Red Bull Junior Team
Kaum ein Formel-1-Rennstall steht so für aktive Jugendförderung wie Red Bull. Seit 2001 existiert das Junior Team der Bullen und seit damals wird es von Gründervater Dr. Helmut Marko betreut, der schon Ende der 90er-Jahre seinen eigenen Nachwuchsrennstall zu einer Red-Bull-Juniormannschaft umfunktioniert hatte. Quantität schafft Qualität lautet das Motto. In der über 20-jährigen Geschichte wurden in Summe 92 Fahrer unter Vertrag genommen. Das Fahrer-Management von RB-Motorsportchef Marko ist so knallhart wie kompromisslos.
Red Bull fordert nicht weniger als sofortige Performance. Wer das erfüllen kann, wird schnell - mitunter auch zu schnell - nach oben befördert und an seine sportlichen Grenzen gebracht. Wer allerdings auch nur eine Saison hinter den Erwartungen zurückbleibt, wird im Nu aussortiert. Ein großer Teil der Piloten, die einst RB-Junioren waren, blieben nur ein bis zwei Jahre im Programm. Genauso rigoros wurden in der Vergangenheit auch Plätze bei Testfahrten verteilt.
Sergio Perez fiel bei einer dieser Ausscheidungsfahrten durch den Rost, Alex Albon flog nach seinem ersten Jahr in Formelwagen wieder aus dem Juniorteam. Der Erfolg scheint Red Bull recht zu geben. Mit Sebastian Vettel und Max Verstappen brachte man zwei der jüngsten Formel-1-Weltmeister hervor, dazu kommen noch Grand-Prix-Sieger wie Daniel Ricciardo, Pierre Gasly oder Carlos Sainz und mehrere Formel-E-Champions. Die RB-Nachwuchsphilosophie hat natürlich auch ihre Schattenseiten. Nicht wenige talentierte Rennfahrer zerbrachen an dem Druck und dem rasanten Aufstieg im Nachwuchs-Baum.
In den letzten Jahren blieben die großen Erfolge allerdings aus. Abgesehen von Yuki Tsunoda, der über Honda zu den Bullen kam, schaffte es seit Gasly 2017 kein RB-Junior mehr in die Formel 1. Stattdessen mussten AlphaTauri und Red Bull auf Platzhalter und Piloten von außerhalb des Red-Bull-Kosmos zurückgreifen, um Cockpits zu besetzen. Die Verpflichtungen von Perez, Albon, Daniil Kvyat oder Brendon Hartley in den letzten Jahren sprechen Bände. 2022 wiederholte sich dieses Spiel: Da sich kein Eigengewächs aus der Formel 2 aufdrängte, geht das zweite AlphaTauri-Cockpit für 2023 an Nyck De Vries.
Bisherige Erfolge: 5 von 5 (Sterne)
Aktueller Kader: 3 von 5 (Sterne)
Ferrari Driver Academy
Der Erfolg der Ferrari Driver Academy steht eigentlich außer Frage. Die Suche nach dem nächsten Star hatte vor vielen Jahren begonnen. Den Franzosen Jules Bianchi begleitete man ab 2009 durch die Nachwuchsklassen, bereitete ihn behutsam auf die Formel 1 vor, verschaffte ihm dort ein Cockpit - und dann verstarb Bianchi tragisch an den Folgen eines schweren Unfalls beim Japan GP von 2014. Würde er heute im Ferrari sitzen?
Diesen Platz sicherte sich fünf Jahre später jedenfalls ein Senkrechtstarter, dessen Patenonkel Bianchi war: Charles Leclerc. Dessen Förderung begann 2016, und nach aufeinanderfolgenden Titeln in GP3 und Formel 2 zögerte Ferrari nicht lange, ihn in die Formel 1 zu befördern. Leclerc und Bianchi sind die großen Erfolgsgeschichten der FDA, und hinter ihnen stehen mehrere ebenfalls fähige Fahrer in der zweiten Reihe.
Sergio Perez, Lance Stroll und Guanyu Zhou erhielten alle im letzten Jahrzehnt mehrere Jahre Unterstützung. Der letzte in die F1 Beförderte war 2020 Mick Schumacher, er reiht sich nahtlos in die Serie ein. Schumacher gewann außerdem in der großen "FDA-F2-Schlacht" von 2020 den Titel gegen seine Kaderkollegen Callum Ilott und Robert Shwartzman, beides ebenfalls hoch eingeschätzte Piloten, die noch bei Ferrari mit von der Partie sind, aber für die durch diese Niederlage die F1-Tür wohl geschlossen bleiben wird. Glücklicherweise gibt es bei Ferrari andernorts Potenzial, der Hersteller plant ein Sportwagen-Programm.
Wie es im neuen Jahrzehnt mit der Academy weitergeht, ist noch ungewiss. Leclercs kleiner Bruder Arthur sowie Oliver Bearman wurden 2022 in der Formel 3 gefördert. Der erst 17-jährige Bearman wurde in seinem ersten Jahr immerhin Vizemeister. Auch in Formel-4-Serien ist der Kader mit James Wharton, Maya Weug und Rafael Camara mehrfach vertreten, sowie mit Dino Beganovic in der Formula Regional. Die besten Fahrer sind aber die, die bereits in der Formel 1 am Start stehen. So recht überzeugt der Rest wohl nicht. Ferrari hält sich Antonio Giovinazzi als Ersatzfahrer, und als Leclercs Partner besorgte man sich zuletzt den vom Red-Bull-Kader ausgebildeten Carlos Sainz.
Bisherige Erfolge: 4 von 5 (Sterne)
Aktueller Kader: 3 von 5 (Sterne)
Alpine Academy
Die Alpine Academy existiert in verschiedenen Formen seit 2002. Und sie hätte 2023 ihren großen Moment feiern sollen. Nach einer jahrelangen Dürre, die einherging mit Instabilität des F1-Teams, wurde der Kader 2016 nach Renaults Wiedereinstieg in die Formel 1 neu aufgebaut und groß in ihn investiert. Mit dem 2020 verpflichteten Oscar Piastri schien ein Star gefunden. Aber es gab keinen Platz in der Formel 1. Frustriert sprang der 21-Jährige nach aufeinanderfolgenden Titeln in der Formel 3 und Formel 2 zu McLaren ab.
Ein grandioses Scheitern eines Juniorprogramms, dessen erklärtes Ziel eigentlich gewesen war, einen Fahrer in die Formel 1 zu bringen. Hinter dem aktiven Kader stehen Fragezeichen. Der 21-jährige Victor Martins gewann 2022 immerhin im zweiten Anlauf die Formel 3. In der Formel 2 zeigte der 19-jährige Jack Doohan 2021 erstes Potenzial. Der Sohn von Motorradlegende Mick Doohan war vom Red-Bull-Kader zu Alpine gewechselt, hier sieht er umfangreichere Chancen.
Ein Pluspunkt von Alpine: Wie Ferrari kann man in naher Zukunft ein Sportwagen-Werksprogramm anbieten. Doch scheint Alpines Vertrauen in das Programm nach dem Fall Piastri erschüttert. Auch weil abseits davon die jüngere Erfolgsbilanz mäßig ist. Anthoine Hubert galt als zweites vielversprechendes Talent und gewann 2018 den GP3-Titel, verunglückte dann allerdings 2019 in der Formel 2 tödlich. Dahinter wird es dünn. Ex-Mitglied Guanyu Zhou fand zwar in die Formel 1, kam aber ursprünglich aus dem Ferrari-Kader und hatte auch erst im dritten Jahr um die F2-Meisterschaft gekämpft. Anstatt ihn zu halten ließ Alpine ihn Ende 2021 nach einem Jahr in Richtung Alfa Romeo ziehen.
Der nach einem starken F3-Debüt hochgelobte Christian Lundgaard kam in der Formel 2 nie zurecht und verabschiedete sich in Richtung IndyCar. 2022 wurde der Kader bereits umstrukturiert. Mia Sharizman, der 2016 den Relaunch organisiert hatte, wurde durch den langjährigen Motorsport-Teammanager Julian Rouse ersetzt. Mit dem Alpine-Management war Sharizman sich nicht über die Richtung des Kaders einig gewesen. Die aktuellen F1-Fahrer werfen Fragen auf: Pierre Gasly und Esteban Ocon wurden von Red Bull und Mercedes entwickelt.
Bisherige Erfolge: 1 von 5 (Sterne)
Aktueller Kader: 2 von 5 (Sterne)
Mercedes Junior Programme
Das Junior-Programm der Silberpfeile ist eines der jüngeren im Formel-1-Zirkus. Pascal Wehrlein war als DTM-Fahrer 2014 der Erste, der Unterstützung des F1-Teams erhielt, aber zum damaligen Zeitpunkt konnte man noch nicht von einem echten Nachwuchs-Team sprechen. Die offizielle Gründung erfolgte im Jahr 2016, im selben Jahr stieß auch Esteban Ocon dazu. Die Strategie von Mercedes blieb aber vorerst dieselbe. Anstatt einer großen Anzahl von Nachwuchspiloten kurzfristig eine Chance zu geben, pickte sich das Weltmeister-Team nur einzelne Toptalente heraus. George Russell war die dritte Nachwuchshoffnung, die mit Mercedes-Förderung die Königsklasse erreichte. Bei ihm ging erstmals das Ziel der Silberpfeile auf, einen Piloten für die Werksmannschaft aufzubauen, nachdem sich die Karrieren von Wehrlein und Ocon in eine andere Richtung verliefen.
Seit 2018 änderte das Mercedes Junior Team seine Herangehensweise schrittweise. Anstelle von Fahrern in einem fortgeschrittenen Karrierestadium nehmen die Silberpfeile vor allem Kart-Talente unter Vertrag. Das hat Strategie: Denn der Plan ist es nicht nur schnelle Fahrer ins Programm zu holen, sondern auch neben der Strecke die Einstellung und die Herangehensweisen der Piloten von Grund auf zu entwickeln und auszubilden. Im Gegenzug dazu bietet man ein höheres Maß an Loyalität. Tatsächlich ließ man in Brackley noch keinen einzigen Junior fallen, der noch nicht die Formel 1 erreicht hatte. In Zukunft wird sich diese Serie allerdings kaum halten können.
Denn quantitativ wurde das Junior-Team in den letzten Jahren stark aufgestockt. Derzeit befinden sich sechs Nachwuchspiloten und eine Pilotin im Mercedes-Programm, in dem seit der Gründung 2016 Ex-Renault und Lotus-Mann Gwen Lagrue die zentrale Rolle bildet. Das heißeste Eisen aus der ersten Generation an ehemaligen Kartfahrern ist Kimi Andrea Antonelli. Der Italiener legte 2022 in der Formel 4 einen Erfolgslauf hin. Direkt an der Pforte zur Formel 1 herrscht jedoch Ebbe. Die einzige Ausnahme bildet Frederik Vesti, der allerdings trotz einzelner Achtungserfolge in der Formel 2 noch kein Bewerbungsschreiben für die Königsklasse abgeben konnte.
Bisherige Erfolge: 3 von 5 (Sterne)
Aktueller Kader: 2 von 5 (Sterne)
McLaren Young Driver Programme
McLaren ist ein seltsamer Fall. Denn tatsächlich werden 2023 nicht weniger als vier Ehemalige aus dem McLaren Young Driver Programme in der Formel 1 antreten, obwohl dieses mit dem Niedergang des ehemaligen Top-Teams einhergehend einen deutlichen Abstieg hinlegte. Seine erste Anwerbung ist die berühmteste: 1998 wurde Lewis Hamilton im Kartsport entdeckt. Tatsächlich fand das Programm im letzten Jahrzehnt eine Reihe an talentierten Fahrern. Kevin Magnussen wurde durch die Nachwuchs-Formeln bis ins Einsatz-Cockpit gehievt, doch die Chemie stimmte 2014 nicht. Stoffel Vandoorne galt nach einer dominanten Formel-2-Saison 2015 als Superstar, wurde jedoch 2017 und 2018 in ein unterlegenes Auto geworfen und von Fernando Alonso eingestampft.
Er wurde später Formel-E-Meister. McLarens Fahrer scheiterten am letzten Durchbruch. Kleben blieb erst Lando Norris, der 2017 ins Programm aufgenommen wurde, direkt beeindruckte und inzwischen als einer der Top-Piloten im Feld gilt. Doch mit Norris schien die Linie zu enden. War McLaren lange Werkspartner von Mercedes und im Kampf um WM-Titel mit dabei, so verschwand mit der Wettbewerbsfähigkeit auch das Nachwuchs-Engagement. 2020 war der Kader leer. Unter dem neuen Motorsportchef Zak Brown wurde eine Neuausrichtung betrieben, weg von den Massenkadern.
Mit Norris in einem Cockpit und der Alpine-Abwerbung Oscar Piastri im anderen ist das Formel-1-Team mittelfristig ohnehin besetzt. Entsprechend beschränkte sich die Nachwuchs-Abteilung erst einmal auf den Kartsport und fand dort Gefallen am erst 15-jährigen Amerikaner Ugo Ugochukwu. "Seine Verpflichtung zeigt unseren neu ausgerichteten Ansatz, neue Talente zu identifizieren und zu unterstützen, und wegzugehen von den förmlichen Nachwuchsprogrammen und hin zu einer auf den Leib geschneiderten Basis", erklärte Teamchef Andreas Seidl. 2022 holte Ugochukwu bisher zwei Siege in der britischen Formel 4. Einer aus dem alten Kader fand auf Umwegen währenddessen den Weg in die Formel 1: Nyck de Vries, 2018 von Norris übersprungen, landete nach der Trennung in der Formel E, holte einen Titel, und wurde jetzt von AlphaTauri aufgegriffen.
Bisherige Erfolge: 5 von 5 (Sterne)
Aktueller Kader: 1 von 5 (Sterne)
Sauber, Williams & Aston Martin
Neben den größeren Teams haben auch die meisten kleinen Rennställe in der Formel 1 einen Juniorkader aufgebaut. Die einzige Ausnahme dabei bildet Haas. Das US-Team verfügt derzeit über keinen festen Nachwuchsfahrer-Stamm. In der Vergangenheit gab es auch in Kannapolis einzelne Nachwuchspiloten, aber nie mit realistischen Formel-1-Aussichten.
Da finanziell die "Kleinen" nicht so gut ausgestattet sind, wie die Topteams werden bei den Juniorprogrammen kleinere Brötchen gebacken. In der Regel bestehen die Akademien aus ein bis zwei realistischen Aspiraten für die Königsklasse, sie werden aber durch Paydriver und teilweise auch durch Piloten aufgefüllt, die eher marketingmäßig als fahrerisch für das Team eine bedeutende Rolle spielen.
Der sportliche Erfolg dieser Programme ist deshalb häufig an einzelne Namen geknüpft. Bei Alfa-Sauber lautet dieser Name Theo Pourchaire. Seit das Programm 2018 gegründet wurde, ist er der erste Pilot, der es als Sauber-Junior an die Schwelle der Königsklasse geschafft hat. Nach einer guten F2-Rookiesaison leuchtete sein Stern 2022 aber nicht so hell wie erwartet. Ein angekündigtes Testprogramm für ihn wurde auch nicht auf die Beine gestellt und für 2023 ist die Tür bereits verschlossen.
Bei Williams kam schon viel eher eine kleine Erfolgsgeschichte aus dem Programm hervor. Mit Logan Sargeant wechselt das erste richtige Eigengewächs ins Formel-1-Team. Sein Vorgänger, Nicholas Latifi, gehörte übrigens 2019 auch ein Jahr lang Teil dem Nachwuchsteams an - nur am Talent lag das aber bereits damals kaum.
Aston Martin zieht mit dem jüngsten Juniorteam ins Rennen. Nachdem man sich in Force-India-Zeiten keine Nachwuchspiloten leisten konnte, hat sich die Mannschaft aus Silverstone dank dem Geldregen von Lawrence Stroll inzwischen auch ein Junior-Team gegönnt. Gegründet im September 2022 steckt das Team aber noch in den Kinderschuhen. F2-Champion Felipe Drugovich ist das erste und bislang einzige Mitglied des Programmes, er ist gleichzeitig auch als Ersatz- und Testfahrer tätig. Ob das Team in Zukunft auch echte Nachwuchsarbeit betreibt und junge Fahrer fördert, ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht absehbar.
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