Andretti Motorsport ist ein großer Name, zumindest in den USA. Im europäisch geprägten Motorsport hingegen ist das Familienunternehmen bisher weniger präsent. Daran will Firmenchef Michael Andretti unbedingt etwas ändern: Der Sohn von Motorsportlegende Mario Andretti drängt auf einen Formel-1-Einstieg und will dafür ein eigenes Team aufbauen, nachdem eine geplante Übernahme von Sauber Motorsport 2021 scheiterte.

Formel-1-Chef Stefano Domenicali empfindet ein elftes Team in der Formel 1 jedoch als keine Priorität seiner Arbeit: "Ehrlicherweise sehe ich persönlich keine Notwendigkeit für mehr Teams in der Formel 1." Andretti kam beim Italiener im Vergleich zu anderen möglichen Bewerbern nicht besonders gut weg: "Wir müssen nicht nur diejenigen verstehen, die eine laute Stimme haben. Es gibt sicher auch andere Interessenten. Andretti sprach seine Anfrage einfach nur deutlich aus. Andere haben dieselben Ambitionen, aber haben sie anders kommuniziert. Wir evaluieren nicht nur Andretti, sondern auch die anderen. Sie sind leiser und konzentrieren sich mehr darauf ihren Wert zu zeigen, indem sie das Protokoll respektieren." Wer die anderen Interessenten sind, ließ der Ex-Ferrari-Mann offen.

Michael Andretti (re.) wirbt im Paddock bisher vergeblich um seinen Formel-1-Einstieg, Foto: LAT Images
Michael Andretti (re.) wirbt im Paddock bisher vergeblich um seinen Formel-1-Einstieg, Foto: LAT Images

Den Eindruck, man würde Bewerber wie Andretti nur hinhalten wollen, wollte Domenicali nicht bestätigen. Laut dem ehemaligen Teamchef der Scuderia Ferrari gäbe es noch keine Entscheidung: "Es gibt ein Protokoll, das eingehalten werden muss. Alle müssen dies befolgen, auch Andretti. So ist die momentane Situation, da hat sich nichts verändert. Daher kann ich jetzt nicht ja oder nein dazu sagen." Tieferen Einblick zum aktuellen Stand der Bewerbungen wollte Domenicali jedoch nicht geben.

Auch an der Praxis des Mitentscheids der aktuellen Teams in Sachen Neuzugänge stört sich der F1-Boss nicht, im Gegenteil: "Die Formel 1 von heute braucht ein unglaubliches Level an Professionalität und Investment. Nicht nur für ein Jahr, sondern langfristig. Weil es Interesse von vielen Herstellern und Teams gibt, können die bereits vorhandenen mit diesen diskutieren und verhandeln, um nachzuforschen, ob sie dem gewachsen sind oder keine Zukunft in der Formel 1 haben. Es ist für sie von Wert zu wissen, dass andere Teams und Hersteller in das Formel-1-Geschäft einsteigen wollen. Das verstärkt den Wert der Formel 1." Unter anderem Mercedes-Boss Toto Wolff hatte den Wert eines Engagements von Andretti in Frage gestellt.

Neues Motorenreglement und Motorenhersteller wichtiger als neue Teams

Domenicali ist momentan ohnehin mit einem anderen Thema beschäftigt: "Wir reden über die Regeln von 2026. Alle Hersteller arbeiten daran, auch der neue Hersteller [Audi, Anm. d. Red.], der vielleicht kommt. Sie sehen alle, dass ihnen die Zeit bereits davonläuft. Sie haben knapp vier Jahre, um einen neuen Motor zu entwickeln. Wenn wir von der Formel 1 reden, dann brauchen wir Teams und Hersteller, die stark sind. Sie müssen sich klar Verpflichten für die Formel 1 und das langfristig."

Beim Motorenreglement für 2026 sieht Domenicali den wichtigsten Schritt für das Interesse von Herstellern an der Königsklasse: "Wir brauchen Glaubwürdigkeit für unsere technische Plattform. Der Grund, warum wir die Hybridentwicklung und E-Fuels vorantreiben, ist, die Formel 1 weiter an der Spitze der technischen Innovation zu halten. Dies wird den Herstellern eine neue Option in ihrem Portfolio ermöglichen. Sie können neue Produkte bewerben. Viel wird über die komplette Elektrifizierung der Mobilität gesprochen, aber ich denke unsere Zukunftsvorstellung bietet einen anderen Weg. Wir glauben er wird sehr effektiv sein. Darum gibt es wieder Interesse der Hersteller an einem Formel-1-Einstieg." Aktuell hat die Formel 1 für 2026 nur Ferrari, Mercedes und Renault als Motorenhersteller. Diese Anzahl möchte Domenicali erhöhen. Die VW-Gruppe mit ihren Marken Audi und Porsche steht für einen Einstieg parat.

Neue Andretti-Fabrik geplant: Auch für ein Formel-1-Team?

Glaubt man der Formel-1-Gerüchteküche, so wäre die Motorenfrage bei Andretti jedoch überhaupt kein Problem, da mit Renault ein etablierter und kein neuer Hersteller die Amerikaner beliefern würde. Andretti versucht jedoch nicht nur mit Abmachungen, sondern auch mit Taten die Ernsthaftigkeit des geplanten Formel-1-Engagements zu untermauern. Das Team baut in Indianapolis ein neues Hauptquartier, welches auf 575.000 Quadratmetern bis zu 500 Mitarbeitern Platz bieten soll. Die Baukosten der neuen Fabrik sollen um die 200 Millionen US-Dollar betragen. Dieselbe Summe müsste Andretti auch als Startgeld für die Formel 1 zahlen.

Indycar-Pilot Colton Herta wäre wohl einer der beiden Fahrer eines Andretti-Formel-1-Teams, Foto: LAT Images
Indycar-Pilot Colton Herta wäre wohl einer der beiden Fahrer eines Andretti-Formel-1-Teams, Foto: LAT Images

Geschäftsführer Michael Andretti bekräftigte seine Ambitionen: "Über die letzten 20 Jahre habe ich hart daran gearbeitet unsere Geschäftsfelder zu erweitern und unser Portfolio an Rennserien aufzufächern. Unsere alte Fabrik hat gute Dienste geleistet, doch unser Team hat sich sowohl auf sportlicher als auch auf kommerzieller Seite stark erweitert und unsere Leute verdienen die beste Arbeitsumgebung sowie die bestmöglichen Ressourcen. Ich bin aufgeregt so viele unserer Rennteams unter einem Dach zu vereinen." Wird neben den Teams aus IndyCar, Indy Lights und IMSA auch ein Formel-1-Team dort untergebracht sein? Die Fertigstellung des neuen Werkes ist für 2025 geplant. Ist dann auch schon der Formel-1-Einstieg unter Dach und Fach? Am Willen scheint es bei den Amerikanern zumindest nicht zu scheitern.

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