Die ersten Kilometer der neuen Formel-1-Generation sorgten bei einigen Teams für ein böses Erwachen. Die Autos springen auf den Geraden regelrecht und sorgen dadurch nicht nur für ein unschönes Fahrgefühl, sondern auch für ernsthafte technische Probleme.

Alle Teams kämpfen mit dem Phänomen, das bei Simulationen und im Windkanal noch kein Thema war, aber ein alter Bekannter aus der Zeit des Ground Effects ist. Das Grundprinzip hat sich auch im Vergleich zu den letztjährigen Autos nicht geändert: Je schneller sich das Auto bewegt, desto mehr Anpressdruck erzeugt es.

Je mehr Anpressdruck generiert wird, desto stärker wird das Auto auf den Boden gedrückt. Auch daran hat sich 2022 nichts geändert. Der Unterschied: Ein deutlich größerer Teil des Anpressdrucks kommt nun vom Unterboden.

Irgendwann wir die Kraft so groß, dass die Luft am Unterboden so schnell ist, dass sich die Strömung von den Aero-Oberflächen ablöst oder das Auto gar mit der Bodenplatte aufsetzt. Der Abtrieb am Unterboden reißt schlagartig ab, das Auto federt wieder aus. Schlagartig liegt der Anpressdruck wieder an, das Auto setzt wieder auf. Der Vorgang wiederholt sich ständig. Schon bei den Ground-Effekt-Fahrzeug in den 1980er Jahren war das Problem präsent.

Bouncing bereitet Fahrern und Ingenieuren Kopfzerbrechen

Die Teams sind unterschiedlich stark vom Effekt betroffen. Bei McLaren sind zum Beispiel geringere Probleme zu beobachten. Das hängt mit dem Setup zusammen, der Steifigkeit des Unterbodens und vor allem auch mit DRS. Bei geöffnetem DRS tritt das Problem seltener auf, weil der Abtrieb geringer wird.

Für die Fahrer ist der Effekt unangenehm. "Es scheint Teil der diesjährigen Formel 1 zu sein, hoffentlich ändert sich das die nächsten Wochen. Es macht sich auf den Geraden bemerkbar, aber es ist noch okay", meint Mick Schumacher.

Für die Fahrer mag der Effekt unangenehm sein, wahre Kopfschmerzen bereitet er aber den Ingenieuren. "Die meisten von uns haben das Problem unterschätzt, es ist mehr als wir erwartet hatten", gesteht Ferrari-Teamchef Mattia Binotto.

Formel-1-Teams sind zu Kompromissen gezwungen

"Die Lösung ist wohl einfach, aber das schwierige ist, dabei keine Performance zu verlieren", erklärt Binotto. Der vom Unterboden generierte Abtrieb ist in hohem Maße von der Fahrzeugposition in Relation zur Strecke abhängig. Je tiefer die Autos fahren, desto besser funktionieren die Venturi-Kanäle. Die Kunst ist, dass Auto möglichst tief abzustimmen, nicht aber den Boden zu berühren.

Es wäre ein Leichtes, das Aufsetzen schlicht mit einer härteren Fahrzeugabstimmung oder mehr Bodenfreiheit zu verhindern. Ersteres würde sich aber negativ auf Bodenwellen und beim Überfahren der Kerbs auswirken, Letzteres hätte einen Verlust an Abtrieb zur Folge.

Die Teams suchen nach Lösungen, möglichst wenig Kompromisse eingehen zu müssen. Erschwert wird das durch die 18-Zoll-Reifen. Die Seitenwände der Pneus haben zwar bei der Steifigkeit um rund zwölf Prozent zugelegt, dafür haben sie rund 30 Prozent ihrer Dämpfungseigenschaft verloren.

Außerdem beginnen die Teams auch beim mechanischen Setup bei null. Die hydraulische Betätigung beim dritten Federelement ist 2022 verboten. Darüber erreichten es viele Teams in der Vergangenheit, das Heck auf der Geraden abzusenken, um den Luftwiderstand zu verringern.

Aktuell probieren die Teams noch in alle Richtungen, nehmen teilweise extremes Bouncing auf den Geraden in Kauf. Bei Alfa und Haas gab es schon bei den Filmtagen extreme Probleme und kaputte Unterböden dadurch. Beide konnten nicht einmal die 100 Kilometer ausnutzen. Am ersten Testtag in Barcelona setzten sich die Probleme fort. Inzwischen ist das Setup zumindest soweit, dass man Fahren kann. Alfa-Teamchef Frederic Vasseur rechnet aber erst in Bahrain mit einer endgültigen Lösung.