Die Rückkehr des Race of Champions aus einer zweijährigen Pause am vergangenen Wochenende war ein voller Erfolg. Nicht nur für im Winter ausgehungerte Motorsport-Fans, sondern auch das Who is Who diverser Disziplinen von Formel 1 bis Rallycross. Einmal mehr mittendrin bei dem diesmal vor allem mit Rallycross-Autos auf Schnee und Eis in Schweden ausgetragenen Event: RoC-Dauerbrenner Sebastian Vettel.

Mit Feuereifer war der viermalige Formel-1-Weltmeister am Wochenende bei der Sache. Locker, lässig und grinsend trat Sebastian Vettel auf, sehr viel gelöster und ganz anders als in zuletzt sportlich durchwachsenen Jahren in der Formel 1. Selbst ein frühes Viertelfinal-Aus im Nations Cup am Samstag mit Mick Schumacher konnte die Laune allenfalls kurzzeitig trüben.

Formel-1-Weltmeister Vettel verliert gegen eSportler

So rettete der am Samstag noch kämpfende Vettel - im Achtelfinale setzte es sogar eine Niederlage gegen eSportler Lucas Blakeley, einzig Schumacher rettete zumindest das Viertelfinale - am Sonntag auch seine Ehre und rückte nun bis ins Finale vor. Dort unterlag der Aston-Martin-Pilot zwar deutlich mit 1:3, aber gegen Rallye-Legende Sébastien Loeb.

"Sébastien war heute einfach zu schnell. Die Bedingungen da draußen waren knifflig und es wurde immer rutschiger, was für Schnee und Eis normal ist, wie ich annehme", scherzte der Rallye-Novize. "Ich habe nicht so viel Erfahrung, also hatte ich zu kämpfen, mich anzupassen." Noch dazu sind in der Formel 1 ganz andere Qualitäten gefragt. Driften? Pures Gift.

Vettel sieht steile Lernkurve und noch viel Potenzial

"In meinem täglichen Job ist Querstehen das, was wir zu vermeiden versuchen", erinnerte Vettel. "Aber ich hatte das Gefühl, dass ich mich jedes Mal, wenn ich gefahren bin verbessert habe. Das ist ein gutes Zeichen, aber auch ein Zeichen, dass ich noch viel zu lernen habe!"

Dass es gegen Loeb extrem schwierig werden würde, sei ihm klar gewesen. "Und vielleicht habe ich etwas zu hart gepusht. Aber ich wusste, dass ich alles versuchen muss, um Seb nahezukommen. Ich habe hier und da Fehler gemacht, also muss ich unter diesen Bedingungen noch etwas aufholen", sagte Vettel. "Die meisten Runs [gegen Loeb] war es sehr klar. Und mit dem elektrischen Rallycross-Auto hat er mir einen Gefallen getan", erinnerte Vettel an einen für ihn glücklichen Bandenkontakt des Franzosen - nachdem zuvor schon Vettel selbst die Bande touchiert hatte.

Vettel bald auch Rallyefahrer wie Räikkönen, Bottas & Kubica?

Unter dem Strich hatte Vettel nach seinen Problemen am Samstag eine derartige Steigerung jedoch nicht erwartet - und so gesellt sich nun zum alleinigen Spaß an der Sache auch der berüchtigte Ehrgeiz des Heppenheimers. Diese Kombination hat bei Vettel nun sogar das Interesse an mehr Einsätzen im Rallye- oder Rallycrossauto geweckt. Folgt er also seinen Formel-1-Wegbegleitern Kimi Räikkönen, Robert Kubica (beide in der WM) und Valtteri Bottas (nationale Rallyes) und wagt bald einen Abstecher in den Rallyesport?

Auch Finne Kimi Räikkönen machte bei seinem Rallyeabstecher Bekanntschaft mit Schneewänden, Foto: Sutton
Auch Finne Kimi Räikkönen machte bei seinem Rallyeabstecher Bekanntschaft mit Schneewänden, Foto: Sutton

Zumindest einen Test würde Vettel ganz offensichtlich zusagen. "Du brauchst die Zeit und Erfahrung, aber wenn mich mal jemand ranlassen und mir eine Chance geben will und viel Zeit hat, dann würde ich mich freuen, mir das anzuschauen", sagte Vettel nach dem RoC dem Rallye- und Offroad-Portal dirtfish.com.

Vettel: Wenn mir jemand eine Chance gibt, freue ich mich!

Diese Aussage des viermaligen Formel-1-Weltmeisters fiel sofort auf fruchtbaren Boden in der Szene. "Seb, ruf uns an", twitterte die FIA Rallycross-WM. Das M-Sport-Team richtete sich direkt an Vettels Arbeitgeber Aston Martin: "Unsere E-Mail ist info@m-sport.co.uk. Könnt ihr das an Seb weiterleiten, damit er uns schreibt?" Vettel selbst entzieht sich weiterhin sämtlichen Sozialen Medien.

Sehen wir bald den ersten berühmten Seb-Finger im Rallyeauto?, Foto: LAT Images
Sehen wir bald den ersten berühmten Seb-Finger im Rallyeauto?, Foto: LAT Images

Auch wenn solche Nachrichten scherzhaft zu verstehen sind, sollte Vettel sich tatsächlich melden, wären die Absender angesichts der internationalen Strahlkraft eines viermaligen Formel-1-Champions wohl alles andere als abgelehnt.

Vettel & Rallyesport: Kann das passen?

Spaß an der Materie - auch in der Tiefe - hat Sebastian Vettel jedenfalls schon gefunden. "Ich habe ihnen immer gerne zugesehen. Es ist eine andere Disziplin. Du hast noch immer Spaß mit einem Auto, aber es gibt einfach große Unterschiede. Es ist faszinierend", schwärmt Vettel. "Wir haben uns über Mittag [beim RoC] unterhalten, um auch etwas mehr zu verstehen. Denn es ist nicht so, dass du im Auto bist und fährst. Sehr ähnlich wie in der Formel 1 oder in jeder anderen Kategorie spielt sich hinter den Kulissen jede Menge Arbeit ab. Du musst deine Pacenotes machen und alle Informationen bekommen, genauso wie wir das Rennen vorbereiten und danach analysieren."

Nicht nur da Fahren sei also eine Herausforderung, aber auch. Doch wie passt Rallyesport zu Sebastian Vettel und seinem Fahrstil? Immerhin werden dem Deutschen seit Jahren Probleme mit einem nervösen Heck nachgesagt, geschuldet zahlreichen Drehern und ausbrechenden Momenten bei Ferrari. In Vettels stärksten Jahren mit Red Bull gab es das nicht. Damals klebte das Heck, anfangs sogar noch dank Doppeldiffusor, allerdings sehr viel extremer auf dem Asphalt.

Magisches Highlight für Vettel: Co-Pilot von Stig Blomqvist im legendären Audi Quattro S1, Foto: LAT Images
Magisches Highlight für Vettel: Co-Pilot von Stig Blomqvist im legendären Audi Quattro S1, Foto: LAT Images

Im gegenüber einem auch heutigen Formel-1-Auto - 2022 kehrt allerdings ohnehin der mächtige Ground Effect zurück - sehr viel nervöseren Rallye-Boliden könnte Vettel dennoch zurechtkommen, wenn die Herangehensweise stimmt. Vettel selbst fand ohnehin Gefallen an den völlig anderen Erfordernissen. "Als Fahrer ist es sehr zufriedenstellend, wenn du mit dem Auto spielen kannst und etwas Spielraum hast. Normalerweise korrigierst du es sofort, wenn das Auto ausbricht, und schon hast du etwas Zeit verloren. Hier ist das grauer", schildert Vettel.

Vettel hat Spaß: Mehr Spielraum als im Formel-1-Auto

Vettel weiter: "Wenn du querstehst, ist die Zeit vielleicht etwas weg, aber du kannst es noch korrigieren. Aber natürlich musst du in dieses richtig kleine Fenster kommen, um perfekt zu sein. Und du hast den Unterschied gesehen! Aber es ist auf jeden Fall etwas, das ich genieße." Für einen ersten Versuch sah zumindest Vettels Lernkurve vorzeigbar aus. Sich zügig auf sehr unterschiedliche Fahrzeuge einstellen zu können, hatte der Deutsche grundsätzlich schon mehrfach beim Race of Champions bewiesen, nicht zuletzt durch seine Seriensiege im Nations Cup mit Michael Schumacher. Mehr Nachholbedarf besteht da schon eher darin, auch bei eisigen Temperaturen die Korken knallen zu lassen ...