Ungewohnt schwierig verlief der Start in die Formel-1-Saison 2022 für Mercedes und Lewis Hamilton. Performance-Mängel des W13 sorgten dafür, dass der Rekordweltmeister seinen Fixplatz an der F1-Spitze abgeben musste. Nach fünf Rennen liegt Hamilton jedoch auch hinter Teamkollege George Russell. 29 Punkte trennen die beiden Mercedes-Piloten voneinander. Aber ist Hamilton wirklich langsamer als Russell?

"Nein, am Speed liegt es bei Hamilton nicht", versichert Formel-1-Experte Christian Danner im Exklusivinterview mit Motorsport-Magazin.com. "Wenn man über einen so langen Zeitraum nur um die erste oder zweite Startreihe fährt, dann ist es schon komisch, plötzlich um den sechsten, achten oder sogar 15. Platz zu kämpfen. Das ist für Hamilton ein Kulturschock. Das hat aber nichts damit zu tun, dass er jetzt langsamer fährt, oder das nicht kann. Ich glaube, wenn Russell vorne war, ist es für ihn einfach besser gelaufen", so Danner weiter.

Der ehemalige Formel-1-Pilot spricht damit an, dass Russell 2022 schon öfters Glück mit den Safetycar-Phasen hatte, die ihm einen günstigen Boxenstopp bescherten. Wie etwa zuletzt in Miami. Hamilton hingegen zog in solchen Fällen den Kürzeren. Manch großer Unterschied bei den Platzierungen der beiden Mercedes-Fahrern lässt sich somit rationalisieren.

Danner: Hamilton hat gewisses Extra

Obwohl Hamilton derzeit nur auf P6 in der Formel-1-Fahrerwertung liegt, schätzt Danner den Rekordweltmeister noch immer groß ein: "Sobald Mercedes das Ding wieder hinkriegt, kommt auch Hamiltons gewisses Extra wieder. Das hat damals auch Nico Rosberg zum Verzweifeln getrieben, dass Hamilton immer wieder so Kleinigkeiten hatte, die er in entscheidenden Momenten nachlegen konnte. Das - davon bin ich fest überzeugt - hat er immer noch. Trotz Piercing-Debatte und Bouncing, ist es immer noch Hamilton und der ist Extraklasse."

Auf das Renntalent allein kommt es jedoch nicht an. Auch der Bolide muss leisten können. Der W13 konnte auf der Rennstrecke bisweilen noch nicht überzeugen. "Auf den ersten Blick sieht es ganz komisch aus. Mercedes wussten seit dem Bahrain-Test, dass das Auto nichts kann", so Danner.

Danner rechnet mit Mercedes-Comeback

Den langsamen Fortschritt der Silberpfeile macht der Ex-F1-Pilot an der erschwerten Fehleranalyse der Team fest: "Die Fehlersuche wird heutzutage über Simulations-Tools gemacht. Um dieses zu bauen, müssen zuerst viele, viele Daten gesammelt werden."

Ohne Daten gibt es keine Software und auch kein Werkzeug, mit dem die verbesserte Version des Boliden dann im Windkanal getestet werden kann. "Das ging früher einfacher, weil das Reglement grundsätzlich lange gleich war", erklärt der Formel-1-Experte. "Jetzt, mit den Venturi-Tunneln unter den Autos, ist es wirklich ganz anders. Man kann nicht auf bewährte Tools zurückgreifen, wie in der Vergangenheit."

Für die Entwicklung des W13 sieht der F1-Experte dennoch Hoffnung: "Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Mercedes, das nicht hinbekommt. Es ist nach wie vor ein ganz tolles Team und die wissen auch, wie man Fehler behebt."

Danner mit scharfer Kritik an Hamilton: Es ist verrückt, was da abgeht

Aber auch scharfe Worte findet Danner für Hamilton. Und zwar, wenn es um das Schmuck-Verbot in der Königsklasse geht. "Da muss ich ehrlich sagen, es ist verrückt, was da abgeht", kritisiert der ehemalige Formel-1-Pilot. "Es ist völlig klar, dass Schmuck im Rennauto nichts verloren hat. Das war schon immer so, und es ist auch sehr vernünftig, dass das so ist."

Beim Rennwochenende in Miami eskalierte die gesamte Schmuck-Debatte. Lewis Hamilton weigerte sich, so wie beim Australien GP, auf seine Accessoires zu verzichten. Am Trainingsfreitag in den USA erschien der Mercedes-Pilot eingedeckt mit Schmuck, darunter 3 Uhren, zur Presserunde. Ein deutlicher Protest. Die Accessoires seien Teil seiner Identität, so der Rekordweltmeister. Außerdem könne er eines der Piercings nicht entfernen. Dafür hat der F1-Experte kein Verständnis.

Schmuck-Verbot: Danner lässt keine Ausreden zu

"Ich war der erste Formel-1-Fahrer mit Ohrring. Auch ich musste diesen rausnehmen, was ja auch einfach ist", sagt Danner. "Habe ich dadurch Probleme mit meiner Persönlichkeit gehabt? Nein. Konnte ich trotzdem ich sein? Ja, weil ich eben ich bin. Auch, wenn ich den Ohrring für zwei Stunden am Sonntag rausnehmen muss."

Die Debatte wird auch in Zukunft noch für Spannung zwischen den Fahrern und der FIA sorgen. Verstöße gegen die Anti-Schmuck-Regel sollen mit hohen Geldbußen bestraft werden. Auch der Abzug von WM-Punkten ist bei mehreren Missachtungen eine Option.

Unnötiges Theater, findet Danner. "Das ist alles schon wirklich albern. Nächstes Rennen kommt dann ein Fahrer und sagt: Helm? Nein, nicht bei meiner Frisur", vergleicht der F1-Experte. "Das ist natürlich übertrieben, aber es ist einfach sinnvoll, dass man Ringe und Piercings aus medizinischen Gründen herausnimmt."

Hier gibt es Danners Aussagen über Hamilton & Co. zum Nachhören:

Danner über Vettel: Kindergarten! Gefällt mir gar nicht (12:53 Min.)