Zunächst war es nur eine Vermutung, nun ist es Gewissheit: Der Defekt, der den Start von Charles Leclerc beim Monaco GP 2021 verhinderte, ist auf den Unfall am Tag zuvor im Qualifying zurückzuführen. Das bestätigte Ferrari nun nach einer genaueren Analyse in Maranello.

Leclerc hatte im Qualifying auf seiner letzten Runde im Q3 die innere Leitplanke der zweiten Schwimmbad-Schikane berührt. Dabei ging die Spurstange vorne rechte zu Bruch, weshalb der Ferrari SF21 unkontrollierbar wurde. Leclerc schlug schließlich mit der rechten Fahrzeugseite am Ausgang der Schikane ein.

Zunächst schlug er mit der rechten Vorderachse ein, am Ende bekam auch noch die rechte Hinterachse einen ordentlichen Schlag ab, weshalb Ferrari um das Getriebe zitterte. Ein Wechsel hätte eine Strafversetzung um fünf Startplätze bedeutet - die Pole Position wäre dahin gewesen.

An einem älteren Mercedes gut zu erkennen: Die Antriebswelle führt vom Differenzial zur Radnabe, Foto: LAT Images
An einem älteren Mercedes gut zu erkennen: Die Antriebswelle führt vom Differenzial zur Radnabe, Foto: LAT Images

Nach eingehenden Untersuchungen konnte Ferrari keinen Defekt am Getriebe erkennen und verzichtete daher auf einen Wechsel. Auf der Runde in die Startaufstellung dann der Schock. "Oh nein, nein, das Getriebe", funkte Leclerc in langsamer Fahrt.

Der 23-Jährige konnte sich noch aus eigener Kraft zurück an die Box schleppen, die Mechaniker konnten das Auto aber nicht mehr rechtzeitig zum Start des Monaco Grand Prix reparieren. Tatsächlich aber war es gar nicht das Getriebe, dass den Dienst quittiert hatte: Stattdessen versagte die Radnabe hinten links an der Stelle, an der das Antriebswellengelenk aufgenommen wird. So konnte die Kraft des Motors nicht mehr an das Rad übertragen werden.

Ferrari überarbeitet Crash-Protokolle

Ferrari hat für den Fall eines Unfalls Checklisten, welche Teile genauer überprüft, respektive ausgetauscht werden müssen. Weil der Einschlag auf der rechten Seite erfolgte, wurde die linke Fahrzeugseite nicht genau genug überprüft. Die Scuderia kündigte bereits an, das Protokoll zu überarbeiten.

Das Problem: Räder und Antriebsstrang sind nicht darauf ausgelegt, axial Kräfte aufzunehmen. Deshalb ist das Risiko eines Getriebeschadens bei einem solchen Einschlag auch sehr hoch, weil die Kraft über die Antriebswelle ungedämpft an das Differenzial übertragen wird. Allerdings stecken beide Antriebswellen im Differenzial.

Die Antriebswelle wird in der Formel 1 heutzutage zusammen mit dem unteren Querlenker verkleidet, Foto: LAT Images
Die Antriebswelle wird in der Formel 1 heutzutage zusammen mit dem unteren Querlenker verkleidet, Foto: LAT Images

Durch den Aufprall hat somit auch die linke Antriebswelle einen Schlag abbekommen. Die Antriebswelle selbst hielt dem stand, über das Tripodengelenk wurde allerdings das Gegenstück in der Radnabe beschädigt.

Dieses Teil konnte in der Garage nicht so einfach überprüft werden. Zwar können die Mechaniker den Motor anlassen und das Getriebe durchecken, indem alle Gänge durchgeschaltet werden. Allerdings ist das Auto dabei aufgebockt, die Radnabe dreht sich frei in der Luft.

Erst wenn die Räder montiert sind und auf dem Asphalt aufsetzen, wirken die üblichen Kräfte auf den gesamten Antriebsstrang. Bis Kurve fünf konnten die rund 1.000 PS auch noch von der Antriebswelle auf das linke hintere Rad übertragen werden. Erst beim Herausbeschleunigen aus Mirabeu versagte die Kraftübertragung.

Getriebewechsel hätte Schaden nicht verhindert

In Anbetracht des Unfalls wechselte Ferrari relativ wenig Komponenten. Insgesamt zehn Baugruppen wurden ausgetauscht. Unter Parc-ferme-Bedingungen dürfen nur defekte Teile ersetzt werden, allerdings ist die FIA nach Unfällen relativ kulant, sobald ein Verdacht besteht, eine Komponente könnte Schaden davongetragen haben. Schließlich darf ohnehin nur ein Teil derselben Spezifikation eingesetzt werden.

An der rechten Fahrzeugseite wechselte Ferrari die kompletten Aufhängungen vorne und hinten. Auf der linken Seite wurden die Teile nicht getauscht. Immerhin: Auch ein Getriebewechsel hätte den Schaden nicht verhindert. Denn dabei hätten die Mechaniker keinen neuen Radträger samt Radnabe eingebaut.