Charles Leclerc konnte es in Silverstone nach dem Rennen kaum fassen. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto wusste schon um die Stimmung seines Star-Piloten - er fing Leclerc noch im Parc ferme nach dem Rennen ab, um mit ihm vor allen Medienterminen ein kurzes Gespräch unter vier Augen zu führen. Denn wieder war Leclerc in Führung gelegen, bevor alles schief ging, und aus dem ersten ein vierter Platz wurde.
Aufmunternde Worte seien es gewesen, sagen sowohl Leclerc als auch Binotto nach dem Rennen einstimmig. Der Frust war groß. Nicht nur, dass ein spätes Safety Car ihm eine stabile Führung zunichte gemacht hatte. Langsame Teamorder trotz besserer Pace und dann am Ende eine vermeintliche Benachteiligung beim Reifenwechsel unter Safety Car - wodurch Teamkollege Carlos Sainz im Gegenzug zum Sieg kam - machen Leclerc zu schaffen.
Ausgerechnet bei einem Rennen, wo Max Verstappen Probleme hatte. "Wir hätten heute gute Punkte einfahren können, aber das haben wir nicht", sagt Leclerc, nimmt aber Abstand davon, Kritik am Team zu äußern.
Das Rennen hatte für Leclerc erst nicht gut begonnen, in der ersten Runde touchierte er im Zweikampf beide Red Bulls. Danach brach sein rechtes Frontflügel-Endplate ab. Das stellte sich aber als halb so schlimm heraus: "In den ersten paar Runden spürte ich deutlich mehr Untersteuern, aber dann konnte ich das mit Einstellungen und meinem Fahrstil korrigieren."
Leclerc bekommt in Silverstone keine Teamorder
Ab da war Leclerc der schnellere Ferrari. Bald schloss er zum Führenden Carlos Sainz auf. Und durfte nicht vorbei. Rundenlang steckte er im DRS-Fenster fest. Auch nach dem Boxenstopp lag er weiter hinter dem Teamkollegen. Während Lewis Hamilton im Mercedes durchgehend Druck auf Ferrari ausübte. Erst als Sainz nach dem Boxenstopp nach Aufforderung das Tempo nicht verschärfen konnte, orderte die Box den Platztausch an.
Leclerc will das nicht kommentieren: "Natürlich will ich es diskutieren, den Blickpunkt des Teams und den Grund erfahren. Ich persönlich dachte, dass ich im ersten Teil des Rennens sehr stark war und da Zeit verloren habe. Ich glaube aber nicht, dass es das Ergebnis geändert hatte."
Mattia Binotto verneint Fehlentscheidungen: "Wir haben immer die Lücke zu Hamilton beobachtet, um sicherzustellen, dass er hinter uns rauskommt, wann auch immer er stoppt. Das ging sich aus. Wir hatten die richtige Pace auf den harten Reifen mit beiden Fahrern und haben dann weiter beobachtet. Als wir sahen, dass es kritisch wurde, haben wir einfach den Platztausch angeordnet, weil wir da dachten, dass Charles mehr Pace hatte."
Leclerc darf keine Reifen wechseln: Safety Car ruiniert Sieg
Leclerc zog nach dem Tausch davon und baute sich ein kleines Polster zu Sainz und Hamilton auf. Ehe kurz vor Schluss das Safety Car ausgerufen wurde. Ferrari holte Sainz zum Boxenstopp, auch der Rest der direkten Konkurrenz stoppte und zog weiche Reifen auf für einen Schluss-Sprint. Nur Leclerc, der Führende, wurde auf alten Hard-Reifen draußen gelassen. Beim Neustart hatte er keine Chance gegen Sainz, Hamilton und Sergio Perez, die ihn der Reihe nach überholten.
Binotto sieht auch hier keinen Fehler. In den wenigen Sekunden, die Ferrari für die Entscheidung hatte, beurteilte man einen Sainz-Stopp als die bessere Option. Beide konnte man nicht gleichzeitig reinholen, weil sie zu eng beieinander lagen. Sainz wäre so hinter Hamilton zurückgefallen. "Wir haben entschieden, Carlos zu stoppen, weil Charles auf der Strecke vorne war. Seine Reifen waren sechs oder sieben Runden frischer."
Ferrari unternahm danach alles, um Leclerc noch zu schützen. Sainz wurde beim Neustart gebeten, eine Lücke zu Leclerc aufreißen zu lassen, um ihm einen Puffer zu verschaffen. Aus Angst vor den Autos hinter ihm verweigerte Sainz, stattdessen überholte er Leclerc nach wenigen Kurven und fuhr weiter zum Sieg.
Leclercs verzweifelter Kampf auf den Hard ging noch weiter, er versuchte sich gegen Hamilton und Perez zu wehren: "Ich war am Limit, aber das musste ich sein. In meiner Position auf alten Reifen war das alles schwierig." Und aussichtslos. Perez ging schnell vorbei. Gegen Hamilton wehrte er sich noch mehrere Runden, irgendwann war aber Schluss.
Leclerc: Vertraue weiter in Ferrari
Binotto wehrt sich nach dem Rennen gegen Kritik, Ferrari habe taktische Fehler begangen: "Was hätten sie anders gemacht? Ich denke, jede Entscheidung, die wir getroffen haben, war die richtige. Hätten wir Charles beim Safety Car stoppen sollen? Das kann man vielleicht hinterfragen. Aber hätten wir ihn gestoppt und die anderen wären draußengeblieben, dann wäre er Vierter. Hätte er all die Positionen zurückholen können?"
Leclerc stellt sich hinter das Team, und antwortet nach dem Rennen auf die Frage nach Vertrauensverlust knapp: "Nein." Und: "Ich denke, das sollte nicht die Schlagzeilen beherrschen bei diesem tollen ersten Sieg von Carlos." 43 Punkte beträgt weiterhin der WM-Rückstand, die Negativ-Serie bewertet Leclerc einfach: "Nicht gut. Ich muss sagen, ich zeige jedes Rennen, dass mich das nicht zu sehr beeinflusst, aber ich hätte diese Momente lieber nicht." Seit Miami stand er nicht mehr auf dem Podium.
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