Die Formel-1-Rennleitung hat mit ihrer Handhabung des Safety-Car-Restarts eine Runde vor Schluss in Abu Dhabi eine WM-Kontroverse heraufbeschworen. Während vorne Lewis Hamilton so die WM verlor und Mercedes nun weitere Schritte diskutiert, hatten die Entscheidungen aber für viele andere Fahrer ebenfalls Konsequenzen.

Stein des Anstoßes: Die Rennleitung kündigte drei Runden vor Schluss an, dass sich die überrundeten Autos nicht zurückrunden dürften. Eine Runde später korrigierte man den Kurs, winkte aber nur jene fünf Überrundeten durch, die zwischen Hamilton und Max Verstappen feststeckten, und gab dann sofort das Rennen frei. Als Folge war das Feld hinter dem WM-Showdown wild - und fast willkürlich - durchgemischt. Das hinterlässt viele verwirrte Fahrer, und sorgt für Kritik.

Norris kritisiert: Alles fürs Fernsehen

Das Standard-Prozedere in einer Safety-Car-Phase wäre es, alle Überrundeten an den Autos in der Führungsrunde vorbeizuwinken. Dadurch erfolgt ein Neustart dann eine Runde später so, dass alle Autos auf der Strecke wie im Klassement gereiht sind. In Abu Dhabi wurden aber eineinhalb Runden vor Schluss - und eine halbe Runde vor dem Restart - nur die fünf Autos zwischen Hamilton und Verstappen angewiesen, sich zurückzurunden.

Reihenfolge Ziellinie: Runde 56 von 58
Der Zwischenstand vor dem Zurückrunden.

FahrerRückstand
Hamilton-
Norris1 Runde
Alonso1 Runde
Ocon1 Runde
Leclerc1 Runde
Vettel1 Runde
Verstappen6.892
Ricciardo1 Runde
Stroll1 Runde
Sainz11.701
Bottas13.198
Schumacher1 Runde
Tsunoda15.042
Gasly16.635

Der Restart erfolgte dann in eigenartiger Reihung: Hinter Hamilton und Verstappen ein Gemisch an Überrundeten und Autos in der Führungsrunde. Und dann gab es die fünf - Lando Norris, Fernando Alonso, Esteban Ocon, Charles Leclerc und Sebastian Vettel - die zwar überholen hatten dürfen, aber durch den frühen Restart das Feld noch nicht wieder eingeholt hatten und eine Minute zurücklagen.

Reihenfolge Ziellinie: Runde 57 von 58
Der Zwischenstand nach dem Zurückrunden.

FahrerRückstand
Hamilton-
Verstappen0.456
Ricciardo1 Runde
Stroll1 Runde
Sainz3.368
Bottas4.058
Schumacher1 Runde
Tsunoda15.042
Gasly16.635
Norris59.512
Alonso61.175
Ocon62.851
Leclerc63.574
Vettel66.298

"Das war offensichtlich dafür gemacht, ein Duell zu erzeugen, natürlich für TV, für das Ergebnis", ist Lando Norris überzeugt. "Ob es fair war oder nicht, habe ich nicht zu entscheiden." George Russell, der da schon ausgefallen war, hatte eine deutlichere Meinung: "Was da gerade passiert ist, ist absolut inakzeptabel. Ich kann nicht glauben, was wir gerade gesehen haben."

Vettel & Alonso kritisieren: Warum so spät?

Viel Kritik geht auf widersprüchliche Nachrichten zurück. "Sie sagten, sie würden uns nicht vorbeilassen", meint Norris. "Dann machen sie es plötzlich für die letzte Runde und für ein Ein-Runden-Shootout, das hat mich überrascht."

Sebastian Vettel sieht gegenüber Motorsport-Magazin.com das Problem klar: "Es war spät, zu spät. Sie hätten uns denke ich sofort überholen lassen sollen. Wie sonst." Das entspricht in etwa dem Vorgehen vergangener Safety-Car-Phasen. Sobald das Feld hinter dem Safety Car aufgesammelt war, wird in der Regel mit den Zurückrundungen begonnen. In Abu Dhabi wäre das Feld schon in der Runde davor, Runde 56, dafür bereit gewesen. Hätte man in Runde 56 tatsächlich damit angefangen, wäre jetzt auch die Kontroverse um die vermeintliche Nicht-Einhaltung des Sportlichen Reglements hinfällig.

"Natürlich kämpfen die da vorne, da musst du einfach den Weg freimachen", meint Vettel. "Ich weiß nicht, was da so lange gedauert hat. Schade für uns, wir hatten wegen der Aufteilung dann kein Rennen." Fernando Alonso unterstützt: "Als das Safety Car kam, dachte ich, wir würden gleich überholen dürfen. Das passiert normalerweise, du bekommst sofort das grüne Licht, und dann rundest du dich zurück, während sie das Auto wegräumen."

Aber erst kam die Anweisung von der Rennleitung, es würde keine Rückrundungen geben. "Dann kommt das grüne Licht und ich sage, aber wir haben das grüne Licht?", beschreibt Alonso. Das grüne Licht bezieht sich auf das Lichtsignal das Safety Cars, welches das Überholen zum Zweck des Zurückrundens erlaubt. "[Mein Ingenieur] sagte mir, es geht jetzt, folge Norris, also bin ich Norris gefolgt. Verwirrend."

Ricciardo und Sainz kritisieren: Wurden benachteiligt

Für Norris, Alonso, Ocon, Leclerc und Vettel brachte die Aktion nichts. Sie waren nun im Niemandsland und konnten bei Freigabe des Rennens nichts tun als im Formationsflug ins Ziel zu fahren. Hinter ihnen ging das grüne Licht aus. Daniel Ricciardo und Lance Stroll mussten zwischen dem zweitplatzierten Verstappen und dem drittplatzierten Sainz bleiben.

Restart: Ricciardo steckt hinter Hamilton und Verstappen, Stroll hält im Hintergrund Sainz auf, Foto: LAT Images
Restart: Ricciardo steckt hinter Hamilton und Verstappen, Stroll hält im Hintergrund Sainz auf, Foto: LAT Images

"Ich dachte, es sei fair, weil Lewis eine so große Führung gehabt hatte und Max jetzt neuere Reifen hatte, und so müsste er sich durch den Verkehr kämpfen beim Restart, und dann sah ich ein paar Autos überholen", sagt Ricciardo. Als er nachfragte, wurde er angewiesen, zu bleiben. Was ihm teuer zu stehen kam, denn er hatte eigentlich auf Soft gewechselt und war nur durch Verstappen von Leclerc und Vettel, und damit von einem WM-Punkt, getrennt gewesen. Plötzlich durften die beiden sich zurückrunden, wodurch Ricciardos Lücke unverschuldet von vier auf 24 Sekunden anwuchs.

Auf der anderen Seite stand Carlos Sainz. Der Drittplatzierte musste auf alten Reifen und hinter dem überrundeten Stroll die letzte Runde fahren: "Das ist glaube ich noch nie passiert, ein Restart mit den beiden vor mir, während ich um P3 gekämpft habe. Das war seltsam, das sollte man sich anschauen. Einfach sehr seltsam, hat mir fast mein Podium gekostet." Denn von hinten drückten die beiden AlphaTauris und Valtteri Bottas mit besseren Reifen. Gerade noch rettete Sainz das Podium über die Linie.