"Die kleineren Teams haben womöglich einfach nicht genug Ressourcen, um zu reagieren", meinte Christian Horner noch in Ungarn zu den geplanten Änderungen der Unterbodenhöhe. Nach okay des Motorsport-Weltrates sind die Änderungen jetzt aber fix. Trotz gesammelten Widerstandes nicht nur von Red Bull gab es nur einen Kompromiss: Statt zuerst geplanter 25 Millimeter wird der Rand des Unterbodens nur um 15 Millimeter angehoben. Ebenfalls neu: Höhere Minimalhöhe des Diffusorkanals, steifere Diffusorkanten, neue Sensoren und insgesamt weniger Ground Effect. Aber vor allem die Anhebung des Unterbodenrandes bringt die Teams ins Schwitzen.

Auf den ersten Blick sind 1,5 Zentimeter nicht viel, aber genug, um so einige Strategien und Budget-Planungen der Formel-1-Teams zu Nichte zu machen. Vor allem beim Thema Carry over (wie viel vom diesjährigen Auto ins Jahr 2023 mitgenommen werden kann) spielt die Regeländerung eine tragende Rolle. Zu viel, zu kompliziert umzusetzen, zu spät angekündigt: Was 15 Millimeter anrichten können.

Formel 1 für Sparfüchse: Chassis Carry over

Aufgrund keiner großartigen geplanten Regeländerungen von 2022 auf 2023 kalkulierten viele Teams damit, bestimmte Teile des diesjährigen Autos weiterzuverwenden. Vor allem beim Chassis spart das Zeit und Geld. Ausnahmen bestätigen die Regel: McLaren und Mercedes schlossen keine komplette Konzeptänderung für ihre Nachfolger des MCL36 und W13 aus. Zu groß der Erfahrungsgewinn bei jedem weiteren Rennen. "Gewisse Teile werden wir übernehmen, aber nicht das ganze Chassis", berichtete James Key in Frankreich von der Vorgehensweise bei McLaren. Der technische Direktor sieht einer Regeländerung tiefenentspannt entgegen: "Es ist weitgehend der gleiche Unterboden - nur etwas höher." Aber: Vor allem für kleinere Teams mit geringerem Budget ist die Carry-over-Strategie keine Option, sondern ein Muss.

Kein kleines Team, aber ebenfalls mit Beschwerden: "Es ist schon zehn nach zwölf!", meinte Christan Horner vor der Sommerpause. Jetzt erst technische Details für das nächste Jahr bekanntzugeben, das sei viel zu spät. Viele Teams haben schon mit der Entwicklung ihrer Boliden für 2023 begonnen, diese Arbeit werde jetzt zunichte gemacht. "Es beeinflusst, wie viel Carry over möglich ist. Es beeinflusst Design und Entwicklung", so Horner. Und es beeinflusst das Budget der Formel-1-Teams.

Vor allem Red Bull und Ferrari sträubten sich gegen die Regeländerung - ohne Erfolg, Foto: LAT Images
Vor allem Red Bull und Ferrari sträubten sich gegen die Regeländerung - ohne Erfolg, Foto: LAT Images

Denn: "Der beste Weg seine Finanzen im Griff zu haben ist Stabilität!", appellierte der Teamchef von Red Bull die Verantwortung bei den Teams zu lassen und möglichst nicht zu interferieren. Es gehe um Politik, nicht um Sicherheit. "Sie sprechen von einer Erhöhung des Unterbodens um 25 Millimeter. Das verursacht eine komplett andere Aerodynamik." Durch das starke Porpoising sah sich die FIA doch gezwungen, einzuschreiten. Vor allem für Red Bulls Schwesterteam ein Problem.

AlphaTauri mit Geld- und Aufhängungs-Problemen

"Wir befinden uns gerade in der Phase, in der wir die wichtigsten Kennwerte für das nächstjährige Auto festlegen", erzählt Guilaume Dezoteux. Der Performance-Leiter von AlphaTauri erklärt den Missmut über die Regeländerung. "Wie viel Sprit soll das Auto fassen können? Wie sollte die ideale Gewichtsverteilung aussehen? Wenn wir jetzt die Aerodynamik-Regeln ändern, wird das eine große Herausforderung für die Teams." Eine solche Änderung führe beim derzeitigen Entwicklungsstand zwangsläufig zu Problemen.

"Können wir es uns leisten, das Tankvolumen zu verkleinern oder die Gewichtsverteilung anzupassen?", stellt Guillaume Dezoteux in den Raum. Manche Entscheidungen könnten so spät im Jahr nicht mehr rückgängig gemacht werden. "Das Chassis wird bereits in den nächsten Wochen freigegeben." Zusätzliches Problem: Moderne Formel-1-Autos sind so gebaut, dass die Änderung von einem einzigen Parameter Auswirkungen auf alles andere hat.

"Wenn man die Außenkante des Unterbodens anhebt, um den Abrieb in den schnellen Kurven zu minimieren, ändert das eine Menge", erzählt Dezoteux weiter. Vor allem die Belastung von Reifen und Aufhängung werde zum Problem. "Unsere Aufhängung ist darauf nicht ausgelegt." Laut Dezoteux müsse das Team so ein komplett neues Chassis bauen. Auch Teamchef Franz Tost ist kein Fan der Änderung: "Die letzten Diskussionen und Vorschläge, den Unterboden zu ändern, haben meiner Meinung nach nichts mit der Sicherheit zu tun. Es geht nur um Politik."

Alfa Romeo: kleines Team, aggressive Strategie

Auch Alfa Romeo hat schon einen Windkanal-Entwurf des nächstjährigen Autos. Quelle: Valtteri Bottas. Nicht erfreut darüber: Frederic Vasseur. "Er sollte das nicht sagen! Gleich am Montag muss er zu mir ins Büro kommen", schimpfte der Bottas Boss. Dann ein zwangsläufiges Geständnis vom Sauber-Teamchef, dass bereits am nächstjährigen Auto gearbeitet werde. "Es ist ein Work-in-Progress." Das Team aus Hinwil fertigte 2022 erstmals Getriebe und Aufhängung seines Alfa-Romeo-Boliden selbst an. Einerseits, um Kosten zu sparen. Andererseits, um flexibler zu sein und einfacher Bestandteile des C42 zu seinem Thronfolger überführen zu können.

"Wir sind ein kleineres Team und haben deshalb eine aggressive Strategie gewählt, bei der wir mehr Teile ins nächste Jahr mitnehmen wollen als größere Teams", meinte Jan Monchaux, Technischer Direktor bei Alfa Romeo. "Wenn wir über den Winter alles neu bauen sollen, müssen wir das auslagern." Auslagern bedeutet teuer. Ebenfalls teuer und außerdem überflüssig bei einer Regeländerung: Eine Weiterentwicklung des Autos bis Saisonende.

Frederic Vasseur und Alfa Romeo planten das Chassis im nächsten Jahr weiterzuverwenden, Foto: LAT Images
Frederic Vasseur und Alfa Romeo planten das Chassis im nächsten Jahr weiterzuverwenden, Foto: LAT Images

"Das würde unser gesamtes Entwicklungsbudget für die Saison 2023 gefährden", so Jan Monchaux. Deshalb das geplante Teile-Recycling von 2022 auf 2023. Diese Strategie wählten keineswegs nur AlphaTauri und Alfa Romeo: "Schaut euch im Februar die Autos an, dann werdet ihr es schon sehen", verweist Monchaux auf die nicht ganz freiwillige Sparmaßnahme. Wenn nicht das Technische Beratungskomitee noch einmal dazwischenfunkt. "Wenn sich die Auflagen alle sechs Monate ändern, macht das unser Leben ganz schön kompliziert!" Ein Leben für eine Glaskugel, nicht nur bei Motorsport-Magazin.com.