch viele Junioren auf der Strecke.
Insbesondere die Ausbildung Red Bulls stellte sich als harte Schule heraus. Zahlreiche Piloten hatten die Chance, das Red Bull Junior Team zu durchlaufen. Ohne die gewünschte Performance landete der Nachwuchs aber schnell wieder auf dem Abstellgleis. Die Mehrheit der 70 ehemaligen Red-Bull-Junioren musste somit ihren Formel-1-Traum begraben. Andere versuchten ihr Glück bei den Programmen der anderen Teams. Motorsport-Magazin blickt auf die gescheiterten Nachwuchshoffnungen der anderen Formel-1-Juniorenprogramme zurück.
Marcus Armstrong: Ferrari Driver Academy ist eine Sackgasse
Neben dem Red Bull Junior Team hatte auch Ferrari in der Vergangenheit zahlreiche erfolgreiche Talente in den Nachwuchsklassen der Formel 1. So verlor Callum Ilott in der Formel-1-Saison 2022 die Meisterschaft nur knapp gegen Mick Schumacher. Beide Piloten befanden sich zu diesem Zeitpunkt in der Talentschmiede der Scuderia. Noch im gleichen Jahr wurden Ilott und Schumacher bei Haas und Alfa Sauber als Testfahrer unter Vertrag genommen. Der Brite und der Deutsche standen somit in direkter Konkurrenz. Am Ende reichte es jedoch nur für einen: Mick Schumacher. Neben einer Ersatzfahrerrolle bei Alfa Sauber wechselte der Brite 2021 in die IndyCar Serie und blieb dieser auch seither erhalten. Der Traum der Königsklasse ist für ihn somit vorbei.
Mit Raffaele Marciello, Antonio Fuoco, Giuliano Alesi und Marcus Armstrong konnte Ferrari noch vier weitere Piloten in die Vorstufe der Königsklasse begleiten, aber auch für sie endete der Traum schon früh. Die Nachwuchsfahrer konnten sich in den Juniorenkategorien nicht gegen ihre Konkurrenz beweisen. Auch Marcus Armstrong machte es Ilott gleich und wechselte in die IndyCar Serie. "Wir [Callum Ilott und Marcus Armstrong] haben zusammengelebt und haben über diese Dinge täglich diskutiert, wir wussten, dass es [Ferrari Driver Academy] eine Sackgasse war. Es war keine Überraschung, wenn überhaupt wussten wir, was passieren wird", so Armstrong im Interview mit Feeder Series über den Rausschmiss bei der Ferrari Driver Academy.
Alpine Academy: Konzept ohne Erfolg
Alpine (ehem. Renault) zählt in ihrem Nachwuchskader inzwischen schon 27 Junioren, die die Formel 1 nie erreichten. In der Vergangenheit erfolgte die Auswahl der Talente jedoch nicht wie bei den Juniorenprogrammen der anderen Teams, bei der Aufnahme in die Akademie handelte es sich um einen Hauptpreis. Hat ein Pilot die Formel-Renault-Meisterschaft gewonnen, so erhielt der Fahrer einen Platz in der Renault Sport Academy. Für viele endete der Traum jedoch genauso schnell, wie er begonnen hatte. Zuletzt musste sich Christian Lundgaard vom Formel-1-Traum verabschieden. Der Däne absolvierte zwei Saisonen in der Formel 2, konnte jedoch nie Fuß fassen. Seit 2022 geht er nun in der IndyCar an den Start.
Nachdem Lotus 2011 alle Anteile des Renault-Teams aufgekauft hatte, lief auch das Nachwuchsprogramm der Franzosen von 2012 bis 2015 unter deren Namen. Insgesamt scheiterten hier 11 Piloten auf dem Weg in die Königklasse. Von potenziellen Formel-1-Weltmeistern fehlte jede Spur.
McLaren Young Driver Programme: Für immer Test- und Ersatzfahrer?
McLaren war mit der Auswahl seiner Junioren deutlich erfolgreicher. Nahezu alle Nachwuchshoffnungen, die es in die GP2 oder Formel 2 schafften, machten am Ende auch den Sprung in die Formel 1. Nur Oliver Turvey, Nobuharu Matsushita und Sérgio Sette Câmara konnten sich nie in der Königsklasse beweisen. 2009 übernahm Turvey für 10 Jahre die Testfahrerrolle bei McLaren. Zur Saison 2023 wechselte der Brite nach 88 Formel-E-Rennen, allesamt für das Hinterbänkler-Team NIO, aus dem Cockpit an den Kommandostand und übernahm die Rolle des Sportlichen Beraters sowie Ersatzfahrers bei DS Penske.
Turveys Nachfolger beim chinesisch-britischen Rennstall: ausgerechnet Sette Câmara, der einst einen ähnlichen Weg wie der Brite eingeschlagen hatte. 2018 wurde der Brasilianer aus dem Red-Bull-Juniorprogramm geschmissen und ging anschließend zu McLaren. Hier wurde er, wie auch schon bei Toro Rosso und Red Bull, als Testfahrer unter Vertrag genommen. Ein Jahr später startete er seine Karriere in der Formel E. 2020 kehrte Câmara zurück zum Juniorenprogramm der Bullen, jedoch wurde die Zusammenarbeit nach einem Jahr erneut beendet. Die Chance auf ein Formel-1-Cockpit ist somit verstrichen.
Matsushita musste sich ebenfalls mit der Ersatzbank zufriedengeben. Der Japaner absolvierte fünf Saisonen in der Formel 2 und war unter anderem Entwicklungsfahrer für McLaren und Sauber. 2021 wechselte Matsushita dann in den GT-Sport. Dem Formelsport blieb er jedoch trotzdem erhalten. Seit 2020 geht der Japaner in der Super Formula an den Start.
Williams Driver Academy: Mit Umwegen in die Formel E
Im Williams-Nachwuchskader mussten sich vier Piloten von einem Einzug in die Formel 1 verabschieden. Oliver Rowland konnte zwar in der Formel Renault 3.5 den Titel ergattern und auch in der Formel-2-Meisterschaft 2017 erreichte er am Ende den dritten Platz. Neben der Rolle des Entwicklungsfahrers bei Renault und Williams konzentrierte sich der Brite ab 2018 dann aber auf seine Karriere in der Formel E.
Auch Dan Ticktum machte seine Formel-1-Chancen zunichte. Ursprünglich gehörte er dem Red Bull Junior Team an, wurde dann aber 2019 aus dem Programm der Bullen geworfen. Nicht nur sein Sitz in der Super Formula, auch seine Test- und Entwicklungsfahrerrolle waren damit Geschichte. 2018 konnte sich der Brite in der europäischen Formel 3 noch zum Vizemeister krönen. Im gleichen Jahr gewann er zum zweiten Mal in Folge den Macau Grand Prix. Anschließend blieb Ticktum auf der Karriereleiter stecken. Ab 2020 wurde der Brite zwar im Williams-Nachwuchsprogramm aufgenommen und ging erneut für zwei Saisonen in der Formel 2 an den Start, Titel blieben jedoch aus. 2021 verabschiedete er sich vom Traum der Königsklasse und wechselte in die Formel E.
Nach seinem Vizetitel in der GP3-Serie endete Jack Aitken vorerst in einer Sackgasse. Der Brite fuhr zwar vier Saisonen in der Formel-2-Meisterschaft, musste sich letztendlich aber mit vereinzelten Rennsiegen und Podiumsplätzen zufriedengeben. 2020 wechselte Aitken von der Renault Sport Academy in die Williams Driver Academy, wo er unter anderem auch die Ersatzfahrerrolle beim Formel-1-Team übernahm. Zum Saisonende erhielt der Brite die große Chance: George Russells Williams-Cockpit wurde frei, da dieser Lewis Hamilton im Mercedes ersetzte. Somit konnte Aitken sein erstes Formel-1-Rennen absolvieren. Im Folgejahr reichte es in der Formel 2 dann aber nur für den 23. Platz. Trotz freiem Cockpit kam eine Williams-Einladung nicht mehr infrage. 2022 orientierte er sich bereits in den GT-Sport um.
Sauber Academy: Deutsche Nachwuchshoffnung auf Abwegen
Alfa Sauber konnte bisher keinen Piloten in die Formel 1 befördern. Die Schweizer nahmen bei der Gründung des Nachwuchsprogramms insgesamt 12 Piloten auf. Darunter befand sich unter anderem auch der deutsche Pilot Lirim Zendeli, der 2021 mit einem permanenten Cockpit in der Formel 2 an den Start ging. Nach vereinzelten Formel-3- und Formel-2-Einsätzen im Jahr 2022 verließ der Bochumer zum Ende des Jahres den Formelsport und geht nun in der Juniorkategorie USF Pro 2000 der IndyCar an den Start.
Guinchards einsamer Abstieg im Mercedes Junior Team
Mercedes hatte in den vergangenen Jahren einen speziellen Ansatz bei der Nachwuchsförderung. Die Silberpfeile konzentrierten sich auf einzelne Talente wie Pascal Wehrlein, Esteban Ocon und George Russell, die auch allesamt den Weg in die Königsklasse schafften. Wehrlein verlor sein Cockpit zwar wieder, ist mittlerweile aber als Porsche-Werksfahrer zu den E-Prix-Siegern in der Formel E aufgestiegen.
Seit 2022 hat Mercedes sein Talentförderungskonzept umgestellt und unterstütze erstmals eine ganze Bande an jungen Talenten. Damit ist klar: die 100-prozentige Trefferquote dürfte sich nicht halten lassen. Den Beweis dazu traten die Silberpfeile bereits am Ende des ersten Jahrs mit der großen Nachwuchstruppe an. Im Kartsport konnte Daniel Guinchard zwar mit einigen Titeln von sich überzeugen, mit nur einem Rennsieg und fünf Podiumsplätzen reichte es in der britischen Formel 4 aber nur für Platz 9. Noch zum Ende des Jahres 2022 verließ der Brite das Mercedes-Nachwuchsprogramm.
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