Die Formel 1 lebt vom harten Wettkampf und großen Rivalitäten, und manchmal auch vom bösen Blut. Zwischen den Ausnahmekönnern des Sports herrscht stets der Respekt, bis irgendwann der eine Moment kommt, der alles verändert. Wenn es auf der Rennstrecke nicht mehr nur um eine Position oder WM-Punkte, sondern um viel mehr geht, zeigen sich die besten Fahrer der Welt manchmal von ihrer dunkelsten Seite.
Zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton gab es am vergangenen Sonntag in Silverstone einen dieser Momente. In der ersten Runde wollte nach acht Kurven keiner der beiden mehr nachgeben. Nicht etwa wegen einer einzigen Position, in einem Rennen das noch 50 und eine halbe Runde bot, um über Sieger und Verlierer zu entscheiden.
Der Clash der beiden Alphatiere hatte nur einen Grund. Beide wollten in diesem Machtkampf die Kontrolle über den jeweils anderen erlangen und ihn zur Aufgabe zwingen. Es endete in einem verheerenden Unfall für Verstappen und wird zweifelsohne in die Geschichte dieses Duells zweier außergewöhnlicher Piloten eingehen. Wir blicken zurück auf einige erbitterte Fehden, in denen das Ego das Steuer in die Hand nahm.
Ayrton Senna vs. Alain Prost - Suzuka 1990
Es ist die berühmteste Fehde in der Geschichte der Formel 1 und im Jahr 1990 befand sie sich auf ihrem absoluten Höhepunkt. Nach zwei nervenaufreibenden Jahren als Teamkollegen bei McLaren befanden sich Ayrton Senna und Alain Prost, nun im Ferrari, beim vorletzten Saisonrennen in Japan erneut im WM-Kampf. In Suzuka war die Titelentscheidung im Vorjahr auf kontroverse Weise zugunsten des Franzosen gefallen. Zwölf Monate später kam es zu einem bizarren Nachspiel.
Senna hatte Prosts taktisches Foul beim Finale 1989 in Suzuka nicht vergessen. Genauso wie seine Disqualifikation und den darauffolgenden Disput mit der FIA rund um Präsident Jean-Marie Balestre, der ihn beinahe aus der Formel 1 verbannte. Doch alte Kamellen waren beim Start an diesem 21. Oktober 1990 nicht alles, was Senna gegen seinen Rivalen und die Obrigkeit aufbrachte.
Nachdem er am Samstag die Pole Position erobert hatte, wurde ihm der erste Startplatz auf der rechten, dreckigen Seite des Grids zugesprochen. Der McLaren-Pilot brach daraufhin eine Diskussion mit der FIA vom Zaun. Er wollte auf der Ideallinie starten, doch die Offiziellen wiesen ihn ab. Ihnen war nicht bewusst, welches Drama sie damit ins Rollen gebracht hatten.
Beim Rennstart wurde Senna wie von ihm befürchtet durch Prost ausbeschleunigt. Doch er hatte sich geschworen, nach der ersten Kurve nicht Zweiter zu sein. Bei der Einfahrt in die erste Kurve hielt er ohne zu Bremsen drauf und schoss sich und Prost mit hoher Geschwindigkeit aus dem Rennen. Um sich nicht beugen zu müssen, war ihm jedes Mittel recht gewesen. Den WM-Titel auf diese Weise gewonnen zu haben, war für ihn ausgleichende Gerechtigkeit für 1989.
Senna schwieg zu seiner Tat, von der FIA gab es keine Sanktionen. Die Angelegenheit wurde mehr oder weniger unter den Teppich gekehrt, obwohl die Sachlage kaum Fragen offen ließ. Prost kommentierte lediglich, was er angesichts von Sennas hoher Aggressivität schon früher angeprangert hatte: "Ich bin nicht bereit, gegen verantwortungslose Menschen zu kämpfen, die keine Angst vor dem Sterben haben."
Ein Jahr später war es Senna selbst, der in Suzuka in einer Wutrede ein Geständnis ablegte, nachdem die Pole Position für 1991 auf die zuvor von ihm geforderte Seite gelegt wurde: "Ich habe zur mir gesagt: Okay, du arbeitest sauber und wirst dafür von gewissen Leuten nur verarscht. Also dann, wenn Prost mich von der Linie weg schlägt, werde ich es in der ersten Kurve einfach drauf anlegen. Und er lenkt besser nicht ein, denn er wird sie nicht kriegen. Und dann geschah es."
Lewis Hamilton vs. Nico Rosberg - Barcelona 2016
Die silbernen Streithähne verband seit Beginn ihrer Zusammenarbeit bei Mercedes eine dauerhafte Rivalität. Immer wieder gab es zwischen Hamilton und Rosberg Sticheleien. Auf der Rennstrecke wurde zwischen den Teamkollegen regelmäßig mit äußerster Vehemenz um die Vormachtstellung im Team gekämpft. Den ersten großen Krach gab es beim Grand Prix von Belgien 2014, als es zu einer Berührung kam, bei der Hamilton einen Plattfuß erlitt.
2016 erreichte die Rivalität in Barcelona ihren Höhepunkt. Während Rosberg jahresübergreifend sieben Rennen in Folge gewonnen hatte, lag der letzte Triumph Hamiltons ein halbes Jahr zurück. In Spanien hatte sich der in den ersten vier Saisonrennen von Defekten gebeutelte Titelverteidiger zum dritten Mal in der Saison die Pole Position gesichert. Diesmal musste es mit dem Sieg einfach klappen, denn von seiner Negativserie sowie vom Lauf Rosbergs hatte er gleichermaßen die Schnauze voll.
Beim Run auf die erste Kurve überrumpelte ihn der Teamkollege am Start jedoch aus dem Windschatten. Hamilton musste sich schon wieder hinten anstellen, fand sich damit aber nicht ab. In der dritten Kurve schloss er zu Rosberg auf, dem völlig der Schwung fehlte. Er hatte nach der Einführungsrunde vergessen, den richtigen Motormodus einzustellen. Hamilton nahm die Einladung dankend an und zog vor Turn vier zum Überholmanöver nach innen.
Damit wiederum wollte sich Rosberg nicht abfinden. Er zog beim Verteidigen ohne Rücksicht auf Verluste nach rechts, während der Teamkollege davon unbeirrt weiter draufhielt und auf die Wiese ausweichen musste. Es war der Moment, in dem keiner der beiden mehr nachgeben wollte. Hamilton verlor die Kontrolle über seinen Mercedes und riss Rosberg mit sich ins Kiesbett. Für beide Fahrer war das Rennen beendet, potentielle 43 Punkte waren für das Team verloren.
Nachdem bis dahin vergleichsweise harmlosen Geplänkel der beiden, brachte diese Nummer das Fass für Mercedes-Teamchef Toto Wolff zum Überlaufen. Wie Jahre später herauskam, drohte er den Streithähnen sogar mit Rausschmiss bei Wiederholung eines derartigen Ungehorsams. Die beiden hatten sich für den Rest ihrer gemeinsamen Zeit weitestgehend im Griff.
In Österreich knallte es zwar noch einmal, doch die Entlassung blieb ihnen erspart. Am Ende des Jahres feierte Rosberg mit fünf Punkten Vorsprung auf Hamilton seinen ersten und einzigen WM-Titel, woraufhin er seinen Rücktritt bekanntgab.
Sebastian Vettel vs. Mark Webber - Istanbul 2010
Im Jahr 2010 befanden sich Sebastian Vettel und Mark Webber für Red Bull im Kampf um die Weltmeisterschaft. Dem damals noch jungen Team war es nach dem Premierensieg im Vorjahr erstmals gelungen, mit dem RB6 ein WM-fähiges Auto auf die Räder zu stellen. Blieb nur noch die Frage, welcher der beiden Fahrer im Team die Hosen anhat.
Entgegen der allgemeinen Erwartungen hatte Webber zu Saisonbeginn einen regelrechten Lauf, der Shooting Star Vettel mächtig unter Druck setzte. Vor dem siebten Rennen der Saison in Istanbul hatte der Australier den Grand Prix von Monte Carlo gewonnen und lag in der Weltmeisterschaft punktgleich mit seinem Teamkollegen an der Spitze. In der Türkei sicherte er sich die Pole Position. Vettel ging von Position drei aus ins Rennen.
Am Sonntag machten Webber und Vettel den Sieg unter sich aus. Der Routinier führte das Rennen vor dem Youngster an, als er ab der 40. von 58 Runden beginnen musste, Benzin zu sparen. Sein Verfolger hingegen hatte Sprit gespart und schloss in großen Schritten auf. Ausgangs der schnellen Kurve elf scherte Vettel aus dem Windschatten aus und setzte sich innen neben Webber. Der wiederum versuchte seine Position mit aller Macht zu verteidigen und hielt seine Linie.
Vettel zog trotzdem ohne Rücksicht in Richtung seines Gegners. Es kam zur Kollision, er drehte sich zwei Mal um die eigene Achse und landete in der Auslaufzone. Für Vettel war das Rennen an Ort und Stelle beendet. Beim Aussteigen gestikulierte er in Richtung des Publikums, sein Teamkollege sei durchgeknallt. Webber musste sich einen neuen Frontflügel abholen und wurde noch Dritter. Im Finalrennen in Abu Dhabi hatten trotz dieses Skandals beide Piloten die Chance auf den Titel. Sebastian Vettel gewann ihn.
Daniel Ricciardo vs. Max Verstappen - Baku 2018
Max Verstappen trat in der Formel 1 von Anfang an als gnadenloser Siegertyp auf. Dazu gehörte vor allem, den Teamkollegen möglichst deutlich im Griff zu haben. Nachdem er Carlos Sainz bei Toro Rosso ausgestochen hatte, musste er sich bei Red Bull mit Grand-Prix-Sieger Daniel Ricciardo messen. Im ersten gemeinsamen Jahr hielt der Australier 2016 noch erfolgreich dagegenhielt, doch bald darauf wurde auch für ihn die Luft dünn.
Doch obwohl Verstappen ihm langsam aber sicher das Wasser abgrub, herrschte auf der Rennstrecke zunächst Frieden. Glücklich war der ehrgeizige Ricciardo über diesen Zustand natürlich trotzdem nicht. Dem Niederländer den Nummer-eins-Status freiwillig zu überlassen, kam nicht in Frage. 2018 bot sich ihm in Baku eine dieser Möglichkeiten, sein Revier zu verteidigen.
Ricciardo war seit langer Zeit endlich wieder deutlich schneller als Verstappen, und diesem passte das gar nicht. Erst nach mehreren beinahe-Unfällen kam er am Teamkollegen vorbei, fiel dann jedoch durch die Boxenstopp-Strategie wieder hinter diesen zurück. Obwohl Ricciardo eindeutig die bessere Pace hatte, ließ Red Bulls Teamführung den Kampf weiterlaufen - bis der bissige Honey Badger genug hatte.
Obwohl Verstappen beim Run auf Kurve eins die Innenbahn kompromisslos abschirmte, setzte er beim Anbremsen zur Attacke an. Verstappen machte in Reaktion darauf mit einem weiteren Richtungswechsel die Linie endgültig zu, sodass Ricciardo ihn in bester Bowling-Manier abräumte. Das Resultat war nicht nur eine Nullnummer für Red Bull.
Das Team verlor nach diesem Zwischenfall auch die Dienste von Ricciardo, der seinen Vertrag nicht verlängern wollte und stattdessen zu Renault ging. Das freundschaftliche Verhältnis zwischen ihm und Verstappen war nach einer Weile wiederhergestellt. Auf der Rennstrecke begegneten sie sich danach nicht mehr im direkten Duell.
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