Mit einem späten Run auf den superweichen C5-Reifen hat sich Formel-1-Weltmeister Max Verstappen die überlegene Gesamtbestzeit der Wintertestfahrten 2022 in Bahrain gesichert. Trotz eines wilden Drehers beim Aufwärmen des Reifensatzes distanzierte der Niederländer die versammelte Konkurrenz zunächst um fast eine halbe Sekunde, ehe Verstappen in einem zweiten Anlauf nochmals zwei Zehntelsekunden nachlegte und damit für ausgelassene Stimmung in der Red-Bull-Garage sorgte.

Warum? "Wir haben heute noch gar nicht abgetankt", kommentiert Motorsportchef Dr. Helmut Marko bei Motorsport-Magazin.com. Deshalb schätzt der Österreicher Red Bull nun auch stärker ein als das bislang stets sehr überzeugende Ferrari.

Schon am Vormittag hatte Verstappen-Teamkollege Sergio Perez mit heute völlig neuen Seitenkästen am Red Bull RB18 eine erste Bestzeit erzielt. "Sensationell, besser als erwartet", kommentiert Marko den Umbau. Erst bei erneut kühleren und für weiche Reifen besser geeigneten Bedingungen am Nachmittag wurde der Mexikaner durchgereicht.

Rennsimulationen und Racing beim Bahrain-Test

Erneut fokussierten sich die Teams über weite Strecken des Samstags allerdings weniger auf Quali-Runs als auf Rennsimulationen. Pierre Gasly, Guanyu Zhou und Lewis Hamilton am Vormittag sowie Sebastian Vettel und Valtteri Bottas am Nachmittag simulierten einen Grand Prix. Begleitend kam es mehrfach zu regelrechten Rennszenen. Insbesondere Hamilton und Gasly belauerten sich über mehrere Runden und überholten sich mehrfach gegenseitig.

Zwischenfälle und Defekte traten hingegen weitaus seltener auf als am mehrfach unterbrochenen Freitag (s.u.).

Formel-1-Test Bahrain: Red Bull vor Ferrari

Ergebnis: Mit seiner Wochenbestzeit von 1:31.720 Minuten auf C5-Reifen schüttelte Verstappen den Ferrari von Leclerc um 0,695 Sekunden ab. Der Monegasse erzielte seine Zeit allerdings auf den C4-Pneus und deutlich früher, bei wärmeren Bedingungen. Platz drei ging an Fernando Alonso, der mit der Alpine fünf Minuten vor Schluss eine 1:32.698 auf C4-Reifen hinlegte und es so als einziger Fahrer neben Leclerc auf unter eine Sekunde Rückstand auf Verstappen schaffte. Platz vier ging an Mercedes und George Russell mit einer 1:32.759 auf den C5-Reifen. Zur Aussagekraft: Fragezeichen stehen weiterhin hinter Spritladungen und Motoreneinstellungen. Marko erwartet Mercedes jedenfalls stärker als der große Rivale des Vorjahres selbst mahnend protokolliert.

Auf dem fünften Rang folgte Valtteri Bottas - mit C3! - vor Yuki Tsunoda mit C5. Vormittagsfahrer Perez landete mit C4 auf P7 vor Mick Schumacher auf C3-Pirellis. Für den Deutschen ging der Test noch etwa zwei Stunden weiter. Wie zuvor Kevin Magnussen gestern und heute Morgen durfte der Deutsche am Abend Überstunden leisten. Haas darf in Bahrain vier zusätzliche Stunden fahren, die das Team am Donnerstag wegen unverschuldeter Logistik-Probleme verloren hatte.

Schumacher dank Haas-Überstunden noch auf P2

Update 19 Uhr: Das wirkte sich wie schon am Freitag, als Magnussen in seinem Solo-Run nachträglich sogar noch die Tagesbestzeit erzielte, deutlich auf das Ergebnis aus. Mit einer 1:32.241 Minuten drängelte sich Schumacher bis auf den zweiten Platz nach vorne. 0,521 Sekunden fehlten auf Verstappen. Wie bei Magnussen ist das wegen der nicht mehr vergleichbaren Temperaturen alles andere als repräsentativ, dennoch werden die Runden für das offizielle Endergebnis berücksichtigt.

Auch Sebastian Vettel schaffte es zum Testabbschluss in die Top-10, direkt hinter Lando Norris im McLaren auf P9.

Formel-1-Testfahrten 2022 in Bahrain - Ergebnis Samstag

P.FahrerZeitRundenReifen
1Verstappen1:31.72053C5
2Schumacher*1:32.24185C4
3Leclerc1:32.41551C4
4Alonso1:32.698122C4
5Russell1:32.75971C5
6Bottas1:32.98568C3
7Tsunoda1:33.00257C5
8Perez1:33.10543C4
9Norris1:33.19190C3
10Vettel1:33.82181C4
11Zhou1:33.95982C4
12Gasly1:34.86591C4
13Sainz1:34.90568C5
14Albon1:35.17118C3
15Latifi1:35.634124C3
16Stroll1:36.02953C3
17Hamilton1:36.21778C5
18Magnussen1:38.61638C2

*Schumacher erzielte seine Zeit nach dem offiziellen Sessionende in einem nur für Haas verlängerten Test. Zuvor hatte das Team unverschuldet Testzeit verloren. Schumachers Zeit ist somit nicht repräsentativ, da bei völlig anderen Bedingungen entstanden. Während der offiziellen Session fuhr Schumacher in 1:33.151 Minuten mit den C3-Reifen auf Platz acht.

Bis auf Red Bull, Haas (vor dem Zusatztest) und McLaren erreichten am Samstag alle Teams die 100-Runden-Marke. Alfa Romeo stand mit 150 Umläufen knapp an der Spitze vor Mercedes (149) und AlphaTauri (142).

Wetter: Kühlere Bedingungen zum Abschluss der Formel-1-Testfahrten 2022 in Bahrain. Anders als an den beiden Vortagen kletterte da Quecksilber längst nicht weit über die 30-Grad-Marke hinaus. Selbst in der heißesten Phase des Tages blieb es bei angenehmeren Temperaturen von rund 25 Grad Celsius. Erneut erschwerte ein recht kräftiger Wind, diesmal allerdings aus nördlicher Richtung, die Programme der Teams. Dieser wehte immerhin weniger Sand auf die Strecke als am Freitag.

Schumacher-Dreher sorgt für rote Flagge

Zwischenfälle & Probleme: Nach einem von roten Flaggen und Problemen nur so gespickten Freitag ging es zum großen Testfinale deutlich gesitteter zu. Erst ein neuerlicher Test des Ampelsystems und des Restart-Prozederes kurz vor der Mittagspause sorgte wenige Minuten lang für eine gewollte erste rote Flagge des Tages. Zuvor hatte zu Testbeginn lediglich Alex Albon mit einem verlorenen Williams-Teil in Kurve drei für ein kurzes virtuelles Safety Car gesorgt.

Für eine zweite kurze Unterbrechung sorgte am Nachmittag Mick Schumacher mit einem wilden Dreher am Ausgang der letzten Kurve. Einem Einschlag entging der Haas-Pilot zwar knapp und konnte mühelos zurück in die Box fahren, doch war da die rote Flagge schon aktiviert. Nach minimaler Pause ging es weiter. Kurz vor Sessionende tat es Max Verstappen dem Haas-Fahrer gleich - diesmal allerdings ohne eine rote Flagge zu triggern.

Haas kämpft erneut mit Lecks, McLaren lindert Bremsprobleme

Auch technische Probleme waren am Samstag deutlich seltener. Am härtesten erwischte es noch Haas. Am Vormittag verlor Kevin Magnussen erst wegen eines Wasserlecks, dann wegen eines Problems am Benzinsystem wertvolle Testzeit. Ersteres war noch zügig behoben, Letzteres sorgte für ein vorzeitiges Ende der Vormittagssession nach insgesamt 38 Runden. 17 davon hatte der Däne schon vor offiziellem Testbeginn abgespult als Haas weitere am Donnerstag eingebüßte Zeit wegen unverschuldeter Verzögerungen bei der Anreise nachholen durfte.

40 Minuten vor Ende der Nachmittagssession rollte Valtteri Bottas mit mutmaßlichen Getriebeproblemen am Alfa Romeo nach einer schnellen Runde unvermittelt Anfang des Mittelsektors aus und sorgte damit für die zweite echte rote Flagge des Tages. Die Bergung ging zügig vonstatten. Nach wenigen Minuten gab die Rennleitung den Test wieder frei. Für Alfa und Bottas war der Tag dennoch gelaufen.

Zumindest leichte Besserung stellte sich am Samstag bei den überhitzenden Vorderbremsen McLarens ein. In der Nacht erhielt das Team neue Teile aus der Fabrik, die die Probleme zumindest lindern konnten. "Aber die finale Lösung müssen wir bis zum Rennwochenende warten", berichtete Teamchef Andreas Seidl. Mit dem Provisorium war allein am Vormittag eine erneut 90-minütige Wartezeit für Lando Norris unumgänglich. Auch am Nachmittag gab es zahlreiche Studien von Verbremsern des MCL36.