Gleich zweimal sah Ferrari im Qualifying der Formel 1 zum Großen Preis von Saudi-Arabien 2022 wie der fast schon sichere Sieger aus. Nach dem ersten Schlagabtausch im alles entscheidenden Q3 führte Carlos Sainz das Klassement knapp vor Teamkollege Charles Leclerc an. Sergio Perez folgte mit kleinem Respektabstand auf P3, Max Verstappen kam mit seinen Reifen nicht zurecht und lag abgeschlagen gar nur auf P8.

Im großen Finale wusste sich Sainz dann zwar nicht zu verbessern, doch drehte dafür Leclerc den Spieß recht deutlich um. Mit fast zwei Zehntelsekunden Vorsprung schob sich der Monegasse vor den Spanier auf die provisorische Pole Position. Alles deutete auf eine erste Reihe in der Startaufstellung ganz in roter Farbe. Dann kam Perez. Im letzten Moment schnappte der Mexikaner mit einem starken letzten Sektor Leclerc die Pole Position weg und ließ den Ferrari-Traum zerplatzen.

Formel 1 Saudi-Arabien: Charles Leclerc rechnete nicht mit Sergio Perez

"Es ist enttäuschend, heute die Pole Position zu verpassen, denn ich wusste, dass ich eine großartige Runde hingelegt hatte", hadert Leclerc. Mit Perez' Konter habe er nicht gerechnet. "Gut gespielt", lobt der Monegasse anerkennend in Richtung Red Bull. "Das muss eine unglaubliche Runde gewesen sein, denn ich wusste, dass ich schon eine ziemlich gute Runde hingelegt hatte. Dann kam Checo einfach raus und hat es besser gemacht. Toller Job von ihm. Ich hatte im letzten Sektor etwas mehr zu kämpfen. Das Risiko, das er da eingegangen ist, hat sich am Ende vielleicht ausgezahlt", schätzt der WM-Führende und Auftaktsieger von Bahrain.

Nicht ausgezahlt hat sich hingegen Ferraris Reifenstrategie im Q3. Leclerc fuhr beide Runs mit frischen Sätzen Soft, Sainz den ersten mit gebrauchten weichen Pneus, den letzten mit frischen. Dabei hatten sich die Ferrari-Fahrer schon zuvor stets mit den angefahrenen Walzen wohler gefühlt. "Es ist sehr komisch, denn wir sind mit gebrauchten Reifen irgendwie schneller als mit den neuen Reifen", rätselt Leclerc. Doch dieser eher unüblichen Erkenntnis vertraute die Scuderia im Qualifying mit Ausnahme des ersten Runs Sainz' nicht. Ferrari fuhr mit neuen Pneus, wollte diese zum Arbetien bekommen - und scheiterte. "Das müssen wir verstehen, um für die nächsten Rennen besser vorbereitet zu sein und die frischen Reifen da auch ins richtige Fenster zu bringen", fordert Leclerc.

Carlos Sainz ärgert sich: Warum mit gebrauchten Reifen schneller?

Bei Sainz ist der Ärger fast nach größer. Immerhin dominierte der Spanier das Qualifying in Jeddah bis zum letzten Run durchgehend. Bestzeit in Q1, Bestzeit in Q2, Bestzeit im ersten Run des Q3. Erst am entscheidenden Ende entglitt dem Spanier die Spitzenposition. Umso mehr trauert Sainz der Chance hinterher, den gebrauchten Reifen nicht auf diesem letzten Versuch bei besten Streckenbedingungen verwendet zu haben - oder schlicht mit den neuen Reifen zurecht gekommen zu sein.

"Nach dem ersten Run in Q3 dachte ich, die Pole sei drin. Denn ich wusste ja, dass ich die Runde mit den gebrauchten Reifen gefahren war", schildert Sainz. Deshalb ging der Spanier mit eigentlich üblicher Logik davon aus, mit neuen Reifen im letzten Run noch nachlegen zu können. Doch die brachten eben keine Besserung, sondern das Gegenteil. Eigentlich wider besseres Wissen. "Dieses Wochenende fühlte ich mich mit dem gebrauchten Reifen aus irgendeinem Grund viel besser als mit dem neuen Reifen - wie Charles schon gesagt hat", berichtet der Spanier.

Ferrari: Plötzliches Übersteuern mit frischen Reifen kostet Vertrauen

Im entscheidenden Moment vertraute allerdings auch Sainz nicht darauf. "So hat es mich am Ende vielleicht die Pole gekostet, dass ich meine schnellste Runde im Qualifying mit dem gebrauchten Reifen gedreht habe, der mir ein besseres Gefühl gegeben hat und ich nicht in der Lage war, das mit dem neuen Reifen zu verbessern", meint Sainz. Nun müsse er gemeinsam mit dem Team klären, wie man mit dem frischen Pneu besser zurechtkommen können. Plötzliches Übersteuern bei hoher Geschwindigkeit sei damit das Problem gewesen, konkretisiert Sainz. "Und das nimmt dir viel Vertrauen und erlaubt es dir nicht, deine Rundenzeit zu verbessern."

Abgesehen von diesem Reifen-Rätsel zeigt sich Sainz mit seinem Qualifying zufrieden. "Weil ich die ganze Zeit da war", freut sich der Spanier nach einem zuvor unbefriedigenden Rennen in Bahrain. "Ich habe hier viele verschiedene Dinge probiert, vor allem am Freitag mehr als üblich mit dem Setup gespielt", schildert Sainz. "Ab sofort werde ich meine Freitage jetzt experimenteller halten, um zu versuchen, das Auto besser zu verstehen und es besser so hinzubekommen wie es mir gefällt."

Ferrari holt verpasste Longruns nach

Im Qualifying lag allerdings schon in Bahrain nicht das Problem. Das kam erst im Rennen. "Jetzt muss ich schauen, wie ich diese Pace von heute auch im Rennen wiederholen kann. Das sollte möglich sein", meint Sainz. Keine Sorgen bereiten Ferrari die am Freitag wegen Unfällen beider Fahrer verpassten Longruns. "Die haben wir heute Morgen ja im dritten Training nachgeholt", erinnert Leclerc. "Und die Rennsimulationen waren gut. Deshalb bin ich zuversichtlich für morgen!"