Drei Mal wurde das Formel-1-Rennen in Kanada am letzten Sonntag wegen Zwischenfällen unterbrochen. Alle drei Unterbrechungen spielten in den Renn-Strategien der um den Sieg kämpfenden Kontrahenten Ferrari und Red Bull eine große Rolle. Doch mit der dritten Unterbrechung machte sich die FIA-Rennleitung bei Ferrari keine Freunde.

Einmal mehr muss sich die neue 2022er-Rennleitung daher nun Kritik stellen. Diesmal von Mattia Binotto. Denn als in Runde 49 Yuki Tsunoda an der Boxenausfahrt in die Wand rutschte, hätte der Entscheidungsprozess zum Safety Car beinahe das Rennen von Carlos Sainz ruiniert.

"Ich denke, es hat sehr lang gedauert, um sich für das Safety Car zu entscheiden", beschwert sich Binotto. "Carlos hat in dem Moment das Rennen angeführt, und das Safety Car wurde ausgerufen, als er gerade am Ende der Geraden bei der letzten Kurve angekommen ist."

Sainz & Ferrari schaffen Safety-Car-Stopp in letzter Sekunde

Die Sainz-Onboard zeigt, wie knapp es war. Erst als Sainz schon für die Schikane anbremste, gingen auf seinem Lenkrad die gelben Lichter an, welche ein Safety Car anzeigen. Sainz reagierte sofort, fuhr geradeaus in die Boxeneinfahrt und funkte dreimal: "Komme rein!" Zeitgleich hatte auch die Boxenmauer schnell geschaltet und ihn mit "Box, Box, Box!" reingerufen.

Ohne den Stopp wäre Sainz beim Neustart zwar in Führung gelegen, aber ohne Vorsprung und mit alten Reifen. Daher wäre Max Verstappen fast garantiert vorbeigegangen. Auch die beiden Mercedes dahinter, die in dieser Rennphase gute Zeiten zeigen hatten können, wären womöglich noch gefährlich geworden. "Team und Fahrer haben sehr gut reagiert, da reinzukommen", lobt Binotto. "Ich denke, wir hatten nur eine Sekunde zu reagieren, und wir haben in einer Sekunde reagiert. Sonst wäre das eine sehr üble Situation für Carlos geworden."

"Hier brauchen wir schnellere Entscheidungen, das hat in meinen Augen sehr lange gedauert", unterstreicht Binotto. Ein Vergleich mit den vorangegangenen beiden Unterbrechungen im Rennen gibt ihm recht. Zweimal war davor das Virtuelle Safety Car ausgerufen worden, beide Male ging es deutlich schneller.

Dritte Renn-Neutralisierung in Kanada deutlich langsamer

Als Sergio Perez mit Defekt ausrollte, dauerte es vom ersten Zeigen der gelben Flagge bis zum Ausrufen des VSC 26 Sekunden. In diesem Fall waren sogar nach 11 Sekunden schon Streckenposten ungeschützt in der Auslaufzone gewesen, was den Entscheidungsprozess eigentlich noch beschleunigen hätte sollen.

Als Mick Schumacher später an gleicher Stelle mit Defekt ausrollte, dauerte es nur 17 Sekunden vom Zeigen der gelben Flagge bis zum VSC. In diesem Fall war der Fahrer noch im Auto, und keine Streckenposten waren auf der Strecke.

Als dann in Runde 49 Tsunoda geradeaus in die Wand rutschte, dauerte es von der ersten gelben Flagge bis zum Safety Car 40 Sekunden. Dabei hatte Tsunoda schon 18 Sekunden nach dem Abflug begonnen auszusteigen, und von seiner Onboard war eine kaputte Aufhängung klar sichtbar. Warum weitere 22 Sekunden verstrichen, bis das Rennen neutralisiert wurde, ist eine berechtigte Frage.

Die Handhabung des Safety Cars war zuletzt in Monaco nach Mick Schumachers schwerem Crash schon Ziel von Kritik. Statt sofort mit dem Safety Car zu unterbrechen, wurde dort erst ein VSC ausgerufen - mit der Argumentation, dass man das Feld erst neutralisieren wollte. Dann konnte man das Safety Car ausrufen, als der Führende an der Box vorbeifuhr, und musste so die zwischen dem Safety Car und dem Führenden gefangenen Autos nicht in einem langwierigen Prozedere durchwinken.

Womöglich war das auch in Kanada der Hintergedanke - zu warten, bis der Führende Sainz die Box passierte. Nur dass hier kein VSC zwischengeschaltet und im Renntempo weitergefahren wurde. Was Sainz beinahe die Chance zum Stopp kostete.