Dieses Interview erschien in Ausgabe 85 unseres Print-Magazins, noch vor dem Wechsel von Oscar Piastri zu McLaren. Am Ende des Jahres veröffentlichen wir traditionell einen kleinen Teil unserer Print-Artikel kostenfrei auf der Website. Viel Spaß beim Lesen!
MSM: Wie bist Du zum ersten Mal mit dem Rennsport in Kontakt gekommen?
Oscar Piastri: Schon meine beiden Großväter waren als Mechaniker tätig. Mein Vater arbeitete ebenfalls in der Automobilindustrie. Die Richtung zeichnete sich gewissermaßen also schon früh ab. Als ich ungefähr 5 oder 6 Jahre alt war, kaufte mir mein Vater ein ferngesteuertes Auto, mit dem ich dann 3 oder 4 Jahre lang Rennen fuhr, bevor ich 2010 mit dem Kartfahren begann.
Es war also ein ferngesteuertes Auto für Profis mit Verbrennungsmotor?
Oscar Piastri: Es hatte einen Elektromotor und ja, der Wettbewerb war ordentlich. Ich fuhr bei landesweiten Meisterschaften mit, die ich dann mit 9 oder 10 Jahren auch gewonnen habe. Ich habe das Ganze schon ziemlich ernst genommen... ein paar Jahre später habe ich dann mit dem Kartfahren begonnen.
Hast Du zu dieser Zeit auch schon die Formel 1 verfolgt, oder bist Du lediglich selbst gefahren?
Oscar Piastri: Ich denke, zunächst bin ich vor allem gerne selbst gefahren... Es war aber auch schwierig für mich, die Formel 1 aus Australien zu verfolgen. Die Rennen finden dort um 01:00 Uhr oder 02:00 Uhr in der Nacht auf Montag statt und ich musste natürlich zur Schule gehen. Es war also ziemlich schwierig für mich, die Rennen anzusehen. Ich habe aber häufig Supercar-Rennen angeschaut, die in Australien stattfanden, da diese zu relativ normalen Zeiten ausgestrahlt wurden. Ich war natürlich interessiert an der Formel 1, aber es war wirklich schwierig, die Rennen zu verfolgen. Ich habe damit begonnen, als Mark [Webber, d. Red.] bei Red Bull war - nicht zuletzt, weil er Australier ist. Er hat einige Jahre um den Titel gekämpft und das hat natürlich mein Interesse geweckt.
Hast Du ihn im Speziellen verfolgt, weil er auch eine Art von Kindheitsheld für dich war?
Oscar Piastri: Ich weiß nicht genau, ob ich so weit gehen würde, ihn einen Kindheitshelden zu nennen, aber ich habe es definitiv genossen, ihm zuzusehen. Ich habe immer noch keinen speziellen Helden, aber natürlich ist es jetzt genauso einfach, Daniel zu folgen - einfach, weil er Australier ist. Darüber hinaus ist er aber auch ein tolles Vorbild. Er hat eine großartige Persönlichkeit. Die letzten Jahre waren vielleicht etwas schwierig für ihn, vor allem, da er davor wirklich stark und in einem Spitzenteam war, aber es bietet sich natürlich trotzdem noch an, ihn genauer zu beobachten. Nichtsdestotrotz gibt es auch noch andere Fahrer, die ich intensiver verfolge als andere. Hamilton zum Beispiel war so lange ganz oben an der Spitze... Ich habe einfach versucht, von verschiedenen Fahrern zu lernen.
Du verfolgst die verschiedenen Fahrer also nicht nur wie der klassische Fan, sondern versuchst auch, etwas von ihnen zu lernen?
Oscar Piastri: Ja, auf jeden Fall. Ich denke, es gibt im Moment viele Fahrer mit unterschiedlichsten Stärken und, in gewisser Hinsicht, auch mit unterschiedlichsten Schwächen. Als ich noch ein Kind war, ging es natürlich hauptsächlich um persönliche Sympathien und die Siege, die sie einfahren konnten, aber jetzt versuche ich, so viel wie möglich von den verschiedenen Fahrern zu lernen. Und ich kann mir jetzt auch die Videos der unterschiedlichen Sessions ansehen, was ziemlich cool ist.
Was macht das Rennfahren so aufregend für Dich?
Oscar Piastri: Ich denke, ich habe eine ziemlich wettbewerbsorientierte Persönlichkeit, also genieße ich es, andere zu schlagen.
Du könntest also genauso gut ein Tennis- oder Fußballspieler sein?
Oscar Piastri: Irgendwie schon, ja. Bevor ich in den Motorsport gekommen bin, habe ich ein paar andere Sportarten betrieben und ich war auch da schon immer sehr wettbewerbsorientiert. Ich denke, ich wurde also eher vom Wettbewerb angezogen als von meiner Liebe zu Autos. Natürlich mag ich Autos, aber das Rennfahren liegt mir dennoch näher als das Thema Auto im Allgemeinen. Für mich geht es also eher um den Wettbewerb und das Gefühl, das man hat, wenn man eine gute Qualifying-Runde fährt. Es macht eine Menge Spaß und die Adrenalinausschüttung ist auch nicht ohne. Es ist für mich einfach ziemlich cool, bei einem starken Wettbewerb gut abzuschneiden und mithalten zu können.
Du hast erwähnt, dass Du nach den ferngesteuerten Autos mit dem Kartsport angefangen hast. Wie hast Du das finanziert?
Oscar Piastri: Ich schätze mich glücklich, einen familiären Hintergrund zu haben, der mich meine ganze Karriere hinweg unterstützt hat. Ich bin nur eine Kartsaison in Europa gefahren. Angefangen habe ich in Australien, bis 2016, dann bin ich für eine Saison nach Europa gewechselt, 2016 dort gefahren und dann gleich in den Formelsport gewechselt. Das meiste an Karting habe ich in Australien gemacht. Ich denke, dass ich es ziemlich schnell beherrschte. Ich wusste von den ferngesteuerten Autos schon einige Dinge, hatte bereits die Idee einer Rennlinie. Ich würde sagen, dass ich durchaus schnell hineingekommen bin, die letzten paar Zehntel brauchten etwas Zeit.
Dann kam der Umzug nach Europa. In diesem jungen Alter ist das ein schwieriger Schritt. Wie war das für dich?
Oscar Piastri: Ja, das war definitiv ein Opfer. Ich wusste, wenn ich die Formel 1 erreichen will, oder überhaupt professionellen Motorsport, dann muss ich nach Europa, wenn ich bis ganz an die Spitze will. Für mich war das etwas, das ich bereit war zu tun. Mein Vater ist für die ersten sechs Monate mitgekommen. Sobald dann das neue Schuljahr im September begonnen hat, bin ich auf ein Internat gegangen. Mein Vater ist nach Australien zurück zum Rest meiner Familie, ich war dann quasi allein in Europa für die letzten fünf oder sechs Jahre.
Mein Vater kam zu vielen Rennen und das ist noch immer so, manchmal gemeinsam mit meiner Mutter und meinen Schwestern. Ich sah sie eigentlich das ganze Jahr hinweg. Aber im Alltag war ich allein am Internat. Es gab viele Leute, die zwar nicht in derselben, aber in einer ähnlichen Situation waren - weit weg von Zuhause - und ich schloss viele gute Freundschaften, die meinen Weg um einiges erleichtert haben. Jetzt bin ich natürlich viel älter als anfangs bei meinem ersten Umzug.
Ich fühle mich viel unabhängiger und um ehrlich zu sein, denke ich nicht mehr wirklich daran. Ich habe das Gefühl, dass ich, selbst wenn ich nicht nach Europa gezogen wäre, mittlerweile nicht mehr Zuhause leben würde. Es war ein großes Opfer, aber ich wusste, dass ich es tun musste, um die Formel 1 zu erreichen.
Sorry, wenn ich wieder zu den Finanzen zurückkomme, aber leider ist es ein so großer Teil unseres Sports. Fiel Dir die Finanzierung in Europa dann schwieriger?
Oscar Piastri: Ja, zum Ende hin. Ich meine die Frage, ob ich weiterfahre oder nicht, stellte sich nie. Wie gesagt, ich war in der glücklichen Lage, dass das Unternehmen meines Vaters ziemlich erfolgreich läuft.
Ist das HP Tuners? Ich habe vor Kurzem eine Story darüber gelesen, er hat sie für Dich gegründet?
Oscar Piastri: Die Firma gibt es nicht nur, um mich beim Rennfahren zu unterstützen. Es ist seine eigene Firma und am Ende des Tages ist es sein Gehalt, das mich finanziert. Eine große Summe an Geld kam von dort. In den letzten paar Jahren förderte mich Alpine auch sehr in meiner Rennkarriere. Eine weitere Mithilfe war mein rasches Durchkommen durch die Nachwuchs-Rennserien. In ein paar Jahren wäre es vermutlich etwas tricky geworden.
Uns geht es gut, aber nicht so gut, dass wir unendlich lange weitermachen könnten. An einem gewissen Punkt wäre es zum Problem geworden. Natürlich war es teuer und für Leute abseits des Motorsports ist es wirklich viel Geld. Aber ich denke, dass meine Familie und ich in einer Position waren, in der wir es uns leisten konnten. Meine Familie hat mich da sehr unterstützt, war sozusagen bereit, in mich zu investieren. Glücklicherweise hat es sich ausgezahlt.
Du hast die Nr. 81 auf Deinem Auto. Wie kam es dazu?
Oscar Piastri: Damit bin ich schon in Kartzeiten zuhause in Australien gefahren. Aber um ehrlich zu sein, ist die Geschichte dahinter relativ langweilig. Ganz am Anfang hatte ich für einige Rennen die Nr. 11, weil unser Kartshop nur Aufkleber mit der „1“ hatte - und ich konnte weder Nr. 1 noch Nr. 111 sein. Also wurde es die „11“. Als ich dann an meinem ersten großen Rennen teilgenommen habe, hatte jemand bereits die Nr. 11, also entschied ich mich für die Nr. 81 und die ist mir bis heute erhalten geblieben.
Du hast bereits Mark Webber erwähnt. Wie ist er Teil deines Managements geworden?
Oscar Piastri: Als ich mit dem Formelsport begonnen habe, sind wir in Kontakt getreten. Mein Trainer hat mit Mark damals in seiner Zeit bei Red Bull und Porsche in der WEC gearbeitet, so hatten wir diesen Schnittpunkt. Mark war bereits Manager von Mitch Evans und so wussten wir, dass er solche Dinge macht. Nach meiner Formel-Renault-Meisterschaft planten wir, in der darauffolgenden Saison in die Formel 3 zu gehen. Die Dinge wurden ernster, wir gingen zu den F1-Wochenenden und wir brauchten zusätzlich jemanden, der mit uns an Board kam.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren es mehr oder weniger mein Vater und ich, gemeinsam mit jemandem, der uns beriet. Aber wir hatten das Gefühl, dass wir Mark oder eine Art Management brauchten und Mark passte perfekt. Wir hatten gegenseitige Berührungspunkte, er ist natürlich Australier und er war selbst in meiner Position. Es machte Sinn, es zu versuchen und gemeinsam zu arbeiten. Es ist eine gute Partnerschaft.
Was macht er genau? Kümmert er sich um finanzielle Angelegenheiten oder Vertragsverhandlungen?
Oscar Piastri: Er ist mein Manager. Er trägt finanziell nichts zu meiner Rennkarriere bei. Hinter den Kulissen, bei Vertragsverhandlungen und gerade jetzt beim Finden neuer Sponsoren, nach Cockpits Ausschau halten, das ist sein Bereich. Er war dabei sehr hilfreich und macht einen sehr guten Job hinter den Kulissen. Gerade jetzt, wo ich selbst einen Fuß in die Formel-1-Welt setze, gibt er mir dann und wann Rat. Er war natürlich selbst ein erfolgreicher Fahrer, verbrachte viel Zeit im Paddock, kennt eine Menge Leute und viele Tipps und Tricks. Letztes Jahr in der Formel 2 gab er mir einige Hinweise, aber seine Hauptaufgabe ist die Arbeit hinter den Kulissen, um alle meine Verträge auszuhandeln.
2020 hast Du einen Vertrag mit Alpine - oder damals der Renault Akademie unterzeichnet. Wie kam es zur Vertragsunterzeichnung?
Oscar Piastri: Damals war der Preis für den Gewinn der Formel-Renault-Meisterschaft ein Platz in der Alpine Akademie. Es war hauptsächlich eine Folge meines Titelgewinns. Ich habe nie eine Antwort darauf erhalten, ob ich, wenn ich nicht gewonnen hätte, trotzdem in Betracht gezogen worden wäre. Aber wir hatten natürlich das Angebot von Alpine und nahmen es an.
Gab es irgendeinen Kontakt zu anderen Juniorenprogrammen?Nicht zu dieser Zeit, nein, und von da an war ich fest an Alpine gebunden und habe mich nicht nach anderen umgesehen. Deswegen weiß ich nicht so wirklich, vielleicht weiß Mark mehr als ich. Aber ich glaube nicht.
Und dann ist es nicht so schlecht gelaufen in der Formel 3 und Formel 2.
Oscar Piastri: Ja, die letzten drei Jahre waren sehr erfolgreich. Ich glaube, das Jahr in der F2 war wahrscheinlich bis jetzt das beste meiner Karriere. Ich hatte meinen Zenit am richtigen Zeitpunkt würde ich sagen, aber ja, ich werde noch immer stärker und stärker. Natürlich wird eine weitere große Lernkurve auf mich zukommen, wenn ich es dann hoffentlich in die Startaufstellung der F1 schaffe. Aber ja, es waren ein paar gute Jahre.
Du hast die Formel 3 und die Formel 2 als Rookie gewonnen. Das erinnert an große Namen wie Rosberg und Hamilton oder kürzlich Russell und Leclerc. Gibt Dir das den Glauben oder eine Art Zuversicht, dass Du für etwas Großes bestimmt bist?
Oscar Piastri: Ich meine, ich bin ziemlich bescheiden, ich will mich nicht zu sehr selbst loben. Es stimmt, ich hatte mit George und Charles ausgezeichnete Gesellschaft. Wir drei waren die Einzigen, die das erreichen konnten [beide Serien im ersten Jahr gewinnen, d. Red.]. Ich will es schaffen, in der Formel-1-Startaufstellung zu stehen und zu zeigen, was ich kann.
Erfolg in den Juniorkategorien heißt nicht automatisch, dass man in der Formel 1 gut abschneidet, das weiß ich. Ich denke, dass ich eine Chance in der F1 verdient habe und ich glaube, dass ich dort gut performen kann. Das ist der nächste Schritt, es in den F1-Grid zu schaffen. Es ist schon beruhigend, zum einen diese Titel zu haben, und zum anderen, dass George und Charles die beiden Einzigen anderen sind, die dasselbe geschafft haben. Wie jeder sehen kann sind sie jetzt in Top-Teams und fahren sehr gut. Das gibt mir Zuversicht.
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