Mit einer neuen Lackierung für den FW44 trägt Williams nun auch optisch die Handschrift seines noch immer frischen Teamchefs Jost Capito. Das neue Gewand in verschiedenen Blautönen mit roten Akzenten soll bei dem ehemaligen Formel-1-Familienteam aus Grove nach einer jahrelangen Misere endgültig eine neue Zeitrechnung einläuten. Nicht umsonst nimmt man mit den neuen Farben wieder das Schema einer sehr viel erfolgreicheren Vergangenheit auf. Die Farben sind auch ein Statement. "Wir sind ein stolzes britisches Team", betont Capito.

Genau diesen Stolz hatte Williams in den vergangenen Jahren seines Niedergangs anscheinend verloren. Von 2018 bis 2020 landete der neunmalige Konstrukteursweltmeister dreimal in Folge auf dem letzten WM-Rang und schien sich bereits damit abgefunden zu haben. Zumindest wenn es nach dem Bild geht, das sich Capito bot, als der Deutsche im Februar 2021 erst als CEO, später zusätzlich als Teamchef, die Heiligen Hallen von Grove betrat.

Williams hat seinen Stolz zurück

"Erstmal hast du da großen Respekt. Wenn du zu Williams kommst, dann ist es ein Team mit einem großen Andenken, mit großen Erfolgen in der Vergangenheit. Es ist eine große Ehre und auch ein großer Druck. Williams zurückzubringen, ist ein großer Druck", erinnert sich Capito an seinen Einstand vor gut einem Jahr.

Alles umkrempeln müssen habe er nicht, resümiert der Siegerländer im Rahmen der Präsentation des FW44 sein erstes Jahr in Grove. "Wir haben nicht viele Personaländerungen vorgenommen, aber ein paar kritische", sagt Capito. Etwa die Installation seines aus erfolgreichen Rallye-Tagen bei VW vertrauten Starkonstrukteurs Francois-Xavier "FX" Demaison als Technischen Direktor. Wichtiger sei etwas anderes gewesen - nämlich das richtige Mindset zu (re)-etablieren. "Was sehr geholfen hat, ist, den Spirit des Teams zu verbessern und ihnen den Stolz zurückzugeben", erinnert sich Capito.

Spa-Podium & Punkte-Comeback 2021 boosten Williams

"Es gibt jetzt nicht mehr dieses Gefühl, in der Formel 1 zu sein und damit da zu sein, wo wir sein wollen. Jetzt ist es so, dass wir in der Formel 1 sind und nicht mehr akzeptieren, Letzter zu sein. Wir wollen nach vorne kommen und dafür arbeiten wir hart. Wir wollen diese Reise genießen. Das ist die Hauptsache", schildert Capito.

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Ganz entscheidende Momente seien dabei die ersten Erfolge im Vorjahr gewesen. "Es war eine tolle Saison für uns. Vor allem der Schritt von 2020 auf 2021 war echt klasse. Diese Ergebnisse, wieder um Punkte zu kämpfen und dann das Podium in Spa als Kirsche auf der Sahne waren ein toller Boost für das ganze Team. Nicht nur an der Strecke, sondern auch in der Fabrik", berichtet der Williams-Leiter.

Capito mahnt: Auf die Top-Teams fehlt noch was

Nur um Spirit und Stolz geht es allerdings nicht. Auch die Arbeitsabläufe und die Kommunikationswege unterzog Capito einer Frischzellenkur. "Wir sind von einem Familienunternehmen zu einem gut strukturierten Engineering-Unternehmen geworden", beschreibt Capito die noch immer voranschreitende Transformation in Grove. "Ich hoffe, dass sich dieser Buzz anhand der Performance des FW44 zeigen wird."

Große Sprünge seien gleich 2022 allerdings nicht zwingend zu erwarten. "Verglichen mit den Top-Teams fehlt uns noch immer etwas, weil wir über die letzten Jahre nicht so viel investieren konnten", erinnert Capito. Selbst nach der Übernahme durch Dorilton Capital sei das nicht uneingeschränkt möglich gewesen. Capito: "Letztes Jahr waren unsere Investitionen auch durch die Kostengrenze limitiert." Immerhin würden 2022 alle erst einmal mit einem weißen Papier beginnen. "Da ist es aber schwer zu sagen, wo alle starten. Für uns wäre es ein Fortschritt, wenn wir uns im Verhältnis zur Konkurrenz über die Saison verbessern - wo auch immer wir die Saison beginnen", sagt Capito.

Das holst du nicht in einem Jahr auf

Eine Wunderheilung erwartet Williams also schon selbst nicht. Dafür reichte bislang schlicht die Zeit nicht - auch für Capito. "Ich bin erst seit Februar 2021 hier, das ist nur ein Jahr. Die Entwicklung des neuen Autos hatte schon angefangen und als FX im April oder Mai kam, war bereits ein Viertel der neuen Entwicklung [für 2022] fertig", erklärt Capito. "Man konnte aber noch Anpassungen vornehmen und die gab es auch."

Die volle Verantwortung für alle Erfolge, aber auch Misserfolge übernehme er dennoch. "Aber das Team von da, wo wir 2020 waren [WM-Letzter, 0 Punkte], zurückzubringen, ist es ein langer Weg. Das kann man nicht in einem Jahr aufholen und beheben", betont Capito. "Es ist noch mehr zu tun als schon getan wurde."