Eigentlich wollte Ferrari beim letzten Rennen vor der Formel-1-Sommerpause in der Weltmeisterschaft mit einem Doppelsieg Punkte gutmachen. Die Ausgangslage war mit den Startplätzen zwei und drei für Carlos Sainz und Charles Leclerc hinter dem vermeintlich langsameren Pole-Setter George Russell auch vielversprechend. Doch das ambitionierte Vorhaben endete im Debakel.

Während Titelkonkurrent Max Verstappen von Startplatz zehn zum Sieg fuhr, landeten Sainz und Leclerc auf den Plätzen vier und sieben. Besonders bitter: Leclerc führte den GP sogar lange Zeit an, ging auf der Strecke an Russell vorbei. Eine strategischer Totalausfall warf ihn allerdings weit zurück.

Sainz und Leclerc starteten den Ungarn GP auf den Medium-Reifen. Beide Red Bull und Russell setzten am Start auf Soft. Als Russell die Reifenwechsel an der Spitze in Runde 16 eröffnete, zog Ferrari nach. Eine Runde nach dem Mercedes-Piloten kam Sainz, fünf Runden später Leclerc.

Ferrari reagiert auf Red Bull und Mercedes

Fast hätte Sainz Russell mit dem Overcut überholt, doch der Reifenwechsel der Ferrari-Mannschaft war zu langsam. 3,79 Sekunden stand der Spanier. Der zweite Reifenwechsel am Boliden mit der Startnummer 55 dauerte sogar 4,61 Sekunden. "Die zwei langsamen Stopps waren nicht toll für mein Rennen", ärgert sich Sainz.

Zu Beginn des Rennens fuhren Sainz und Leclerc mit um den Sieg, Foto: LAT Images
Zu Beginn des Rennens fuhren Sainz und Leclerc mit um den Sieg, Foto: LAT Images

Dass Ferrari beim Reifenwechsel auf die Konkurrenz reagierte, brachte die Scuderia strategisch in Schwierigkeiten. Während Russell und Co von Soft auf Medium wechselten, ging Ferrari von Medium auf Medium.

Für den zweiten Stint selbst war das kein Problem. In Runde 31 überholte Leclerc Russell und ging in Führung. Das Problem sollte sich aber beim zweiten Stopp zeigen. Die Konkurrenz konnte für den Schlusssprint den zweiten Satz Medium aufziehen. Ferrari hingegen fuhr bereits zweimal Medium und musste auf Soft oder Hard ausweichen.

Weil sich Red Bull als härtester Gegner herausstellen sollte, reagierten die Ferrari-Strategen auf den zweiten Boxenstopp von Max Verstappen. Eine Runde später, in Runde 39, kam Leclerc zum Stopp. Zu früh, um auf Soft-Reifen zu gehen. Ferrari montierte ihm die harten Pneus - obwohl sich der Monegasse dagegen wehrte.

Harte Reifen zerstören Leclercs Rennen

Leclercs Zeiten auf frischen, harten Reifen waren im Vergleich mit der Konkurrenz auf Medium desaströs. Vor den Stopps lag Verstappen noch 7,2 Sekunden hinter Leclerc. In Runde 41 hing der Weltmeister seinem Herausforderer im Getriebe. Verstappen überholte Leclerc gleich zweimal ohne große Mühe, weil er den Platztausch zwischenzeitlich mit einem Dreher unabsichtlich wieder rückgängig gemacht hatte.

Weil sich Leclercs Zeiten nicht stabilisierten, kam er in Runde 54 noch einmal zum Stopp und holte sich für den Schlusssprint weiche Reifen. "Auf dem harten Reifen habe ich alles verloren. Ich habe einen Stopp mehr als alle anderen gebraucht. Dabei habe ich 20 Sekunden verloren. Dazu noch eine Sekunde jede Runde, die dieser Stint gedauert hat", rechnet Leclerc vor.

"Ich habe [im zweiten Stint] gesagt, dass ich so lange wie möglich auf dem Medium fahren will, um dann am Ende auf Soft zu wechseln", ärgert sich der Monegasse. "Ich weiß nicht, warum der zweite Stopp so früh kam. Wir hätten nicht [auf Verstappen] reagieren sollen. Meine Pace auf den Medium-Reifen war sehr gut."

Teamchef Mattia Binotto widerspricht seinem bestbezahlten Angestellten: "Der Hauptgrund für das Ergebnis war nicht die Strategie, sondern unsere Performance. Das Auto hat nicht funktioniert wie erwartet. Ich glaube es wäre egal gewesen, welche Reifen wir gefahren wären."

"Wir wussten, dass der Hard nicht so gut ist wie der Medium, aber es waren noch so viele Runden zu fahren", erklärt Binotto. "Wir gingen davon aus, dass es zu Beginn des Stints schwierig würde, er dann aber auf Temperatur kommt und am Ende sogar besser ist als der Medium. Aber unser Auto war nicht schnell genug. Und weil das Auto nicht schnell war, hat es auch den harten Reifen nicht richtig nutzen können. Hätten wir gewusst, wie schlecht er ist, hätten wir es nicht gemacht."

Sieht schnell aus, ist es aber nur bedingt: Ferrari in Budapest, Foto: LAT Images
Sieht schnell aus, ist es aber nur bedingt: Ferrari in Budapest, Foto: LAT Images

Sainz hatte das Glück, dass Leclerc Versuchskaninchen spielte. Als die Ferrari-Strategen sahen, wie groß die Probleme tatsächlich waren, wurde der Stint des Spaniers verlängert, um auf die Soft-Reifen wechseln zu können. So kam Sainz immerhin auf Platz vier ins Ziel.

Der Spanier sieht es ähnlich wie sein Teamchef: "Wir hatten heute einfach keine Pace. Man vergleiche nur meine Pace auf den Soft-Reifen mit Hamilton - und dann hast du es schon." Der Rekordsieger der Formel 1 fuhr fast die exakte Strategie wie Sainz. Allerdings arbeitete sich Hamilton von Startplatz sieben auf Rang zwei nach vorne während Sainz von Startplatz zwei auf Rang vier zurückfiel.

Ferrari: Zum ersten Mal 2022 nicht siegfähig

Dabei reiste Ferrari als absoluter Topfavorit nach Budapest. Am Freitag wurde man der Rolle sogar noch gerecht. "Da hatten wir noch eine halbe Sekunde Vorsprung pro Runde. Heute hatten wir eine halbe Sekunde Rückstand. Am Freitag konnte ich jede Runde pushen, ohne dass die Reifen abgebaut haben. Heute sind meine Reifen eingegangen", wundert sich Sainz.

Am Freitag schwitzte die Formel 1 in Ungarn noch bei deutlich mehr als 30 Grad Luft- und bis zu 50 Grad Asphalttemperatur. Am Sonntag wurden nur noch maximal 19 Grad Luft- und 28 Grad Asphalttemperatur gemessen. Binotto will daraus aber noch nichts ableiten: "Wir haben keine Erklärung. Aber irgendetwas hat nicht gestimmt. Es war das erste Mal in 13 Rennen in dieser Saison, dass wir nicht die Pace hatten, um den Sieg mitzufahren."