1:0 für Max Verstappen beim großen Finale im Kampf um die Formel-1-WM 2021. Und wie: Im Qualifying zum Großen Preis von Abu Dhabi drehte der Niederländer den Spieß gegen Lewis Hamilton nach zuvor zwei Trainingsbestzeiten für den amtierenden Weltmeister deutlich um und sicherte sich eine überlegene Pole Position.

Im ersten Run im entscheidenden Q3 brummte Verstappen seinem Rivalen mehr als eine halbe Sekunde auf. Eine Demütigung, erzielt aber auch dank Windschatten seines Teamkollegen Sergio Perez. Im zweiten Run prallte Hamilton trotz Verbesserung um noch immer deutliche 0,371 Sekunden an der ersten Vorgabe Verstappens ab. Der konnte seinen letzten Run damit abbrechen. Einziger Wermutstropfen: Nach einem Verbremser auf dem Medium im Q2 musste Verstappen auf weiche Reifen wechseln und damit ins Q3 fahren. Deshalb startet er auf dem strategisch in der Regel suboptimalen Reifen.

Formel 1 Abu Dhabi: Red Bull Durchbruch per Flügelwechsel

"Ein großartiges Gefühl, wir haben das Auto im Qualifying auf jeden Fall wieder verbessert", schwärmt Verstappen. "Vorher war unser Wochenende in Sachen Balance nämlich mal gut, mal schlecht. Aber für das Qualifying haben wir die richtige Entscheidung getroffen. Kaum war ich im Qualifying, hatte ich ein besseres Gefühl. Perfekt war es im Q1 noch nicht, wir mussten noch feintunen. Aber ab Q2 war es etwas besser."

Verantwortlich für den klaren Schritt nach vorne war vor allem ein großer Umbau an der Heckpartie des RB16B - inklusive eines neuen Heckflügels. "Wir wollten das einfach versuchen und es fühlte sich gut an. Perfekt war die Balance noch nicht, nachdem wir es gewechselt hatten. Aber dann haben wir für das Qualifying weitere Änderungen vorgenommen und die haben dann funktioniert", sagt Verstappen.

Marko: Verstappen gesagt, er soll Jeddah-Style machen

Den Rest erledigte Talent. "Wir haben ihm gesagt, er muss wieder Jeddah-Style fahren", berichtet Red Bulls Motorsportchef Dr. Helmut Marko bei Motorsport-Magazin.com. "Wir haben das Auto verbessert und es war wieder Jeddah-Style. Die zweite Runde wäre sogar schneller gewesen!" Dann konnte Verstappen die Runde abbrechen, weil Hamilton sich nicht verbesserte. "Kein Risiko", erklärt Marko. Besser kein Jeddah-Style, Teil zwei.

Doch warum war auch der zweite Run vorzeigbar? Teamkollege Perez spendierte im zweiten Run keinen Windschatten mehr wie noch im ersten Versuch im Q3. "Auf dem ersten Run war das echt toll, natürlich", dankt Verstappen dem Mexikaner. "Aber auf dem zweiten Run hatte ich einen sehr guten Ausgang aus Kurve sieben. So habe ich auch alleine keine Zeit auf der Gerade verloren und war bis Kurve 13 fast auf derselben Zeit. Aber im ersten Run war es ein echt netter Windschatten!"

Verstappen dankt Perez für Windschatten

Mehr als eine Zehntel habe ihm das allerdings auch nicht gebracht, so Verstappen. "Bis Kurve neun ist das keine heftig lange Gerade. Trotzdem ist Checo ein toller Teamkollege. Eine Freude mit ihm zu arbeiten! Natürlich großes Dankeschön an ihn", lobt Verstappen.

Auch Christian Horner hält den Windschatten nicht für entscheidend. "Er hat es auch ohne Windschatten in der nächsten Runde geschafft, die Zeit zu egalisieren, und der Windschatten war vielleicht eine oder zwei Zehntel wert, keine halbe Sekunde", sagt der Teamchef bei Sky. Marko spricht dagegen von drei Zehnteln. Für die Pole mit 0,371 Sekunden Vorsprung war allerdings auch dieser Wert nicht essentiell. Stattdessen sei es der Verstappen-Faktor gewesen. "Eine seiner besten Runden", befindet Horner. "Der letzte Sektor, wenn du dir da den Downforce-Level ansiehst, den er hat, dann ist das verrückt. Absolut verrückt!"

Zufällig kam das Vorgehen übrigens nicht - obwohl Helmut Marko noch am Freitag davon gesprochen hatte, nicht mit Windschatten experimentieren zu wollen. Ein starkes Qualifying-Ergebnis für Perez bringe im Rennen aus strategischen Gründen mehr, so der Grazer am Freitag. Doch am Samstag entschied sich Red Bull anders. "Wir haben das vor dem Qualifying besprochen", verrät Verstappen. Geübt wurde im dritten Training nicht einmal. Verstappen. "Checo und ich haben gesagt, dass wir zuversichtlich sind, es in einem Run zu schaffen. Und das haben wir."

Verbremser kostet Verstappen Medium-Reifen: Hoffnung auch mit Soft

Einziger Makel des Verstappen-Qualifyings. Im Q2 verbremste sich der Niederländer nach einer mäßigen ersten Runde auf dem Medium in seinem zweiten Versuch in Kurve eins derart, dass ein Reifen flachgebremst war. Der Satz war hinüber, kein Medium mehr übrig. So musste Red Bull im entscheidenden Schuss auf weichen Reifen ausrücken. Verstappen qualifizierte sich damit für Q3 und muss nun auf diesem Pneu das Rennen beginnen.

Am Start bringt das Traktionsvorteile gegen Hamilton auf Medium, doch im Longrun scheint der Nachteil offensichtlich. "Das war auf jeden Fall nicht der Plan", berichtet Verstappen. "Ich wollte auf dem Medium starten, aber den habe ich flachgebremst", klagt der Niederländer. Allzu große Sorgen bereit das dem WM-Leader jedoch nicht. "Ich fühlte mich gestern im Longrun auch mit dem Soft wohl. Deshalb war es keine allzu schwere Entscheidung, auf Soft zu gehen", sagt Verstappen.

Auch Marko erwartet kein Drama. "Warum ist das ein Nachteil?", fragt der Motorsportchef auf Nachfrage direkt zurück. Nicht unbedingt müsse der Soft früher eingehen als der Medium, so Marko. Der Medium-Satz aus Q2 könne jedenfalls auch später im Rennen nicht mehr genutzt werden. "Der ist richtig fertig. Das Risiko gehen wir nicht in. Wenn du sowas hast, bleibt der immer wieder stehen", sagt Marko. Dem Rennen blickt Red Bull dank der Pole nun mit noch größerer Zuversicht entgegen. Immerhin will man sich diesmal sogar mehr auf das Rennen konzentriert haben - und holte trotzdem Startplatz eins.