Trotz eines Rennsiegs liegt Max Verstappen in der WM-Tabelle nach drei Rennen nur auf Rang sechs. Der Weltmeister kämpfte bislang an allen Wochenenden um die Pole, zwei Ausfälle werfen ihn aber 46 Punkte hinter den WM-Führenden Charles Leclerc. Bei den Konstrukteuren muss sich Red Bull sogar hinter Mercedes anstellen, obwohl die Silberpfeile bei der Pace jenseits von Gut und Böse sind.

Die Zuverlässigkeit des RB18 ist 'inakzeptabel', wie es Verstappen nach seinem Ausfall auf den Punkt brachte. Aber in Australien war erstmals auch die Pace besorgniserregend. Erstmals in dieser Saison hatte Verstappen mit dem Sieg nichts zu tun, Leclerc drehte an der Spitze einsam seine Kreise.

Red Bull Krise: Inakzeptabel! Ist Leclerc noch zu stoppen? (15:14 Min.)

Der Rückstand von fünf Sekunden beim Ausfall wirkt nicht sonderlich dramatisch. Nach 37 Runden sind das weniger als anderthalb Zehntelsekunden pro Umlauf. Allerdings gab es im Rennen zwei Safety-Car-Phasen.

In Runde sieben nahm das Rennen in Melbourne zum ersten Mal richtig Fahrt auf. Bis zu Verstappens Boxenstopp in Runde 18 war der Rückstand von weniger als einer Sekunde auf über acht Sekunden angewachsen.

Ein weiteres Safety Car neutralisierte das Feld nach den Boxenstopps ein zweites Mal, Verstappen war wieder direkt nach Leclerc dran. Vom Restart in Runde 26 bis zum Ausfall in Runde 39 brummte der Monegasse dem Niederländer erneut rund fünf Sekunden auf.

In 26 Runden im Renntempo heimste sich Verstappen insgesamt 13 Sekunden Rückstand ein. Macht 0,5 Sekunden pro Runde. Besonders schlecht lief es für Red Bull auf den Medium-Reifen im ersten Stint.

Zu Beginn des Rennens war Red Bull noch klar schneller als Mercedes. Sergio Perez, am Start von Hamilton überholt, konnte sich Platz drei auf der Strecke zurückkämpfen. Auch nach dem Umbau des Albert Parks musste man für ein Überholmanöver noch einen erheblichen Performance-Vorteil haben.

Hamilton plötzlich auf Verstappen-Niveau

Als Perez an Hamilton vorbei war, konnte er sich vom Rekordsieger der Formel 1 aber nicht deutlich absetzen. Der Reifen-Flüsterer bekam starkes Graining. Hamilton konnte sogar wieder aufschließen. Wäre Perez nicht zum Reifenwechsel abgebogen, der Mercedes-Pilot hätte ihn wohl auf der Strecke wieder überholt.

Perez war keine Ausnahme. Im Zweikampf mit Hamilton litten seine Reifen sicherlich etwas mehr, aber auch Verstappen vorne an der Spitze musste früh Federn lassen. Der Weltmeister war es, der als Erster in der Spitzengruppe an die Box fuhr. Im Zweikampf mit Leclerc hatte er sich die Reifen definitiv nicht ruiniert - einen Zweikampf gab es schlicht nicht.

Ab Runde elf sackten die Rundenzeiten bei Verstappen um eine Sekunde ab. Während Hamilton das leichter werdende Auto in schnellere Rundenzeiten umsetzen konnte, zeigte Verstappen den gegenteiligen Trend. Hamilton fuhr plötzlich auf Verstappen-Niveau, phasenweise sogar minimal schneller.

Auf den harten Reifen konnte der Red Bull sein Potential wieder besser ausschöpfen. Gegen Leclerc an der Spitze war weiter kein Kraut gewachsen, Mercedes hatte man aber im Griff. Obwohl Perez wegen Strategie-Pech noch an George Russell vorbei musste, konnte er sich schließlich wieder von den Silberpfeilen distanzieren.

"Letztendlich hatten wir aber nicht die nötige Pace, um gegen sie zu kämpfen, obwohl der Reifenabbau an unserem Auto wahrscheinlich etwas besser war", analysierte Mercedes' Chef-Ingenieur Andrew Shovlin.

Reifenfresser RB18

Der Reifenverschleiß war Red Bulls Achillesferse. Schon in Bahrain musste Verstappen den Sieg schließlich deshalb aufgeben. Die Bullen erkaufen sich besseren Topspeed mit kleineren Flügeln. Dadurch rutschte das Auto in den Kurven stärker. Im Freitag war der Topspeed-Unterschied eklatant.

"Sie sind das restliche Wochenende aber dann mit etwas mehr Abtrieb gefahren. Ich glaube nicht, dass der Unterschied daher kommt", glaubt Ferrari Teamchef Mattia Binotto. "Wir haben sehr viel an unserer Balance gearbeitet an diesem Wochenende und ich glaube, deshalb hatten wir keine Probleme." Aufgrund der starken Power Unit kann sich Ferrari aber trotzdem etwas größere Flügel erlauben.

Red Bull tappt in Setup-Falle

Tatsächlich ist Red Bull in eine Falle getappt. Die Pirelli-Pneus hatten am Trainingsfreitag Probleme mit Graining. An der Hinterachse begann sich das Gummi zu körnen. Der neu verlegte und noch wenig gealterte Asphalt sorgte für ein relativ niedriges Grip-Niveau, das schließlich zum Graining führte.

Red Bull reagierte darauf und setzte auf mehr Abtrieb und eine stärkere Hinterachse. Über das Wochenende verbesserte sich die Strecke aber enorm. Dazu kam ein Wetterumschwung. Die Umgebungstemperatur stieg um acht Grad Celsius auf 28 Grad. Der Asphalt erhitzte sich während des Rennens sogar bis auf 39,8 Grad. Während des 2. Trainings am Freitag wurden teils weniger als 28 Grad gemessen.

Die Summe der Veränderungen führte dazu, dass plötzlich nicht mehr die Hinterachse limitierend war. Der RB18 schob im Renntrimm über die Vorderachse. Deshalb körnte der Reifen vorne links besonders stark.

Außerdem hat der Bulle noch immer ein Gewichtsproblem. Zwar schafft auch Ferrari das Mindestgewicht noch nicht ganz, bei Red Bull rechnet man aber von rund zehn Kilogramm, die auf den Ferrari F1-75 fehlen. Auf eine Runde kostet das 'nur' Rundenzeit. Im Dauerlauf leiden darunter auch die Reifen.