Auch noch Tage nach der Kollision zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton beim Großbritannien GP gehen die Meinungen in der Formel-1-Welt weit auseinander. Während es auf Fan-Seite unterdessen zu schweren Anfeindungen kam, haben sowohl niederländische als auch britische Journalisten eine wesentlich neutralere Sicht zum Vorfall. Zumindest in der Schuldfrage sind sie sich alle einig.

Verstappen-Hamilton-Crash abzusehen?

Es war die erste Runde des Grand Prix in Silverstone, als sich Lewis Hamilton und Max Verstappen ein packendes Duell lieferten, das in der Copse-Kurve jedoch ein jähes Ende fand. Die beiden Piloten versuchten gleichzeitig in die Hochgeschwindigkeits-Kurve einzubiegen, woraufhin es zu Berührung kam und der Niederländer im Reifenstapel landete. Eine umstrittene Kollision. Schließlich handelt es dabei um die beiden Titel-Anwärter.

"Wenn man jemandem die Schuld geben muss, weil man bei einem solchen Unfall immer einen Schuldigen sucht, dann ist es Lewis", erklärt Erik van Haren von der niederländischen Tageszeitung 'De Telegraaf'." Wenn man sich die Onboard ansieht, erkennt man, dass Lewis nach rechts gehen könnte und Max ließ ihm beim Einlenken auch Platz."

Mit diesen Ansichten steht der niederländischen Journalist aber nicht alleine da. Auch Chris Medland vom 'Racer' sieht die Verantwortung knapp beim siebenmalignen Weltmeister. "Von wo sie kamen, dem Kurventyp und dem Winkel ist recht klar, dass Lewis die Kurve nicht schaffen konnte, ohne Max zu treffen. wenn er es hätte verhindern wollen, hätte Max einfach nicht so sehr einlenken müssen. Er hätte eine weitere Linie nehmen können, aber diese Sorte Fahrer ist er nicht", erklärt Medland.

Dabei hätte es in der Saison zwischen Verstappen und Hamilton in dieser Saison schon viel früher krachen können. In den vorherigen neun Grands Prix sind sich beiden auf der Strecke bereits des häufigeren begegnet. Genau darin könnte aber der Grund liegen, warum es ausgerechnet in Silverstone dazu kam.

"Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Imola eine ähnliche Situation hatten, in der Max einen aggressiven Move gezeigt hat und Lewis nachgegeben hat. Kann er erwarten, dass Lewis das jedes Mal macht? Ich denke nicht", erklärt van Haren. Auch in Barcelona gab Hamilton in der ersten Kurve nach dem Start gegenüber Verstappen nach.

Hinzukommt, dass Hamilton die Weltmeisterschaft nach drei Verstappen Siege zu entgleiten drohte. Ein weiteres Mal wollte der Brite also nicht zurückstecken, vermutet Ben Hunt von 'The Sun': "Ich glaube, es gab diesen Moment bei Lewis, wo er sich dachte: 'Heute werde ich das nicht machen.' Er war sehr enttäuscht, dass er den Sprint nicht gewonnen hat. Diesen Sieg wollte er unbedingt haben. Das kochte in ihm hoch und er wusste, dass er es auf der ersten Runde schaffen musste."

Briten und Niederländer: Strafe gerechtfertigt

Auch die Rennstewards kamen zu dem Schluss, dass Hamilton die größere Teilschuld am Unfall trug und brummten dem Briten während des Rennens letztlich eine letztlich eine 10-Sekunden-Strafe auf. Red Bull empfand diese Strafe als zu lasch und forderten sogar eine Rennsperre für den Mercedes-Piloten. Auch aufgrund der schweren Folgen des Unfalls.

Neben dieser Kritik bekräftigt der britische Journalist Chris Medland die Entscheidung der Rennstewards: "Die Stewards müssen darauf schauen, wie nah lagen sie zusammen, wie gingen sie miteinander um? Wenn Lewis Max einfach voll in die Seite gefahren wäre und Max nichts hätte machen können, um das zu vermeiden, dann kann ich mir eine viel härtere Strafe vorstellen."

Lewis Hamilton konnte sich beim Großbritannien GP trotz 10-Sekunden-Strafe den Sieg sichern, Foto: LAT Images
Lewis Hamilton konnte sich beim Großbritannien GP trotz 10-Sekunden-Strafe den Sieg sichern, Foto: LAT Images

Das sieht auch Jan van der Burgt von 'Racingnews365' so und begründet das damit, dass eine Strafe nicht anhand der Folgen eines Vorfalls bemessen werden darf: "Man muss Hamiltons Fehler für sich betrachten. Man kann Mercedes nicht dafür die Schuld geben, dass sie diesen Rückstand ausgleichen konnten", spricht er auch die erfolgreiche Aufholjagd Hamiltons an."

Ausgerechnet Medlands britischer Kollege Ben Hunt kommt in dieser Hinsicht aber zu einem anderen Schluss und lässt den angesprochenen Grundsatz außen vor: "Das Problem ist, wenn man wirklich glaubt, dass dieser Fahrer den Unfall ausgelöst hat, hilft die 10-Sekunden-Strafe Max nicht. Er hat nichts davon. Es wäre gut, wenn man sich dieses System ansehen würde."

Zusätzlicher Pfeffer in der WM-Suppe?

Letzten Endes bringt der vorzeitige Höhepunkt im WM-Kampf etwas zusätzliche Würze in den ohnehin spannenden WM-Kampf. Denn während Red Bull und Mercedes abseits der Strecke mit harten Bandagen arbeiten, beteuerten Verstappen und Hamilton immer wieder den gegenseitigen Respekt auf der Strecke.

Hinzu kommt, dass die Art und Wiese, wie Lewis Hamilton seinen Sieg mit den Fans feierte, für viel Kritik sorgte. Auch weil die Tatsache, dass Verstappen nach dem Crash in ein Krankhaus gebracht wurde, den Briten lange kalt ließ: "Es hätte mehr Fairness gezeigt, wenn er wenigsten nach Max Verstappen gefragt hätte. Oder gesagt hätte, dass es ihm für Max leid tut. Wenn er das erwähnt hätte und vielleicht etwas weniger offensichtlich gefeiert hätte, wäre er dabei besser dagestanden", vermutet van der Burgt.