2022 schrieb der Fahrermarkt bereits unzählige Geschichten, obwohl das Wechselspiel um die 20 Cockpits der Saison 2023 noch gar nicht vorbei ist. Sebastian Vettels Rücktritt setzte eine Wechselwelle in Kraft, die so wohl kaum jemand erwartet hatte: Fernando Alonso wurde überraschend sein Ersatz bei Aston Martin. Alpine kündigte Oscar Piastri an, nur um festzustellen, dass dieser längst bei McLaren unterschieben hatte, da Woking Daniel Ricciardo rauswerfen wollte.

Über die Folgewirkungen dieser Ereignisse herrscht immer noch keine Klarheit. Alpine will Pierre Gasly von AlphaTauri, doch das Team aus Faenza bräuchte Ersatz. Dieser sollte Colton Herta aus der Indycar-Serie sein, doch der bekam keine Superlizenz. Jetzt schein der neue Kandidat Nyck de Vries zu sein, der nach seinem Sensationsauftritt als Albon-Vertreter in Monza eigentlich der Favorit auf den zweiten Platz bei Williams war, da Nicholas Latifi rausgeworfen wurde. Können sie noch Folgen? Das alles passierte in der 'Silly Season' 2022 und diese ist noch nicht einmal vorbei.

Wir bei Motorsport-Magazin.com haben uns gefragt: Gab es das schon einmal, dass ein Formel-1-Feld derartig durchgewürfelt wurde und eine Wechselgeschichte nach der anderen geschrieben wurde? Wir müssen zugeben: Die 'Silly Season' der Saison 2022 könnte neue Maßstäbe setzen. Dennoch blicken wir mit Freude in die Vergangenheit, denn auch da gibt es so einiges an Durcheinander zu Berichten.

2020 - Ferrari bringt im ersten Corona-Jahr alles ins Rollen

Das besondere an der Silly Season 2020 war, dass sie größtenteils stattfand bevor überhaupt ein Rennkilometer gefahren wurde. Die Formel 1 stand aufgrund des Corona-Virus still und konnte den Saisonauftakt erst im Juli in Österreich antreten. Zu diesem Zeitpunkt war aber auf dem Fahrermarkt schon einiges passiert.

Sebastian Vettel und Charles Leclerc tauschten zum Abschied die Helme, Foto: Ferrari
Sebastian Vettel und Charles Leclerc tauschten zum Abschied die Helme, Foto: Ferrari

Losgetreten wurde alles durch Ferraris überraschende Entscheidung, nicht mit Sebastian Vettel zu verlängern und damit auf die Karte Charles Leclerc zu setzten. Neuer Teamkollege des Monegassen wurde Carlos Sainz, der sich dank einer Klausel von McLaren lösen konnte. McLaren wurde vom Abgang des Madrilenen frühzeitig informiert und präsentierte schon vor der Ferrari-Bekanntgabe die Verpflichtung Daniel Ricciardos von Renault.

Sergio Perez kam vom Unglück zu Red Bull, Foto: Red Bull Content Pool
Sergio Perez kam vom Unglück zu Red Bull, Foto: Red Bull Content Pool

Die Wechselorgie zog weitere Effekte nach sich. Zum einen war durch Ricciardos Abgang der Weg für Fernando Alonsos Comeback bei Renault/Alpine frei. Zum anderen befand sich ein vierfacher Weltmeister auf dem Markt. Racing Point, das zu Aston Martin werden sollte, schlug zu und verpflichtete Vettel. Somit stand Sergio Perez, der eine hervorragende Saison inklusive erstem Sieg gefahren war, trotz ursprünglichem Vertrag bis 2022 ohne Cockpit da.

Doch der Mexikaner hatte Glück: Red Bull holte ihn nach der Saison, da das Team mit Alexander Albons Leistungen nicht zufrieden war. Damit brach der österreichische Rennstall auch mit seiner Philosophie, nur eigene Nachwuchspiloten zum A-Team zu befördern. Albon hingegen hatte kein Glück: Im Gegensatz zu Daniil Kvyat und Pierre Gasly vor ihm durfte er seine Formel-1-Karriere nicht bei AlphaTauri fortsetzten. Erst 2022 schaffte er die Rückkehr in den Formel-1-Zirkus mit Williams.

2016 - Rosberg schockt die Formel-1-Welt

Der Fahrermarkt von 2016 hatte zunächst nicht so viel Überraschendes zu bieten. Nico Hülkenberg erklärte seinen Wechsel zu Renault, sein Ersatz bei Racing Point wurde Esteban Ocon. Dessen Manor-Teamkollege Pascal Wehrlein kam bei Sauber unter. Williams-Pilot Felipe Massa beendete seine Karriere, seinen Platz nahm der finanzstarke Rookie Lance Stroll ein.

Nico Rosberg mit seinem WM-Pokal: Kurz darauf verkündete er den F1-Abschied, Foto: FIA
Nico Rosberg mit seinem WM-Pokal: Kurz darauf verkündete er den F1-Abschied, Foto: FIA

Soweit nicht gerade besonders, hätte nicht fünf Tage nach Saisonende der amtierende Weltmeister Nico Rosberg aus dem Nichts seinen Rücktritt verkündet. Die Formel-1-Welt war geschockt und Mercedes stand im Regen. Einen Weltmeister hatten die Silberpfeile mit Lewis Hamilton immer noch unter Vertrag, doch es brauchte einen Piloten, der auch die Konstrukteurs-WM sichern konnte. Valtteri Bottas von Williams sollte es werden, doch der Traditionsrennstall brauchte einen verlässlichen Mann an der Seite von Rookie Stroll. Die Lösung: Felipe Massa kam aus dem wohl kürzesten Formel-1-Ruhestand aller Zeiten zurück, um seinem letzten Formel-1-Team aus der Patsche zu helfen. Damit war das Glück für Bottas perfekt und er durfte ins beste Auto des Feldes steigen.

2009 - Alonso, Brawn, Button und ein unerwartetes Comeback

Auch diese 'Silly Season' nahm nach erst nach der Saison so richtig fahrt auf. Dennoch sollten die Wechsel von Robert Kubica von BMW Sauber zu Renault und Rubens Barrichello von Sensationsteam Brawn zu Williams nicht unerwähnt bleiben. Ebenso wenig wollen wir Nico Hülkenbergs Debüt als Teamkollege von 'Rubinho' verschweigen. Der wichtigste Wechsel vor Saisonende war jedoch der von Fernando Alonso Richtung Ferrari. Dadurch stand Kimi Räikkönen ohne Sitz da, er entschied sich eine Formel-1-Pause zu machen. Bekanntermaßen kehrte der große Schweiger 2012 in die Königsklasse zurück.

Michael Schumacher wurde von seinem Kumpel Ross Brawn und seinen Mitarbeitern begeistert empfangen, Foto: Mercedes-Benz
Michael Schumacher wurde von seinem Kumpel Ross Brawn und seinen Mitarbeitern begeistert empfangen, Foto: Mercedes-Benz

Trotz all dieser Nachrichten wurde es erst nach dem Saisonfinale in Abu Dhabi so richtig wild. Mercedes kaufte Brawn auf und ging wieder mit eigenem Werksteam an den Start. Dafür wurde Nico Rosberg von Williams verpflichtet. Sein Teamkollege wurde jedoch überraschenderweise nicht Weltmeister Jenson Button, denn dieser sorgte für die erste Sensation und schloss sich nach gescheiterten Verhandlungen mit Mercedes dem Team von McLaren an. Die noch größere Sensation folgte, denn Mercedes zauberte als Buttons Nachfolger niemand geringeres als Rekordweltmeister Michael Schumacher aus dem Hut, der sein Comeback gab.

1995 - Schumacher mit dem Wechsel aller Wechsel

Der zweifache Weltmeister Michael Schumacher sorgte für einen Paukenschlag: Vom Weltmeisterteam Benetton wagte er einen Wechsel zu Ferrari. Die Scuderia war Mitte der 1990er nur dritte Kraft hinter Benetton und Williams, aber Schumacher begründete seine Entscheidung mit der Suche nach einer neuen Herausforderung. Außerdem wurde er zum mit Abstand bestbezahlten Fahrer des Feldes.

Benetton reagierte und wilderte bei Ferrari: Jean Alesi wurde verpflichtet. Dessen Teamkollege Gerhard Berger sollte eigentlich bei der Scuderia bleiben, doch schloss er sich nach Streitigkeiten mit der Teamführung um die Verteilung von Ingenieuren ebenfalls Benetton an. Ferrari verpflichtete daraufhin Eddie Irvine von Jordan als Nummer Zwei neben Schumacher. Im Nachhinein bemerkenswert: Irvines Teamkollege bei Jordan war Rubens Barrichello, der später auch zur Nummer zwei neben Schumacher werden sollte.

Mika Häkkinen und David Coulthard bildeten Jahrelang ein Duo bei McLaren, Foto: Sutton
Mika Häkkinen und David Coulthard bildeten Jahrelang ein Duo bei McLaren, Foto: Sutton

Außerdem kam es zu einer weiteren Veränderung im Spitzenfeld. Williams trennte sich von David Coulthard und setzte auf Rookie Jacques Villeneuve. Der Sohn von Ferrari-Legende Gilles Villeneuve hatte sich zuvor in den USA als Cart-Champion und Indy-500-Sieger profiliert. Coulthard kam bei McLaren unter und bildete mit Mika Häkkinen eine Paarung, die die Formel 1 noch über Jahre mitprägen sollte.

1992 - Alle wollen zu Williams - Prost macht das Rennen

Die Brisanz dieser 'Silly Season' drehte sich vor allem um ein Team: Williams. Die Weltmeister fuhren die Konkurrenz 1992 dank technisch überlegenem Fahrzeug in Grund und Boden, klar also, dass sämtliche Spitzenpiloten dort ein Cockpit wollten. Am geschicktesten machte es Alain Prost. Der Professor hatte 1992 eine Auszeit genommen und sicherte sich einen Vertrag mit Williams für die Saison 1993. Neben ihm hätte eigentlich der amtierende Weltmeister Nigel Mansell fahren sollen, doch der Brite war vom Prost-Vertrag brüskiert und vertschüsste sich in Richtung Indycar-Serie, in der er sofort den Titel gewann.

Auch Brasilien-Legende Ayrton Senna war heiß auf einen Platz bei Williams, doch Erzrivale Prost verhinderte diesen Wechsel ebenso. Senna wollte aufgrund des Rückzugs von Motorenpartner Honda nicht bei McLaren bleiben und stand daher mit seinem langjährigen Team auf Kriegsfuß. Am Ende kam es zu einer außergewöhnlichen Regelung: Senna wurde Rennen für Rennen bezahlt und fuhr so doch noch die ganze Saison 1993 für McLaren. Neben ihm ging nicht mehr Gerhard Berger an den Start, denn der Österreicher kehrte zu Ferrari zurück. Den zweiten McLaren übernahm Michael Andretti, der noch während der Saison den Platz für Mika Häkkinen räumen musste.

Er hatte alle ausgestochen: Alain Prost neben Sir Frank Williams, Foto: Sutton
Er hatte alle ausgestochen: Alain Prost neben Sir Frank Williams, Foto: Sutton

Blieb noch die Frage nach dem zweiten Williams-Fahrer. Riccardo Patrese war schon vor Mansell seinen Job beim Team von Sir Frank los und heuerte für ein letztes Karrierejahr bei Benetton an, wo er an der Seite von Michael Schumacher fuhr. Am Ende schlug die große Stunde von Damon Hill. Der Sohn von Graham Hill war ein Spätstarter in der Formel 1 und hatte sich vorher mit einem katastrophalen Auto bei Brabham herumschlagen müssen. Auf einen Schlag durfte er stattdessen im besten Boliden des Feldes platznehmen.