Obwohl Ferrari-Fahrer Carlos Sainz nach dem Rennen am Sonntag in Silverstone (zum ersten Mal) ganz oben auf dem Podest stand, geriet der Traditionsrennstall aus dem italienischen Maranello nach dem Grand Prix schnell in die Kritik. Die Strategie sei nicht mutig genug gewesen und man habe - besonders unter dem Safety Car - eklatante Fehlentscheidungen getroffen, lautete die Ad-Hoc-Analyse vieler Beobachter. Nun haben sich auch drei ehemalige Formel-1-Piloten dazu zu Wort gemeldet, die wohl jeder kennen dürfte: Hans Joachim Stuck, Jacques Villeneuve und Motorsport-Magazin.com Formel-1-Experte Christian Danner. Warum ist aus ihrer Sicht nichts aus dem von Ferrari erhofften Doppelsieg in Silverstone geworden?
Christian Danner - Ferrari trifft katastrophale Entscheidungen
"Ferrari hat zwei Kardinalfehler gemacht. Der erste Fehler lag darin, dass man Leclerc nicht gleich an Sainz vorbei gewunken hat, sondern Sainz während dem Rennen immer nur gesagt hat: 'Fahr ein bisschen schneller, dann geht's schon irgendwie.' Das war die erste katastrophale Entscheidung. Leclerc ist der Mann, der Verstappen in der Gesamtwertung näherkommen kann. Leclerc ist der schnellere und der bessere Fahrer. Er ist der einzige WM-Kandidat, den Ferrari hat. Das hätte man während des Rennens gleich erledigen müssen", sagte der Formel-1-Experte gegenüber SPORT1.
Doch in Danners Augen hat Ferrari insbesondere in der finalen Phase des Rennens in Silverstone mehrere kapitale Böcke geschossen, da man in der Box der springenden Pferde zu konservativ reagierte und nicht einfach mit einem Doppelstopp alles auf eine Sieger-Karte gesetzt hat: "Während der Safety-Car-Phase hat man auch doppelt falsch entschieden. Erstens, dass man Leclerc nicht sofort reingeholt und mit frischen Reifen wieder auf die Strecke geschickt hat. [...] Der dritte Fehler war, dass man nach dem verpassten Reifenwechsel in Runde eins des Safety Cars ihn auch nicht in der zweiten Runde reingeholt hat. Man hat ihm damit fast schon mutwillig die Punkte und den Sieg genommen. Ich freue mich für Carlos Sainz, aber nüchtern betrachtet, hat Ferrari hier einmal mehr gezeigt, wie man es nicht macht, wenn man die WM gewinnen will."
Jaques Villeneuve - Leclerc hat auch Fehler gemacht
Auch Jaques Villeneuve sieht es ähnlich wie unser Motorsport-Magazin.com Experte, wie er in seiner Kolumne auf dem holländischen F1-Portal Formula1.nl verrät: "Die Entscheidung, ihn [Charles Leclerc; d. Red.] unter dem Safety Car in der entscheidenden Phase des Rennens auf den Hards draußen zu lassen, war unlogisch - genau da haben sie den Doppelsieg verschenkt. Und ich beobachte Ferrari andauernd dabei, dass sie solche Fehler begehen."
Der elffache Grand-Prix-Sieger geht aber noch einen Schritt weiter und versucht nachzuvollziehen, was genau sich Ferrari in dieser Situation gedacht haben könnte: "Vielleicht haben sie gehofft, Sainz würde Hamilton aufhalten, oder befürchtet, Hamilton würde nicht stoppen, wenn Leclerc in die Box kommt."
Villeneuve kreidet aber nicht nur Ferrari Fehler an, sondern auch Charles Leclerc. Dieser müsse nämlich an seiner Art mit dem Team zu kommunizieren arbeiten: "Ich kann Leclercs Ärger nach dem Rennen schon verstehen. Ein weiteres Beispiel für eine konservative Strategie. Woran Leclerc aber arbeiten muss, ist seine Kommunikation mit dem Team. Klar, Sainz war langsamer, aber sie hätten definitiv auf P1 und P2 durchs Ziel fahren können. Der Moment, in dem sie den Reifenwechsel durchgeführt haben, hat durchaus Sinn gemacht, weil sie das Rennen in dieser Phase ansonsten verloren hätten. Etwas früher im Rennen galt das aber nicht."
Was der Kanadier hier anspricht, ist der Teil des Rennens, in dem Leclerc auf P2 stehend am Funk mehrere Male erwähnte, dass er doch deutlich schneller als der vor ihm liegende Carlos Sainz sei. "Da gab sich Leclerc so, als wäre er bereits die klare Nummer 1 bei Ferrari, was er aber nicht ist, auch vertraglich nicht. Es ist noch zu früh dafür - Sainz hat immer noch eine Chance. [...] Ich denke daher, dass Ferrari nicht sehr glücklich über seinen Tonfall am Funk war. Leclerc bat sein Team um eine Entscheidung und zurück kam: 'Wir haben Sainz gesagt, dass er die Pace erhöhen muss.' Das sollte eigentlich genügen, weitere Funksprüche wären nicht notwendig gewesen. Darauf zu pochen, bringt nichts. Alle können zuhören, was auch für Ferrari nicht gut ist. Erledigt solche Dinge doch nach dem Rennen hinter geschlossenen Türen."
Hans Joachim Stuck - Das ist eben Ferrari...
Stuck gab sich im Interview mit Eurosport nicht ganz so diplomatisch wie seine beiden Kollegen, als er das Rennen von Ferrari in Silverstone analysierte - typisch "Striezel" halt. "Ich frage mich, wie lange Mattia Binotto noch bei Ferrari überlebt. Er ist schließlich der Rennchef und muss diese Entscheidungen verantworten. Andererseits muss man sagen, dass Ferrari immer Phasen hatte, in denen falsche Entscheidungen getroffen worden sind. Aber dieses Jahr ist das schon heftig. Mich freut es für Carlos Sainz, dass er sein erstes Rennen gewonnen hat. Aber: Charles Leclerc muss wirklich kotzen. Der ist wirklich eine arme Sau. Aber das ist eben Ferrari."
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